Siegen. Der Siegener Rat stellt die Weichen für die Zwei-Bäder-Lösung in Weidenau und Eiserfeld und damit die teuerste Investition aller Zeiten.

Die Grundsatzentscheidung ist gefallen: Das Hallenbad in Weidenau wird abgerissen und als „Kompaktbad“ neu gebaut, das Hallenbad in Eiserfeld wird erhalten und im Laufe der nächsten Jahre saniert – so, wie es der Rat auch schon wollte, bevor die Kosten für Weidenau davonliefen und der Gutachter die Alternative eines größeren „Zentralbades“ in Weidenau zur Diskussion stellte. Eiserfeld wäre dann geschlossen worden, was den Widerstand einer Bürgerinitiative und den Widerspruch aus der Politik hervorrief. Im Rat gab es jetzt am Ende nur noch vier Stimmen von Volt und AfD gegen die Zwei-Bäder-Lösung. Rüdiger Heupel (GfS) enthielt sich der Stimme.

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Kosten wohl deutlich über 62 Millionen Euro

„Das kostet verdammt viel Geld. Das ist mehr, als wir je für eine einzelne Maßnahme ausgegeben haben.“ Felix Hof (SPD) eröffnet die Debatte, die zumindest Achim Bell (UWG) nicht mehr will: In den letzten Wochen sei schließlich alles gesagt worden, das Ergebnis stehe doch fest. Das lässt ihm Ansgar Cziba (Grüne) nicht durchgehen. „Das wird der Größe der Investition nicht gerecht.“

62 Millionen Euro für die Zwei-Bäder-Lösung, 58 Millionen Euro für die Zentralbad-Variante – das waren die Zahlen aus der Beratungsvorlage. Wenn man jetzt noch vier Millionen Euro bei der Zwei-Bäder-Lösung einsparen würde, gäbe es kein Argument mehr für das Zentralbad, meint Wolfgang Koenen (FDP). „Genau, Wolfgang“, entfährt es Bürgermeister Steffen Mues, „dann mach mal.“ Kämmerer Wolfgang Cavelius räumt diesem Unterfangen keine Chance ein: Es werde wohl eher noch teurer. Abgesehen von den Folgekosten: Da könnte die Stadt mit dem Zentralbad eine halbe Million Euro jährlich sparen. In die Diskussion kommt die Sorge, dass Steuern erhöht werden müssten. Diese Frage werde sich aber unabhängig von der Entscheidung für Kompakt- oder Zentralbad stellen, wird Bürgermeister Steffen Mues später sagen. „Wir werden sehen...“

Die Alternativen

Zwei-Standorte-Lösung: Neubau eines Kompaktbades in Weidenau mit einem Sportbecken und einem Kombibecken mit Sprunganlage und Hubboden. Das Sportbecken hat sechs, das Kombibecken vier 25-Meter-Bahnen, hinzu kommen Lehrschwimm-, Nichtschwimmer- und Eltern-Kind-Becken. Eiserfeld (fünf 25-Meter-Bahnen) wird saniert. Investition: 62 Millionen Euro, jährliche Kosten 4,0 Millionen Euro.

Zentralbad: Neubau eines Zentralbades in Weidenau mit einem Sportbecken mit acht teilbaren 50-Meter-Bahnen, Lehrschwimm-, Nichtschwimmer- und Eltern-Kind-Becken. Eiserfeld wird geschlossen. Investition: 58 Millionen Euro, jährliche Kosten: 3,4 Millionen Euro.

Nur Volt und AfD für das Zentralbad

Die zwei Standorte, so Felix Hof (SPD), stünden für eine „langfristig funktionierende Bäderlandschaft für die ganze Stadt“. Ansgar Cziba (Grüne) nennt Vorteile, die ein Bad in Eiserfeld für viele Bevölkerungsgruppen bringt, erwähnt die einzig verbleibende städtische Sauna und die Möglichkeit einer Wiedereröffnung der Gastronomie: „Die Nachteile müssen wir in Kauf nehmen.“ Teurer sei es halt, und angesichts des baulichen Zustandes von Eiserfeld auch weniger klimafreundlich.

