Willingen. Vor genau 30 Jahren fand der erste Weltcup statt. Wilhelm Mewes hat keine Veranstaltung verpasst - es sei denn, es wurde ihm verboten.

1995 ist lange her. Bill Clinton ist US-Präsident, in Deutschland bezahlen die Menschen mit D-Mark und Michael Schumacher wird zum zweiten Mal Formel-1-Weltmeister. Es ist das Jahr, in dem zum ersten Mal ein Weltcup-Skispringen in Willingen stattfindet. 30 Jahre her. Heißt also: Jubiläum. Am Wochenende (31. Januar bis 2. Februar) ist es wieder soweit. Auch für Wilhelm Mewes (70). Der Mann aus dem nahe gelegenen Waldeck-Sachsenhausen hat sie alle gesehen, hat keins verpasst - außer es wurde ihm verboten. Ein Gespräch mit dem Rekord-Fan über Partys, Pannen und Pampers.

Herr Mewes, sind Sie eingefleischter Skisprung-Fan oder ein bisschen verrückt?

Also Skisprung-Fan bin ich auf jeden Fall. Verrückt? Nicht mehr als andere auch (lacht). Aber die Tatsache, dass ich so eine Art Rekord-Fan bin, macht mich schon ein bisschen stolz.

Wie hat das angefangen mit Ihnen und Willingen?

Weit vor 1995. Seit fast 50 Jahren fahre ich zum Skispringen nach Willingen. Damals fanden auf der Schanze allerdings nur zweitklassige Springen statt. Mit drei, vier Schulfreunden hatten wir damals einen Stammtisch und uns überlegt, was wir mal gemeinsam unternehmen könnten. Willingen ist 30 Kilometer von uns entfernt. Das schien uns eine gute Idee zu sein. Konnte ja keiner ahnen, dass da so eine Geschichte draus wird. Mittlerweile fahren wir mit etwa 30 Leuten vom heimischen Fußballklub in einem gemieteten Bus nach Willingen. Der Termin ist fix im Kalender, da gibt es nichts dran zu rütteln. Ich bin nicht sehr kränklich und daher immer dabei.

War das damals schon ein Event?

Ach, da waren auch schon Tausende Zuschauer. Von daher war das in der Tat ein Highlight in der Region. Aber ein Event in dem Sinne war es noch nicht. Das fing ja erst so richtig an, als die da zu Weltcupzeiten das Partyzelt hingesetzt haben. Keine Ahnung, wann das genau war, vor 15 Jahren vielleicht. Ich weiß noch: Als es das zum ersten Mal gab, hatten die nicht damit gerechnet, dass da alle rein wollten.

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Was war die Folge?

Da standen Tausende Menschen vor dem Zelt, das bereits pickepackevoll war. Zwei, drei arme Sicherheitsleute versuchten, Ordnung in die Sache zu bringen – was aber schwierig war. Das war der absolute Wahnsinn (lacht). Uns konnte es egal sein: Wir waren drinnen und feierten. Die Veranstalter haben aber schnell daraus gelernt.

Willingen ist international bekannt als Kultweltcup, bei dem Sport und Party Hand in Hand gehen. Macht es das aus?

Das gehört einfach mittlerweile zusammen, das kann man sich nicht mehr wegdenken. Meine Frau und ich sind mit Freunden traditionell freitags schon da, wenn die Eröffnungsfeier an der Schanze ist und die teilnehmenden Nationen präsentiert werden. Am Samstagmittag fahren wir dann mit dem Bus wieder los, dann geht es ein bisschen ins Zelt, ehe das Springen beginnt. Danach: wieder Zelt. Klar, ich interessiere mich für den Sport, ich will das Springen sehen.

Fliegen über Willingen: 30 Jahre nach dem ersten Weltcupspringen findet nun das Jubiläumsspringen statt.
Fliegen über Willingen: 30 Jahre nach dem ersten Weltcupspringen findet nun das Jubiläumsspringen statt. © dpa | Swen Pförtner

Irgendwie klingt das nach einem Aber.

