Schmallenberg-Oberkirchen. Die Sauerländer Brauerei verkündet ihr bestes Halbjahres-Ergebnis der vergangenen 200 Jahre. Warum der „Fußball-EM-Effekt“ verpuffte.
Im 200. Jahr ihres Bestehens und vor dem bevorstehenden personellen Umbruch hat die Veltins-Brauerei einen neuen Halbjahres-Rekord vermeldet – und das trotz eines ausbleibenden Bier-Booms durch die Fußball-Europameisterschaft. Wie das Sauerländer Traditionsunternehmen bei der Vorstellung der Bilanz der ersten Jahreshälfte in Schmallenberg-Oberkirchen mitteilte, lag der Ausstoß bis zur Jahresmitte bei 1,74 Millionen Hektolitern (hl), ein Plus von 4,1 Prozent. Damit kehrten die Grevensteiner nach einem Rückgang von 1,8 Prozent im ersten Halbjahr 2023 und einem Minus von 2,9 Prozent für das gesamte Vorjahr beim Ausstoß wieder auf Wachstumskurs zurück.
„Nach einem wirklich desaströsen Vorjahr haben wir bis Ende Mai leichte Wachstumsimpulse verzeichnen können“, sagte Michael Huber. Zugleich beklagte der zum Jahresende scheidende Veltins-Generalbevollmächtigte einmal mehr die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Deutschland. „Die Verbraucherstimmung im Land ist von Unsicherheit geprägt, die Leute sind unzufrieden. Wenn sie in den vergangenen Wochen jeden Tag von der Regierung hören, wo das Geld fehlt und wo man sparen soll, dann hebt das nicht gerade die Konsumstimmung. Die Leute denken an ihr Portemonnaie. Das haben wir deutlich spüren können“, sagte der 75-Jährige, betonte aber auch: „Weil wir sehr aktiv in das Jahr gegangen sind, haben wir im ersten Halbjahr zugewinnen können. Wir sind wie gewünscht gewachsen. Es ist der beste Halbjahres-Ausstoß in den 200 Jahren der Brauerei.“
„Wenn sie jeden Tag von der Regierung hören, wo das Geld fehlt und wo man sparen soll, dann hebt das nicht gerade die Konsumstimmung.“
Mit dem Ausstoßplus schnitt Veltins in der ersten Jahreshälfte besser ab als der nationale Biermarkt, der laut Angaben des Statistischen Bundesamtes zwischen Januar und Mai 2024 ein Plus von 2,2 Prozent verzeichnete. Den größten prozentualen Zuwachs bescherte Veltins einmal mehr das Helle Pülleken (+37 Prozent), das laut Angaben der Grevensteiner Brauerei in Deutschland inzwischen die Nummer 3 im Hellbier-Segment (hinter Augustiner und Bayreuther) und in Nordrhein-Westfalen die Nummer 1 ist. Auch Veltins-Pils aus der Flasche (+4,1 Prozent) und der Dose (+1,8) legten zu. Dafür ging das Fassbiergeschäft um 3,3 Prozent zurück, und das Spezialitäten-Bier Grevensteiner mit den Sorten Original, Hell, Bock und Natur-Radler schwächelte erneut erheblich (-21,4 Prozent).
EM-Effekt bleibt aus
Als Wermutstropfen erwies sich laut Angaben von Veltins die Fußball-Europameisterschaft in Deutschland. Hätten frühere Turniere der deutschen Brauwirtschaft beispielsweise einen „nachweisbaren Hektoliter-Bonus“ von rund 700.000 hl verliehen, sei der EM-Effekt diesmal „verpufft“. Zwar hätten in den Ausrichterstädten gastronomische Betriebe nicht zuletzt durch ausländische Fußball-Fans ein gutes Geschäft machen können, aber die für die heimischen Brauereien entscheidenderen Verkäufe in den Supermärkten seien ernüchternd verlaufen.
„Man hat im Fernsehen die tollen Bilder der Touristen gesehen, die Bier getrunken haben. Im Einzelhandel aber, also da, wo die Menge gedreht wird, hielt sich der Absatz in Grenzen“, sagte Dr. Volker Kuhl. Der Veltins-Geschäftsführer Marketing/Vertrieb erwartet für den Juni, für den erst in etwa zwei Wochen die offiziellen Zahlen des Statistischen Bundesamts vorlägen, einen Ausstoß-Rückgang für die gesamte Brauwirtschaft im zweistelligen Prozentbereich. Dadurch würde der Biermarkt in Deutschland im ersten Halbjahr stagnieren. „Der Fußball-EM ist es nicht gelungen, die wirklichen politischen und wirtschaftlich belastenden Themen in den Hintergrund zu drängen“, ergänzte Michael Huber. Auch das mäßige Wetter habe dem Bierkonsum geschadet.
Huber, der seit 1995 Veltins-Generalbevollmächtigter ist, stellte letztmals die Bilanz vor, er hört zum Jahresende auf. Ihm folgt Dr. Volker Kuhl nach. Wie Huber zieht sich auch Inhaberin Susanne Veltins in einem halben Jahr aus der Unternehmensführung zurück.
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