Hagen/Meschede. Die Sauerländer Traditionsbrauerei feiert im Jubiläumsjahr einen Rekord. Der gelingt gegen den Markttrend - und ganz knapp.
Sie setzen auf Kontinuität, aber in diesem noch jungen Jahr hat die Veltins-Brauerei bereits einen zumindest teilweisen Neuanfang erlebt. Nach fast 30 Jahren der Beständigkeit an der Spitze. Offiziell griff die Veränderung zum Jahreswechsel, am Donnerstag machte sie sich nun auch öffentlich bemerkbar.
Da führte durch die bei Veltins im Januar übliche Bilanz-Pressekonferenz nicht Michael Huber, der die Geschicke der Sauerländer Traditionsbrauerei 29 Jahre lang bestimmt und die Außendarstellung geprägt hatte, sondern Dr. Volker Kuhl stellte die Geschäftszahlen des abgelaufenen Jahres federführend vor.
„Der Doc“, wie Ex-Boss Huber seine rechte Hand gerne bezeichnete, ist seit dem 1. Januar 2025 Sprecher der Geschäftsführung. Seit 1995 steht Kuhl in Diensten von Veltins – und damit für jene Kontinuität, welche das Unternehmen anstrebt.
Der alte Bekannte in neuer Rolle konnte dann auch bei der Verkündung der wirtschaftlichen Bilanz da weitermachen, wo sein Vorgänger aufgehört hatte.
- Bier schwächelt: Krombacher im Wandel - noch mehr Produkte, alkoholfrei rennt
- Warsteiner vermeldet „stabilen“ Absatz und Umsatz
- Wer ist der neue Chef bei Veltins? Details aus der Brauerei
- Veltins-Boss Huber: „Ich werde zu konservativ und zu stur“
- Veltins vermeldet Rekord – trotz EM-Enttäuschung
- Bier: Brauereien beklagen historisch schlechte EM-Bilanz
- Veltins: Zum Jubiläum Umsatz-Rekord und Ausstoß-Minus
- Edeka wechselt von Krombacher- zu Veltins-Logistiker
Veltins überbietet bisherige Bestmarke
Für das vergangene Jahr, in dem die Veltins-Brauerei ihr 200. Bestehen gefeiert hatte, vermeldeten die Sauerländer ein „Allzeithoch“. Bei einem Wachstum von 3,1 Prozent und mit einem Ausstoß von rund 3,36 Millionen Hektolitern habe man so viel Bier wie nie zuvor gebraut. Zwar habe man auch im Jahr 2022 einen Gesamtausstoß von 3,36 Mio. Hektolitern erreicht, doch den habe man nun knapp um circa neun- bis zehntausend Hektoliter übertroffen, erklärte Kuhl. Der Umsatz lag laut Veltins-Angaben bei 459 Millionen Euro (+4,1 Prozent).
Es sind Zuwachs-Zahlen, die zu der erfolgreichen Entwicklung der Brauerei in den vergangenen Jahren passen – und mit denen sich Veltins nicht nur gegen den Trend im deutschen Biermarkt stemmt, sondern sich auch von zwei südwestfälischen Wettbewerben abhebt: Krombacher und Warsteiner.
Ausstoßentwicklung Veltins 2024
Gesamtausstoß: 3.359.100 Hektoliter (plus 3,1 Prozent)
Pils (Fassbier, Flasche, Dose): 2.367.600 hl (+2,2 Prozent)
Pülleken: 328.800 hl (+20,5 Prozent)
Biermischgetränk V+: 285.200 hl (-6,5 Prozent)
Grevensteiner: 129.200 hl (-22,3 Prozent)
Übrige Sorten (unter anderem Fassbrause und Radler): 218.500 hl (+9,7 Prozent)
Quelle: Veltins
Platzhirsch Krombacher, mit 7,57 Millionen Hektolitern Gesamtausstoß und einem Umsatz von 944,5 Millionen Euro erheblich größer als Veltins, vermeldete am Mittwoch per Pressemitteilung einen Ausstoß-Rückgang von 0,8 Prozent (Ergebnis inklusive der alkoholfreien Getränkesorten wie Schweppes, die um 1,7 Prozent zulegten). Dabei haben laut Krombacher-Angaben auch „fehlende Distributionsstrukturen in Teilen des Handels zu Jahresbeginn“ eine Rolle gespielt; im Zuge einer Auseinandersetzung mit Edeka waren Anfang 2024 manche Krombacher-Produkte aus dem Sortiment des Lebensmittelhändlers verbannt worden.
Warsteiner informierte am Donnerstag über ein leichtes Plus (0,5 Prozent) beim Absatz nach Hektolitern und eine „stabile Jahresbilanz“, nannte aber traditionell keine Zahlen zu Ausstoß und Umsatz.
