Lüdenscheid. Bau-Experte glaubt, dass der Verkehr 2025 schon wieder rollen wird. Wie aus einem Infrastruktur-Desaster ein Vorzeigeprojekt wurde.
Man hat ja schon die prächtigsten Irrtümer gesehen. Vor etwas mehr als 20 Jahren wurde die Hochrheinbrücke zwischen dem deutschen und dem Schweizer Teil der Stadt Laufenburg gebaut. 225 Meter lang. Sie wurde allerdings erst mit Verspätung und erheblichen Mehrkosten fertig, weil das Ingenieurbüro eine der beiden Seiten 54 Zentimeter zu tief ansetzte. Ursächlich offenbar für den peinlichen Fauxpas: die beiden Länder beziehen sich auf unterschiedliche Meeresspiegelhöhen.
Großer Tag voraus: Stahl-Hochzeit mit prominentem Besuch
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Auf der Nordseite sind die Brückenteile letztmals geschoben worden: 87 Meter Richtung Mitte. Dort wird nun noch in 70 Metern Höhe die tonnenschwere gelbe Hilfskonstruktion (genannt: Vorbauschnabel) abmontiert. Zudem wird die Südseite herangeschoben. „Um 75 Meter“, wie Projektleiter Michael Neumann von der Autobahn GmbH Westfalen sagt. Geschwindigkeit: sechs bis acht Meter in der Stunde. Mehr als doppelt so schnell als eine Weinbergschnecke.
Am kommenden Dienstag ist dann der große, herbeigesehnte Tag: die Brücke feiert Stahlhochzeit, den Zusammenschluss der beiden Brückenhälften. Der Bundesverkehrsminister Volker Wissing, mittlerweile parteilos, gibt sich die Ehre. Mikrofone. Fotografen. Fernsehteams. „Wie weit die beiden Brückenenden am Tag der Stahlhochzeit auseinanderliegen werden, lässt sich derzeit noch nicht absehen. Die Arbeiten sind stark witterungsabhängig“, erklärt Neumann. Zumindest die Höhe sollte aber passen.
Vor allem stellt sich aber die Frage, die sich schon viele gestellt haben: Hochzeit - und dann?
Die Autobahn GmbH ist in diesen Tagen nicht sonderlich auskunftsfreudig, wie es genau weitergeht. Klar ist, dass als nächster wichtiger Schritt die Betonage der Fahrbahnplatte auf dem 450 Meter langen Bauwerk erfolgen muss. Montage der Geländer und Schutzplanken. Fahrbahnasphaltierung. Auftragung der Markierungen. Dass also der von der Autobahn GmbH offiziell genannte Freigabetermin der ersten Brückenhälfte - Sommer 2026 - unterboten wird, scheint längst klar. Nur sagen will es keiner. Zumindest nicht vor Dienstag.
„Es wäre schön, wenn sich dieser Erfolg verstetigen würde bei der Umsetzung anderer Bauprojekte. Das Beispiel Rahmedetalbrücke zeigt: Es geht – und zwar ohne Qualitätsverlust.“
Rahmedetalbrücke - erst Infrastrukturdesaster und jetzt Vorbildprojekt?
Die restlichen Arbeiten würden „nur noch wenige Monate in Anspruch nehmen“, sagt Experte Dr. Heinrich Bökamp, Präsident der Ingenieurkammer-Bau NRW. Die erste Brückenhälfte „wird mit etwas Glück in diesem Jahr noch befahrbar sein.“ Das hieße: Vier Jahre nach der unvermittelten Sperrung des Bauwerks wegen akuter Einsturzgefahr im Dezember 2021 könnte die Lebensader Autobahn 45 wieder zu pulsieren beginnen - mit jeweils zwei verengten Fahrspuren in beide Richtungen. „Es wäre schön, wenn sich dieser Erfolg verstetigen würde bei der Umsetzung anderer Bauprojekte. Das Beispiel Rahmedetalbrücke zeigt: Es geht – und zwar ohne Qualitätsverlust“, sagt Bökamp.
Elfriede Sauerwein-Braksiek, Direktorin der Autobahn GmbH Westfalen, hatte Wochen nach der Sperrung gesagt, dass es ein Erfolg wäre, sollte die neue Brücke nach fünf Jahren stehen. Nun könnte diese Marke unterboten werden. „Die reine Bauzeit ist schon super. Das muss man dem Bauunternehmen lassen“, lobt Bökamp die Arbeit des deutsch-österreichischen Konsortiums seit Oktober 2023: „Das überrascht mich aber auch nicht: Wenn die Bauarbeiten erstmal losgehen können, dann geht es auch zügig.“
A-45-Brücke: Von der Sprengung bis zum Lückenschluss
Es sei vor allem gut gewesen, dass Wissing den Neubau zur Chefsache gemacht habe, um die Dringlichkeit des Projekts zu verdeutlichen, um Warteschleifen der Bürokratie zu vermeiden. Eine Blaupause für die vielen noch nötigen Projekte allein an der A45, auf der zwischen Hessen und Dortmund insgesamt Dutzende Brücken erneuert werden müssen. Bökamp: „Dadurch war klar, dass es absolute Priorität hatte. Das hat auf alle Beteiligten, insbesondere die Genehmigungsstellen, einen Druck ausgelöst, den die so nicht kannten. Auf welchem Schreibtisch auch immer der Vorgang landete, jeder wusste, dass er da schnell wieder weg musste.“
Statik-Test: Als noch Elefanten über Brücken liefen
Aber wer sagt denn eigentlich, dass die Brücke jetzt auch hält? Wird das täglich vor Ort vom Statiker geprüft? Wie geht das? Herr Neumann? „Die Brücke ist in jedem Bauzustand standsicher. Das haben viele Ingenieure und Statiker berechnet”, sagt der Projektleiter knapp. Zumindest braucht es offenbar den Statiker an der Brücke nicht täglich. Mit den „digitalen Möglichkeiten von heute“ sei die Aufstellung der Statik umfassender und sicherer möglich, sagt Heinrch Bökamp. Heute könne jede Beanspruchung, die auf die Brücke einwirkt, im Rechner simuliert werden. „Früher hat man zum Belastungstest schon mal eine Dampfwalze oder Elefanten losgeschickt – wenn sie auf der anderen Seite ankamen, dann hatte die Brücke den Test bestanden.“
Ungewöhnliche Aktion
Die Rahmedetalbrücke bietet am Freitag die Kulisse für eine bundesweite Aktion der IG Metall, an der auch die Gewerkschafter des Märkischen Kreises teilnehmen. Am Freitag (21. Februar, 10 Uhr) ziehen sie mit Botschaftsschildern und Spruchbannern Richtung Baustelle, um Politik und Unternehmen zu einem Investitionsschub aufzufordern. Die Rahmedetalbrücke sei zum Symbol für jahrzehntelang fehlende Investitionen in die öffentliche Infrastruktur geworden. Sie stehe exemplarisch für Tausende vernachlässigte Schulen, Brücken, Straßen, öffentliche Gebäude und Fabrikanlagen. Der schnelle Baufortschritt in Lüdenscheid zeige aber auch, dass es anders ginge.
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