Hagen. Große Fußball-Turniere galten als Bierabsatz-Treiber. Warum die Heim-EM hinter den Erwartungen von Veltins, Krombacher und Co. blieb.

Nach einem historischen Einbruch beim Bierabsatz während der Fußball-Europameisterschaft in Deutschland hat die Brauwirtschaft eine ernüchternde Bilanz gezogen. „Der Hoffnungsfunke Europameisterschaft hat nicht gezündet, nachdem die frühzeitige Turnierniederlage der deutschen Elf die beginnende Nachfrage abgedreht hat“, stellte etwa Veltins-Chef Michael Huber fest. Und der deutsche Brauer-Bund erklärte: „Auch während der Fußball-EM haben die Achterbahnfahrt der Temperaturen und die häufigen Unwetter vielen Wirten das Geschäft verhagelt, so manche Gartenparty fiel ins Wasser.“

Laut Zahlen des Statistischen Bundesamtes zur Halbjahresbilanz der deutschen Brauwirtschaft brach der Bierabsatz im Lande praktisch mit Beginn der Heim-EM (14. Juni bis 14. Juli) ein. Hatten die deutschen Brauer in den ersten Monaten des Jahres im Vergleich zum Vorjahreszeitraum noch leichte Zuwächse verzeichnet, mussten sie im Mai (-1,0 Prozent) und vor allem im Juni (-11,2) ein teils deutliches Minus verkraften. Im Juni wurde mit einem Bierabsatz von 777 Millionen Litern sogar das niedrigste Ergebnis in einem Juni seit der Neufassung des Biersteuergesetzes im Jahr 1993 erzielt, teilte das Statistische Bundesamt mit. „Der Monat Juni ist erstmals deutlich unter die acht Millionen Hektoliter-Absatzschwelle gerutscht“, ergänzte Veltins.

Laut Veltins-Chef Huber lag der Juni-Absatz der Brauwirtschaft um 3,27 Millionen Hektoliter unter dem Juni-Absatz während des Sommermärchens 2006. Das sei ein Minus von 29,6 Prozent im Vergleich zur Fußball-WM vor 18 Jahren im eigenen Land, bei der Deutschland Dritter geworden war.

Der Generalbevollmächtigte der Veltins-Brauerei: Michael Huber

„Der Hoffnungsfunke Europameisterschaft hat nicht gezündet, nachdem die frühzeitige Turnierniederlage der deutschen Elf die beginnende Nachfrage abgedreht hat.“

Michael Huber

EM-Effekt „verpufft“

Verantwortlich für die schwache Bier-Bilanz der EM machen die Brauer unter anderem das mäßige Wetter. Hinzu komme laut Brauer-Bund und Veltins die Konsumzurückhaltung. „Die Verbraucherstimmung im Land ist von Unsicherheit geprägt, die Leute sind unzufrieden. Wenn sie in den vergangenen Wochen jeden Tag von der Regierung hören, wo das Geld fehlt und wo man sparen soll, dann hebt das nicht gerade die Konsumstimmung. Die Leute denken an ihr Portemonnaie. Das haben wir deutlich spüren können“, sagte der Brauerei-Generalbevollmächtigte Michael Huber bereits Mitte Juli.

Veltins-Angaben zufolge hätten frühere Turniere der deutschen Brauwirtschaft einen „nachweisbaren Hektoliter-Bonus“ von rund 700.000 hl verliehen. Diesmal sei der EM-Effekt jedoch „verpufft“. Zwar hätten in den Ausrichterstädten gastronomische Betriebe nicht zuletzt durch ausländische Fußball-Fans ein gutes Geschäft machen können (Huber: „Die Gastronomie vor Ort wurde durch die Fan-Meilen der Uefa oft leergesaugt.“). Aber die für die heimischen Brauereien entscheidenderen Verkäufe in den Supermärkten seien schlecht verlaufen.

„Man hat im Fernsehen die tollen Bilder der Touristen gesehen, die Bier getrunken haben. Im Einzelhandel aber, also da, wo die Menge gedreht wird, hielt sich der Absatz in Grenzen“, sagte Dr. Volker Kuhl, Veltins-Geschäftsführer Marketing/Vertrieb. „Der Fußball-EM ist es nicht gelungen, die wirklichen politischen und wirtschaftlich belastenden Themen in den Hintergrund zu drängen“, ergänzte Huber.

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Export wächst

Aufgrund des Absatz-Rückgangs rund um die EM, zu dem auch das relativ frühe Ausscheiden der deutschen Nationalmannschaft im Viertelfinale gegen den späteren Europameister Spanien beigetragen haben könnte, sank der Bierabsatz der deutschen Brauwirtschaft im ersten Halbjahr 2024 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 0,6 Prozent (um -25,8 Millionen Liter auf rund 4,2 Milliarden Liter Bier). Damit setzte sich die langfristige Entwicklung des rückläufigen Alkoholkonsums fort. In der Statistik sind alkoholfreie Biere, die seit Jahren zulegen und laut Brauer-Bund inzwischen einen Marktanteil von acht Prozent erreichen, nicht enthalten.

Fast 82 Prozent des in Deutschland gebrauten Bieres ist für den Heimatmarkt bestimmt. Hier ging der Absatz um 0,9 Prozent zurück. Der Export nahm hingegen dank einer Zunahme der Ausfuhren in EU-Staaten (+5,4 Prozent) um insgesamt 0,6 Prozent zu.

Krombacher ist „recht zufrieden“

Während Krombacher wie üblich keine Angaben zu den eigenen Halbjahreszahlen machte und Warsteiner eine entsprechende Anfrage unbeantwortet ließ, hatte Veltins für die ersten sechs Monate – gegen den Markttrend – ein Plus beim Ausstoß von 4,1 Prozent vermeldet. Genaue Zahlen für die einzelnen Monate macht aber auch Veltins nicht.

Krombacher teilte auf Anfrage mit, dass man mit dem Abschneiden in den ersten sechs Monaten 2024 „grundsätzlich recht zufrieden“ sei; dabei ist zu berücksichtigen, dass viele Produkte der Siegerländer im ersten Quartal des Jahres aufgrund einer Auseinandersetzung mit Edeka wochenlang von dem Einzelhandelsriesen verbannt worden waren. Die Entwicklung der Braubranche decke sich „in weiten Teilen“ mit der eigenen.

Zum ausgebliebenen EM-Effekt erklärte Krombacher, dass „trotz der begeisternden Leistungen der deutschen Mannschaft“ der zweite wichtige Faktor für eine „aus Brauereisicht sehr gelungene EM“ nicht mitgespielt habe: das Wetter. Zudem hätten zwei weitere Spiele der deutschen Mannschaft auch dem Bierabsatz gutgetan. „Der größere Treiber im Sommer ist aber grundsätzlich stabiles und sonniges Wetter. Und das war bisher leider extrem unbeständig“, so ein Sprecher.