In NRW spielt die Musik
Veltins hingegen stellte sich im Rahmen einer (digitalen) Pressekonferenz den Fragen der Journalisten. Die Sauerländer sehen sich, wie Boss Kuhl formulierte, auf der „Sonnenseite“ – trotz Konsumzurückhaltung bei Verbrauchern infolge wirtschaftlicher Ungewissheiten und des seit Jahren rückläufigen nationalen Bier-Marktes, der laut Angaben des deutschen Brauer-Bundes 2024 um zwei Prozent erneut schrumpfte (Stand November, die Dezember-Zahlen liegen noch nicht vor). Die Bilanz der Sauerländer weicht auch deshalb vom Trend ab, weil die Stammmarke zulegte.
Pils ist zwar mit einem Marktanteil von fast 50 Prozent immer noch die mit Abstand beliebteste Bier-Sorte in Deutschland. Laut Veltins-Angaben büßte Pils allerdings im nationalen Handel zuletzt 1,9 Prozent Anteil ein, und Krombacher gibt für sein Pils ein Minus von 2,3 Prozent an. Veltins hingegen vermeldet ein Plus von 2,2 Prozent (Fass, Flasche, Dose). „Wir sind eine der wenigen Brauereien, die mit der Stammmarke Pils wachsen. Darauf sind wir stolz“, sagte Veltins-Chef Kuhl.
„Wir sind eine der wenigen Brauereien, die mit der Stammmarke Pils wachsen. Darauf sind wir stolz.“
Veltins-Pilsener hat seinen nationalen Marktanteil laut Nielsen-Marktforschung im Handel seit 2017 von 4,2 Prozent auf 6,6 Prozent gesteigert. Damit stamme jedes 15. im deutschen Handel verkaufte Pilsener aus einem „Veltins-Sudkessel“, erklärte die Sauerländer Brauerei. Im Stammland Nordrhein-Westfalen sehen sich die Grevensteiner mit einem Marktanteil von 14,2 Prozent hinter Krombacher (21,6) und vor Bitburger (12,8) sowie Warsteiner (6,0 Prozent) auf dem „soliden zweiten Platz“ der Premium-Biermarken, wie Veltins-Vertriebsdirektor Rainer Emig erklärte.
Als Gründe für den Erfolg nannte Kuhl – neben dem Wachstum bei Pils – in den vergangenen Jahren erfolgreich etablierte neue Produkte; zu nennen wäre hier an erster Stelle das Helle Pülleken. „Diese beiden Faktoren – funktionierende Stammmarke und entsprechend erfolgreiche Beiboote – bringen uns in die Situation, dass wir nach wie vor gute bis sehr gute Zahlen aufweisen können“, sagte der neue Veltins-Chef. Hinzu kämen über Jahre gepflegte Kundenbeziehungen.
„Zurzeit“ keine Preiserhöhung geplant
Um sich gegen den rückläufigen Bier-Markt zu behaupten, könnte Veltins künftig allerdings wie Wettbewerber auch auf (weitere) alkoholfreie Produkte setzen. Trotz aller Kontinuität will man offen für Neues bleiben. „Es gibt Überlegungen, ob wir den Markt der alkoholfreien Produkte intensiver bearbeiten“, sagte Kuhl, ohne hier ins Detail zu gehen.
Keine Änderung soll es hingegen bei den Preisen geben, jedenfalls vorerst nicht. „Wir planen zurzeit keine Preis-Erhöhung. Das gilt mindestens für das erste Halbjahr. Vor dem Hintergrund der schwierigen Marktsituation muss es auch Aufgabe sein, den Preis für Bier erschwinglich zu halten“, sagte Kuhl, der seine neue Rolle als Veltins-Chef mit einer Mischung aus Gelassenheit und Zuversicht angetreten ist.
Der 61-Jährige, der vor seiner Zeit in Grevenstein sechs Jahre lang für Warsteiner tätig war, arbeitete bei Veltins fast drei Jahrzehnte an der Seite des Generalbevollmächtigten Michael Huber, der zum Jahresende im Zuge einer geplanten Übergabe in den Ruhenstand gegangen ist. „Das ist so viel Zeit und Erfahrung, dass man die neue Aufgabe mit Ruhe und Fachkenntnis angehen kann. Durch die enge Zusammenarbeit, die ich immer mit Herrn Huber hatte, hat es nahezu keine Themen gegeben, in die ich nicht involviert war“, sagte Kuhl und betonte:
„Wir bleiben unserer Strategie der Verlässlichkeit und Kontinuität treu.“
Weitere Themen aus der Region:
- Übernahme der Eurobahn? Sauerland mit „Faust in der Tasche“
- Skispringen in Willingen: Dieser Mann ist der Rekord-Fan
- KI im Schulunterricht: Werden Kinder das Lernen verlernen?
- CDU-Chef Merz in Menden: „Keine Zusammenarbeit mit der AfD“
- So wird das Sauerland zu Deutschlands Dinosaurier-Schatzkammer
- Elfjährige Mutter: Eine Aussage, zwei Meinungen
- A-45-Brücke in Lüdenscheid: Zusammenschluss schon im Februar
- Sauerländerin muss Licht meiden: Warum sie vor Gericht zog
- Anwältin der elfjährigen Mutter: „Der Druck auf das Mädchen ist enorm“
- Nadelöhr Westhofener Kreuz: Was ist da eigentlich los?