Lüdenscheid. Bauunternehmen zeigt beim Spitzentreffen in Lüdenscheid, wie es in den kommenden Monaten an der Talbrücke Rahmede weitergeht.
Lüdenscheids Bürgermeister Sebastian Wagemeyer (SPD) hatte zum Spitzentreffen von Politik, Wirtschaft und Verbänden eingeladen. Inhalt der Besprechungen: der Neubau der Talbrücke Rahmede, jener Brücke der Autobahn 45, die 2021 wegen Einsturzgefahr gesperrt werden musste und im Mai 2023 gesprengt wurde. Wagemeyer wollte Antworten zu drei Themenfeldern - und erhielt welche. Auch solche, die ihm nicht gefielen.
Thema 1: Baufortschritt
Seit Oktober 2023 wird die neue Brücke gebaut - und das unter zum Teil widrigen Bedingungen, weil es im Winter fast durchgehend regnete und den Boden im steilen Gelände aufweichte. Nachteilig hat sich das offenbar nicht ausgewirkt, wie Elfriede Sauerwein-Braksiek, Direktorin der Autobahn GmbH Westfalen, als Teilnehmerin des Treffens sagte. „Wir sind voll im Plan - und wir sind zuversichtlich, dass das so bleibt, wenn nicht etwas völlig Unvorhergesehenes passiert.“
A-45-Brücke: So sieht es an der Baustelle derzeit aus
Heißt konkret: Derzeit spricht alles dafür, dass spätestens im Sommer 2026 der Verkehr wieder über die Sauerlandlinie rollen kann - wenn auch nur auf der Fahrbahn Richtung Frankfurt, die zuerst gebaut werden wird. Wird die Bietergemeinschaft Habau/MCE/Bickhardt Bau früher fertig, erhält sie Bonuszahlungen.
Teilnehmer des Spitzentreffens konnten sich auf einer Baustellenbesichtigung im Vorfeld des Treffens einen eigenen Eindruck von der Großbaustelle machen. „Der Baufortschritt der Rahmedetalbrücke überzeugt und macht Hoffnung auf den avisierten Fertigstellungstermin Mitte 2026“, wird Dirk Jedan, Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Märkischer Kreis in einer Mitteilung der Südwestfälischen Industrie- und Handelskammer (SIHK) zu Hagen zitiert.
Laut Andreas Jancar, technischer Geschäftsbereichsleiter der Habau Group, sind die ersten Stahlbauteile der Brücke schon montiert. Ungewöhnlich: Er wurde konkret, wie es weitergeht. Im vierten Quartal 2024 sollen alle vier Pfeiler, die die Brücke tragen werden, fertiggestellt sein - und die Stahlteile der Brücke größtenteils schon darüber geschoben.
Thema 2: Verkehrsüberwachung
Noch immer leiden Lüdenscheid und umliegende Städte unter dem Verkehr. 22.000 Autos kommen noch immer über die Autobahn 45 in Lüdenscheid an, wie Messungen der Autobahn GmbH ergeben hätten, sagte Elfriede Sauerwein-Braksiek. Noch immer zu viele, wenngleich schon Maßnahmen getroffen wurden: zum Beispiel das Fahrverbot für den überregionalen Schwerlastverkehr. „Durchfahrtsverbote funktionieren - und sie funktionieren noch besser, wenn sie kontrolliert werden“, sagt Bürgermeister Wagemeyer.
Doch die Polizei des Märkischen Kreises und die zusätzlichen Kräfte des Landes NRW können die Kontrollen nicht derart intensiv fortführen, wie zu Beginn des Verbotes im Sommer 2023 - zumal die Kräfte bei der anstehenden Fußball-EM gebraucht werden. Daher trachten Bürger und Bürgermeister nach einer automatisierten Lösung. Brückenwächter heißt das System, bei dem mit einer Art Schlagbaum kurz vor der Abfahrt von der A45 jene automatisch aufgehalten werden, die keine Durchfahrtsberechtigung haben. Doch diese Lösung wird es nicht geben, wie Gerhard Rühmkorf als Entsandter des Bundesverkehrsministeriums mitteilt.
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Es gäbe dabei technische, wirtschaftliche und rechtliche Bedenken. Der Lkw bleibe vor dem Schlagbaum stehen, sorge für Stau, die Papiere des Fahrers müssten kontrolliert werden, was erneut hoheitliche Aufgabe der Polizei sei, und der Lkw gegebenenfalls zum Wenden gezwungen werden, sagt Rühmkorf. Durch das Wendemanöver - die Mittelleitplanke könnte entfernt werden - käme es aber zum Begegnungsverkehr auf der anderen Fahrbahnseite. „Ein solches System ist faktisch nicht praktikabel“, so Rühmkorf: „Aber wir wollen die Bücher nicht ganz zumachen.“
Nun wird daher an einem anderen System gearbeitet: einem, bei dem die Kennzeichen von Lkw erfasst und mit einer Liste Durchfahrtsberechtigter abgeglichen werden. Die Polizei könne den entsprechenden Lkw dann abseits der Autobahn kontrollieren. „Eine Art Vorfiltrierung“ nennt Rühmkorf das. Das wäre effektiver als die stichprobenartigen Kontrollen derzeit. Bis zur möglichen technischen und rechtlich wasserdichten Umsetzung dauere es aber noch „einige Monate“, sagte Rühmkorf auf Nachfrage.
Thema 3: Masterplan Infrastruktur
Ein Thema, das der Wirtschaft sowie allen umliegenden Kommunen unter den Nägeln brennt: Wie sehen konkrete Pläne von Land und Bund aus, um die Straßen und Brücken auch abseits der offiziellen Umleitungsstrecke zu sanieren? Denn rund um Lüdenscheid reißen die Straßen auf und bröseln die Brücken. Sperrungen und Verkehrseinschränkungen bringen Südwestfalen dem Verkehrskollaps immer wieder ein Stück näher, wie zuletzt in Nachrodt-Wiblingwerde an der Lennebrücke zu besichtigen war.
„Wir haben noch einmal klargemacht, dass es von großer Bedeutung ist, den Plan zur Sanierung der Straßen und Brücken schon in der Tasche zu haben für den Moment, an dem der Verkehr auf der A45 wieder rollt. Damit wir direkt anfangen können und sich diese Gedanken nicht erst dann gemacht werden“, sagt Sebastian Wagemeyer. In diesem Zusammenhang sei die Bitte an das Land formuliert worden, Straßen-NRW mit den nötigen personellen und finanziellen Ressourcen auszustatten.
Die zuständigen Abteilungen beim Land hätten dies auf dem Schirm, habe Viktor Haase, Staatssekretär im NRW-Verkehrsministerium bedeutet. Auf Ebene der Bezirksregierung seien die Kommunen im engen Austausch über Schäden auf ihren Gebieten. „Dieses Wissen muss in einem vernünftigen Gesamtplan zusammengeführt werden“, sagt Wagemeyer. Ein Masterplan für die Infrastruktur in Südwestfalen eben.
Unzufrieden war Wagemeyer am Ende des Tages nicht. „Die drei wichtigen Themenfelder sind besprochen worden. Das jeweilige Ergebnis reicht von sehr gut bis ernüchternd“, sagt er und meint den erfreulichen Baufortschritt und den Rückschlag beim Brückenwächter. „Aber zumindest haben wir jetzt eine klare Aussage.“ Und nicht mehr das Gefühl hingehalten zu werden.