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„Das Schwimmbad für Eiserfeld muss von allen Bürgern bezahlt werden“, wendet Samuel Wittenburg (Volt) ein und kritisiert, dass das Gutachter-Votum „ignoriert“ werde. Demnach wäre das Zentralbad „deutlich günstiger“. Zudem sei der Personalmangel in den Bädern „ein riesiges Problem“, erinnert Wittenburg: „Was haben wir von zwei Bädern, die man dann nicht öffnen kann?“ Auf seiner Site sieht der Volt-Sprecher Michael Schwarzer (AfD): „Wir haben nicht die Mittel für zwei Bäder.“

Martin Heilmann (Grüne) wirft dem Volt-Kollegen vor, „mit falschen Fakten zu hantieren“. Mit Eiserfeld sei es auch Bürgern aus Meiswinkel möglich, jeden Tag schwimmen zu gehen. „Beide Bäder sind für alle Bürger da.“ Sie seien „deutlich zu gutachtergläubig“, sagt Michael Groß (Grüne) den beiden Volt-Stadtverordneten. Nur theoretisch könne das Schulschwimmen aus dem ganzen Stadtgebiet auf ein Zentralbad konzentriert werden. Für Kinder aus Eisern „können Sie dann den ganzen Tag den Unterricht ausfallen lassen.“

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Arne Fries: „Ich kämpfe um jeden Quadratmeter Wasserfläche“

„Ich habe nicht mehr Expertise als die Gutachter“, verteidigt sich Samuel Wittenburg (Volt) und beruft sich auf eine Äußerung des Eiserfelder CDU-Manns Frank Weber, der in einem anderen Zusammenhang dazu geraten hatte, das Geld für Gutachten zu sparen, wenn man die Ergebnisse nicht beachte. „Du darfst nicht alles glauben, was der Frank sagt“, empfiehlt darauf Henning Klein (Linke), „das Gutachten war sein Geld wert.“ Frank Weber (CDU) meldet sich später selbst: Es wäre eine „Katastrophe“, wenn die Großstadt Siegen nur noch ein Hallenbad hätte. Stadtrat Arne Fries als Sportdezernent hat er auf seiner Seite: „Ich kämpfe um jeden Quadratmeter Wasserfläche.“ Eine richtungsweisende Entscheidung habe der Rat schließlich schon vor Jahren getroffen, als er das Löhrtor-Hallenbad aufgegeben habe, das nach der Eröffnung des Neubaus in Weidenau geschlossen werden soll.

Silke Schneider (Linke) drängt: „Wir sind schon fast zehn Jahre dran. Wir müssen endlich in die Pötte kommen.“ Die Rechnung mit dem Schulschwimmen werde in einem Zentralbad nicht aufgehen – dazu würde das 50-Meter-Becken in vier Bereiche für vier gleichzeitig schwimmende Schulklassen aufgeteilt: „Das ist definitiv nicht machbar.“ Die Badezeiten für die Allgemeinheit würden in einem Zentralbad „gewaltig eingeschränkt“. Silke Schneider ist für zwei Bäder: „Die vier Millionen Euro mehr machen die Kuh auch nicht fett.“

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Der Kämmerer und die Windmühle

Marc Klein (CDU) empfiehlt, eine Betriebsführung durch die Siegener Versorgungsbetriebe (SVB) zu prüfen, die möglicherweise billiger arbeiten könnten als ein städtischer Regiebetrieb – die Verwaltung hatte allerdings schon früher eingewendet, dass dann auch der Mitgesellschafter Rhenag mitmachen müsste. Außerdem, so Klein, möge Siegen sich um „interkommunale Zusammenarbeit“, sprich: um Kostenbeiträge der Nachbarkommunen, sowie um Landes- und Bundeszuschüsse bemühen.

Gegen Ende der Debatte tut der Kämmerer das, was von ihm erwartet wird. Er weist auf die Folgekosten hin, nennt die 50 Millionen Euro Zinsen, die die Stadt über die Jahrzehnte insgesamt bezahlen wird, und er erwähnt Vorhaben wie den Neubau der Hufeisenbrücke, die auch finanziert werden müsse. Abgesehen von den zu erwartenden Mehrkosten von allein drei Millionen Euro für den Umzug der Spandauer Schule auf den Häusling und vier Millionen mehr für die Erweiterung der Diesterwegschule. „Das muss Ihnen bewusst sein.“ Wobei Wolfgang Cavelius klar ist, dass Politik anders tickt: „Sie sind die Windmühle, ich bin Don Quijote.“

Das letzte Wort will der Eiserfelder Robert Grisse (UWG) haben. „Ich bin der glücklichste Mensch….“, hebt er an, bevor Bürgermeister Steffen Mues ihm das Wort abschneidet. Eine solche persönliche Erklärung hätte er vorher anmelden müssen. Und sei auch nur selten zulässig: „Meistens, wenn der eine von dem anderen beleidigt worden ist.“

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