Lüdenscheid. Die Talbrücke Rahmede wird neu gebaut. Bundesverkehrsminister Volker Wissing gibt das Startsignal. Gesucht wird bald ein Name für die Brücke.
Um ein Haar hätte sich der Stargast des Tages selbst verschwinden lassen. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) war eigens aus Berlin angereist, um den feierlichen Akt zum Start des Neubaus der Talbrücke Rahmede in Lüdenscheid zu vollziehen. Da stand er also oben auf der gesperrten Autobahn 45, hinter ihm die Abbruchkante und das Tal, in der Hand den Faden, der das riesige Banner über ihm auf einen Zug hin entrollt, die dutzenden Fernseh- und Fotokameras schon auf ihn gerichtet.
Start des Neubaus der A-45-Brücke: Es geht um Aufbruch
Eine Deutschlandfahne weht daneben stolz im Wind. Land der Dichter, Denker, Ingenieure. „Herr Minister, Sie müssen noch einen Schritt nach vorn, sonst verdeckt das Banner Sie gleich“, ruft ihm jemand von der Seite zu. „Gute Idee“, lacht der Minister und schreitet nach vorn. Dann können die schönen Bilder entstehen: Wissing, die Brücke auf dem Banner, der Aufbruch. Darum geht es heute, weniger um das Desaster, das die Region lähmt.
„Heute bin ich erleichtert hierhergekommen“, sagt der Minister, für den es schon unangenehmere Reisen ins Sauerland gegeben hat. Im Sommer 2022 erlebte er die Sorgen, die Verzweiflung, die Wut der Bürger doch recht ungefiltert, weil die Stadt im Verkehrschaos versank. „Ich weiß, wie sehr der Termin herbeigesehnt worden ist von den Menschen. Es ist ein wichtiger Tag für die Region, für die Bürgerinnen und Bürger von Lüdenscheid, für die Politik und die Wirtschaft. Auf Sperrung und Sprengung folgen Aufbruch und Aufbau.“
Lüdenscheid als Beispiel für Vernachlässigung der Infrastruktur
Hunderte Male, sagt er, habe er in den vergangenen Monaten in der gesamten Bundesrepublik die Brücke im Sauerland als mahnendes Beispiel erwähnt, wie es ist, wenn Infrastruktur versagt. „Uns ist hier vor Augen geführt worden, wie wichtig Infrastruktur für die Gesellschaft und die Wirtschaft ist. Vernachlässigungen können verheerende Folgen haben“, sagt Wissing.
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Er erinnert daran, dass sein Ministerium ein Programm aufgelegt habe, damit sich ein solches Desaster nicht wiederhole. Aber sicher kann sich keiner sein, weil 4000 Brücken bundesweit modernisiert oder neu gebaut werden müssen. „Wir brauchen moderne und sichere Brücken überall im Land und so schnell wie möglich.“
So geht es auf der Baustelle in den kommenden Monaten weiter
Es sei „ein besonderer Tag“, sagte Elfriede Sauerwein-Braksiek, Direktorin der Autobahn GmbH Westfalen. Man habe viel erreicht seit der plötzlichen Sperrung der Autobahn 45 im Dezember 2021 wegen akuter Einsturzgefahr der maroden Brücke. Jetzt richte sich der Blick nach vorn: Bäume würden derzeit gerodet, bald Baustraßen an den Hängen asphaltiert, dann die Enden der alten Brücke und die Pfeilerstümpfe im Tal abgebrochen sowie Aufstellflächen für die Kräne angelegt.
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Zum neuen Jahr starten die Betonarbeiten mit dem Bau der Pfeiler - erst die äußeren, dann die inneren. Wann weitere Schritte erfolgen, bleibt in der Öffentlichkeit ein Geheimnis - zum Ärger der Wirtschaft. „Ein konkreter Bauzeitenplan liegt zwar vor, aber den jetzt zu veröffentlichen macht keinen Sinn, weil der schon morgen überholt sein kann“, argumentiert Sauerwein-Braksiek. „Wir werden hier hoch flexibel arbeiten und Prozesse laufend anpassen.“
Wissing schwingt den Hammer und erstellt einen Messpunkt
Zu der von Wissing angekündigten Transparenz zählt dieser Schritt wohl eher nicht. Allerdings: Die Angelegenheit Rahmedetalbrücke hat Wissing früh zur Chefsache erklärt. Die öffentliche Kommunikation wird durch das Ministerium mitbestimmt. Fest steht nur: 2026 soll die erste Brückenhälfte fertig sein und der Verkehr zumindest einseitig wieder fließen. 2027 soll dann die zweite Hälfte folgen. 170 Millionen Euro sind an Kosten veranschlagt.
Nachdem Wissing vor der Poster-Brücke posiert hat, zieht er ein paar Meter weiter. Nächstes Foto. „Sie müssen jetzt einmal arbeiten“, sagt jemand von der Seite, ohne es vermutlich genau so zu meinen, wie es klingt. Der Minister geht in die Knie, greift nach einem Hammer und versenkt mit wenigen Hieben einen goldenen Nagel in einem Betonsockel: ein sogenannter Messpunkt entsteht, von dem aus das Gelände für den Neubau vermessen werden kann.
Aufruf an die Bürger in 2024: Für das Bauwerk wird ein Name gesucht
Die Rahmedetalbrücke ist eine Besonderheit. Sie hat traurige Bekanntheit erlangt in ganz Deutschland. Daher soll das neue Exemplar auch einen neuen Namen tragen. Das verkündete Wissing am Donnerstag. Im kommenden Jahr werde ein Aufruf gestartet und Vorschläge könnten eingereicht werden. „Ich würde mich freuen, wenn wir einen Namen finden, der für Fortschritt und Zukunft steht“, sagt Wissing, der noch ein Geschenk mitnahm aus dem Sauerland.
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Sebastian Wagemeyer, Bürgermeister Lüdenscheids und Bürgerbeauftragter des Neubaus, führte es in einer kleinen schwarzen Papiertüte mit sich: ein Stück der alten Brücke. Was einst Fahrbahndecke war, wurde vielfach als Souvenir verkauft. „Ich hoffe, es bekommt einen Platz auf seinem Schreibtisch“, sagt Wagemeyer. Er mahnte an, dass der entworfene Zeitplan bis 2026 verlässlich eingehalten werden müsse, um das Vertrauen der Bürger nicht zu verspielen.
Fall Brunsbecke: Warnung von der Bürger-Initiative
Als Bürger-Vertreter ist Heiko Schürfeld, Sprecher der Bürgerinitiative A45, an der Abbruchkante. „Unsere Bürgerinitiative freut sich natürlich über diesen weiteren sichtbaren Schritt zur neuen Brücke“, lässt er wissen, traut der Sache aber noch nicht endgültig: „Am 3. April 2019 hat es bei den Talbrücken Brunsbecke und Kattenohl den ersten Spatenstich für die jeweiligen Ersatz-Neubauten gegeben.“ Die beiden Bauwerke auf Hagener Stadtgebiet entwickelten sich jedoch zu Problemfällen, bei denen es zu erheblichen Verzögerungen kam und kommt. „So etwas darf sich beim Neubau der Rahmedetalbrücke nicht wiederholen“, sagt Schürfeld. Eine Garantie dafür gibt es aber nicht.