Hagen. Hochsauerland- und Märkischer Kreis stimmen für Plan, obwohl die Eurobahn dort gar nicht fährt. Warum der Deal dennoch sinnvoll ist

Der Zweckverband Nahverkehr Westfalen-Lippe (NWL), der den Schienennahverkehr unter anderem im Sieger- und Sauerland organisiert, plant die Übernahme des angeschlagenen Bahnunternehmens Eurobahn. Ein entsprechender Beschluss soll auf der Verbandsversammlung am kommenden Donnerstag (30. Januar) fallen. Der Kaufpreis für die Eurobahn soll einen symbolischen Euro betragen. Dennoch ist das Geschäft umstritten.

Die Eurobahn war eine der ersten Privatbahnen am deutschen Markt, doch zuletzt fuhr das Unternehmen nicht mehr wirtschaftlich. Dies hänge, so der NWL, mit steigenden Energiekosten und dem Fachkräftemangel zusammen. Seitdem 2021 der französische Mutterkonzern Keolis aus dem Unternehmen ausstieg, sucht eine Finanz-Holding vergeblich nach einem Käufer für die Eurobahn mit derzeit rund 900 Beschäftigten.

Es gelten bereits Notfahrpläne

Unter Federführung des NWL soll der Betrieb nun gesichert und eine Insolvenz abgewendet werden. Denn die Eurobahn betreibt immerhin knapp ein Drittel der Bahnlinien im Verbandsgebiet. Derzeit gelten für viele Eurobahnlinien Notfahrpläne, weil das Unternehmen nicht alle Fahrten stemmen kann. Das Problem ist eine Art Abwärtsspirale, die der NWL durchbrechen will. Die unsichere Zukunftsperspektive der Eurobahn macht das Unternehmen für Arbeitskräfte unattraktiv – vor allem Triebwagenfahrer werden in der gesamten Branche gesucht, zumal viele aktuell Beschäftigte kurz vor der Rente stehen. Weniger Fahrer führen zu weniger Fahrten - und das zieht Vertragsstrafen nach sich, die das Unternehmen weiter belasten. Ein Teufelskreis.

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Das sieht auch Peter Newiger so. Der Olsberger sitzt für die SPD im Kreistag des Hochsauerlandkreises. Aufgrund der Satzung des NWL mussten alle 16 beteiligten Kreise und die drei kreisfreien Städte der Eurobahn-Übernahme zustimmen. Der HSK gehört zu den letzten, die sich dafür ausgesprochen haben. „Wir haben das Thema zunächst vertagt, weil wir noch Fragen zu den wirtschaftlichen Risiken hatten“, erklärt Newiger. Letztlich habe man „mit der Faust in der Tasche“ zugestimmt. Zu Details will Newiger mit Blick auf die nicht-öffentliche Abstimmung nichts sagen.

Kreis Soest: Betrieb nur bis 2027 gesichert

Der Kreis Soest ist da freimütiger, gibt in einer Pressemitteilung nach erfolgter Abstimmung an, dass der Betrieb der Eurobahn nur bis Ende 2027 finanziell gesichert sei. Danach könnten die beteiligten Kreise zur Kasse gebeten werden. Allein: Eine Alternative sieht man weder im HSK noch im Kreis Soest. Denn wenn die Eurobahn den Betrieb wegen einer Insolvenz einstellen würde, müssten die betroffenen Strecken per Not-Vergabe neu ausgeschrieben werden. Das würden sich andere Bahnunternehmen teuer bezahlen lassen. Die Mehrkosten müssten dann die Kreise übernehmen. Denn es verhält sich so: Grundsätzlich ist der Betrieb über Pauschalen von Bund und Land gesichert, kommt es zu starken Steigerungen, müssen die Kreise einspringen.

M. Kleinrensing WP Hagen Deutsche Bahn
Zug der Eurobahn im Hauptbahnhof Hagen: Seit Ende 2021 wird ein Käufer für das Unternehmen Eurobahn gesucht. © WP | Michael Kleinrensing

Beim NWL geht man davon aus, als Gesellschafterin künftig die Verträge mit der Eurobahn so anpassen zu können, dass die Bedingungen für das Bahnunternehmen wirtschaftlicher werden. Dadurch soll die Eurobahn interessant werden für andere Investoren. Denn geplant ist eine Übernahme auf Zeit. „In erster Linie will der NWL mit der Interimsübernahme der Eurobahn die Verkehre sichern, das Leistungsangebot stabilisieren und die finanziellen Risiken minimieren“, erläutert NWL-Sprecherin Verena Polzin.

Pro Bahn begrüßt Übernahme-Plan

Dr. Rudolf Hüls vom Fahrgastverband ProBahn begrüßt die geplante Übernahme, er sagt aber auch: „Wenn der NWL die Eurobahn übernimmt, wird natürlich dadurch nicht automatisch die Wirtschaftlichkeit besser.“ Als Alternative zu einer Übernahme sieht Hüls allerdings nur den Zusammenbruch des Nahverkehrsangebotes auf betroffenen Strecken. Dass es überhaupt zur Schieflage der Eurobahn gekommen sei, hänge auch mit dem Grundsatz bei der Auftragsvergabe zusammen, dass stets der billigste Anbieter zum Zuge komme. Die letzten Verträge für Linien der Eurobahn laufen im Jahr 2032 aus.

Linien, welche die Eurobahn zurzeit betreibt, führen zwar nicht direkt durchs Sauerland. Allerdings verbindet zum Beispiel die RB59 Soest und Dortmund, die Linie RE13 führt von Hamm über Hagen und Düsseldorf bis nach Venlo.  Der NWL ist einer der drei Verkehrsverbünde, die in NRW den Zugverkehr organisieren. Das NWL-Gebiet, in dem rund 5,6 Millionen Einwohner leben, reicht vom Kreis Steinfurt bis zum Märkischen Kreis und nach Siegen-Wittgenstein. Hagen und der Ennepe-Ruhr-Kreis gehören zum Gebiet des Verkehrsverbunds Rhein-Ruhr (VRR).