Menden. Der Kanzlerkandidat der Union spricht beim Neujahrsempfang der CDU Menden. Wie denkt die Basis über eine verschärfte Asylpolitik?

Fast eine Stunde steht Friedrich Merz, lässig eine Hand in der Hosentasche und die andere am Mikrofon, auf der Bühne der Schützenhalle Hüingsen und beendet unter großem Jubel seine Rede beim Neujahrsempfang des CDU-Stadtverbandes in Menden. Erst kurz vor Schluss kommt er auf das Thema zu sprechen, das in den vergangenen Tagen den politischen Alltag in Deutschland bestimmt hat: seine Forderung nach einer verschärften Asyl- und Migrationspolitik.

„Jetzt ist Schluss“, sagt der CDU-Vorsitzende und Kanzlerkandidat mehrmals in seiner Rede ohne Manuskript. „Es muss gehandelt werden“, sagt er vor 800 Gästen in der Halle und erinnert an die Messerattacke von Aschaffenburg, bei der unter anderem ein zweijähriges Kind aus einer Kindergartengruppe getötet worden ist. Merz, und seine Stimme wird lauter: „Ich möchte nicht mehr hören, was nicht geht“, sagt der Hochsauerländer und wirft der Ampel-Koalition vor, sich Lösungsmöglichkeiten zu verschließen. Grenzkontrollen zum Beispiel.

Friedrich Merz ist in Hüingsen angekommen.

„ Ich werde nicht im Ansatz mit der AfD regieren oder zusammenarbeiten.“

Friedrich Merz
Kanzlerkandidat der Union

Mit Spannung wird erwartet, was Merz zur AfD sagt. Wird es die Brandmauer nicht mehr geben? Merz‘ Worte lassen an diesem Nachmittag im Sauerland aus seiner Sicht keine Interpretationsmöglichkeiten zu: „Ich werde nicht im Ansatz mit der AfD regieren oder zusammenarbeiten.“

Gesprächsthema bei der Wahlkampfveranstaltung war auch eine nächtliche Schmiererei an der Schützenhalle. Der Schreck in der Morgenstunde war CDU-Mitgliedern aus Menden und Vorstandsmitgliedern des Bürger- und Schützenvereins Hüingsen am Nachmittag noch anzusehen. Unbekannte hatten in der Nacht die Fassade der Schützenhalle mit antifaschistischen Parolen beschmiert. Dort, wo um 15 Uhr der Neujahrsempfang des CDU-Stadtverbandes Menden startete und der CDU-Vorsitzende und Kanzlerkandidat Friedrich Merz etwas mehr als eine Stunde später unter großem Jubel die Halle betrat. Auf den Fassaden der Halle hatten die Unbekannten Aufschriften wie „Nie wieder CDU“ oder „Halt’s Maul Merz!“ hinterlassen. Der Angesprochene ließ sich den Mund allerdings nicht verbieten.

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Friedrich Merz zu Besuch in Menden-Hüingsen.
Von Peter Benedickt, Joshua Kipper, Annika Rinsche, Thomas Hagemann und Rolf Hansmann

Die Wellen schlagen hoch, seit der Hochsauerländer Merz mit einem Fünf-Punkte-Plan im Bundestag die Migrationspolitik in Deutschland verschärfen will und in den Augen von Kritikern die Brandmauer gegen die AfD, die Ablehnung einer Zusammenarbeit mit der dem Verfassungsschutz zufolge „in Teilen rechtsextremen Partei“, brechen wolle. Was sagt die Parteibasis in der Schützenhalle eigentlich dazu?