Ich hatte mal einen Arbeitskollegen, der vor einigen Jahren mitfuhr und sagte: Ich gucke doch nicht Skispringen, ich will Party machen! Ich dachte: Der hat sie doch nicht alle – und dann ist es mir plötzlich auch so ergangen, dass ich es nicht mehr aus dem Zelt geschafft habe, weil es dort so lustig war (lacht). Da ist schon ordentlich Halligalli. Aber das war bei mir eine Ausnahme, ehrlich. Abends gegen 21 Uhr holt uns der Bus wieder ab. Zumindest die, die da sind.

Was heißt das?

Wir haben auch schon Verluste verzeichnet. Leute, die noch bleiben wollten oder in den falschen Bus gestiegen sind und plötzlich durchs halbe Sauerland gondeln und in Brilon landen (lacht). Die muss dann jemand abholen. Apropos abholen: einmal hatte das Reiseunternehmen am Samstagmittag keinen Bus geschickt. Ein Missverständnis. Aber nicht zu fahren, kam nicht infrage, also haben wir herumtelefoniert und hatten eine Stunde später einen anderen Bus.  

Haben Sie einen angestammten Platz auf der Tribüne?

Ich stehe immer unten am Auslauf. Nicht in der ersten Reihe, wo früher die Mädels standen, um Martin Schmitt und Sven Hannawald nahe zu sein. Um ihren Platz in der ersten Reihe nicht zu verlieren, trugen die sogar Pampers. Heute stehen da Leute, die Autogramme und Selfies haben wollen. Aber das ist nicht so meins. Wir stehen etwas weiter hinten und tragen jeden Springer mit einem langgezogenen „Ziiiiiiieeeehhhhhh“ ins Tal. Da wird keiner benachteiligt.

„Was soll ich sagen: Solange mich meine Beine an die Schanze tragen, findet ohne mich kein Skispringen in Willingen statt. Punkt. “

Wilhelm Mewes
Rekord-Fan in Willingen

Was sind Ihre prägendsten Erinnerungen aus all den Jahren?

Ach, das ist schwer zu sagen. Ich treffe dort so viele Menschen, die ich kenne. Hart war natürlich, als das Springen wegen Corona ohne Zuschauer stattfinden musste. Es schmerzte uns, die Veranstaltung nur am Fernseher verfolgen zu können.

Welches war das beste Jahr?

Ich glaube der absolute Höhepunkt war das Jahr, in dem der Lokalmatador Stephan Leyhe vom SC Willingen das Springen gewann. Das war verrückt, was da los war.

Lässt die Begeisterung für die Veranstaltung nach, wenn man älter wird?

Sie klingen wie mein Nachbar. Der hat mich auch schon gefragt, wie lange ich das – Zitat – „Affentheater“ noch mitmachen will (lacht). Die meisten, die mitfahren, sind ja viel jünger als ich. Aber was soll ich sagen: Solange mich meine Beine an die Schanze tragen, findet ohne mich kein Skispringen in Willingen statt. Punkt.

Weltcup-Infos

Das Programm des Weltcup-Skispringens:
Freitag: Offizielles Training der Damen (11 Uhr) und Herren (13.30 Uhr). Danach Mixed-Team-Wettbewerb (16.10 Uhr) und Eröffnungsfeier (ab 18.30 Uhr).
Samstag: Einlass (10.30 Uhr), Qualifikation Damen (11 Uhr), Weltcup Damen (12 Uhr), Qualifikation Herren (14.30 Uhr), Weltcup Herren (16 Uhr)
Sonntag: Einlass (12 Uhr), Qualifikation Herren (14.30 Uhr), Weltcup Herren (16.10 Uhr)

Tickets:
Für den Samstag gibt es nur noch Restkarten - und diese auch nur auf den Stehplatztribünen. Das Stadion fasst 23.500 Zuschauer. Am Freitag (Steh- und Sitzplatz) und Sonntag (Stehplatz) werden die Tageskassen öffnen. Das heißt: Noch gibt es ausreichend Karten. Für den Weltcup-Freitag sind Karten ab 15 Euro erhältlich, für Samstag ab 38 Euro, Sonntag ab 30 Euro. Der Ticketshop ist unter www.weltcup-willingen.de zu erreichen. Nach Zahlung mit der Kreditkarte wird das elektronische Ticket per Mail zugestellt.