Mendener CDU-Mitglied Gerhardt Schmidt (73): „Er würde niemals die Brandmauer gegen die AfD einstürzen lassen.“

„Er würde niemals die Brandmauer gegen die AfD einstürzen lassen, würde niemals gemeinsame Sache mit der AfD machen.“

Gerhardt Schmidt, Vorsitzender der Senioren-Union im Märkischen Kreis

„Ich bin mit Friedrich befreundet“, sagt das Mendener CDU-Mitglied Gerhardt Schmidt (73), „ich weiß, wie er tickt. Er würde niemals die Brandmauer gegen die AfD einstürzen lassen, würde niemals gemeinsame Sache mit der AfD machen.“ Schmidt, Vorsitzender der Senioren-Union im Märkischen Kreis, sieht seinen Parteifreund in der Öffentlichkeit falsch dargestellt: „Ich bin verärgert darüber. Wenn die SPD und die Grünen eine vernünftige Migrationspolitik gemacht hätten, müsste Merz keine Anträge zu einem Kurswechsel stellen.“

Während die Schützenkapelle Oesbern ihre Instrumente auf einer Seitenbühne aufbaut und sich auf ihren Auftritt – unter anderem mit dem Abspielen der Nationalhymne - vorbereitet, füllt sich nach und nach die im Jahr 1969 erbaute Schützenhalle in dem Mendener Stadtteil Hüingsen. 800 Menschen sollen hier später Platz finden, an Tischen, auf denen sich Primeln in verschiedenen Farben, alkoholfreie Getränke, Kaffee und Kuchen sowie Packungen von Papiertaschentüchern mit der Aufschrift „Mehr Sauerland für Deutschland – Friedrich Merz“ befinden.

Gespannt warten die Junge-Union-Mitglieder Simon Cöppicus (27) und Julian Kaczmarek (20) auf den Neujahrsempfang mit ihrem Parteivorsitzenden. „Es ist im Bundestag gang und gäbe, dass die Opposition Anträge stellt“, sagen die beiden Nachwuchspolitiker und deponieren einen großen Teddybären mit T-Shirt-Aufschrift „Junge Union“ am eigentlichen Haupt-Eingang der Halle, welcher heute aber wegen der Sicherheitsbestimmungen nur als Ausgang dient. Und was ist mit der Brandmauer? „Sie können davon ausgehen, dass Friedrich Merz immer eine Politik aus der Mitte der Gesellschaft machen wird und niemals eine extreme Politik.“

„Die Brandbauer gegen die AfD wird nicht angetastet“

Während die Musikanten aus Menden-Oesbern 75 Minuten vor Beginn des Neujahrsempfangs mit ihren schützenhallen-typischen Klängen starten, sitzen Mechthild Starke-Kersting und Petra Starke vergnügt in der ersten Reihe. „Wir sind extra früh angereist“, sagen die beiden CDU-Mitglieder aus Iserlohn, „um unseren Parteivorsitzenden zu sehen.“ Die Kritik am Merz‘schen Kurs in der Migrationspolitik können sie nicht nachvollziehen: „So geht es doch nicht weiter. Der jüngste Fall in Aschaffenburg zeigt doch, was passiert, wenn Menschen, die schon ausgereist sein müssten, einfach hierbleiben können.“ Und überhaupt: „Die Brandbauer gegen die AfD wird nicht angetastet.“

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Friedrich Merz hat immer gesagt, dass er die Brandmauer gegen die AfD halten will, dass er für eine Abgrenzung der demokratischen Parteien gegen die AfD steht. Und jetzt? Ist die Brandmauer auch das bestimmende Thema an den Tischen in der Schützenhalle Hüingsen. Eigentlich ist es ein Begriff aus dem Bauwesen, der eine feuerfeste Wand bezeichnet, die das Übergreifen von Flammen auf andere Gebäudeteile verhindern soll. Wenn man so will, brennt es seit einigen Tagen in der Öffentlichkeit lichterloh, seitdem Friedrich Merz seinen Maßnahmenkatalog für eine verschärfte Migrationspolitik vorgestellt hat.

Und ihm schlägt Protest entgegen, wie die nächtlichen Schmierereien an der Wand der Schützenhalle zeigen oder die Protest-Demo im Umfeld der Schützenhalle, an der allerdings kaum 50 Menschen teilnehmen.

Friedrich Merz zu Besuch in Menden-Hüingsen
Friedrich Merz zu Besuch in Menden-Hüingsen: In der Nacht zuvor gab es Schmierereien an der Schützenhalle. © WP | Joshua Kipper