Hohenlimburg. Familie von Pidoll verwandelt altes Kurienhaus in ein Schmuckstück. Ein langes Bauabenteuer, das viel Kraft verlangt - und weiter andauert.
Einen Traum leben und erleben. Diesen Idealfall genießen die beiden Brüder Niels und Malte von Pidoll mit ihren Ehefrauen Stephanie und Sarah täglich. Aktuell auch mit ihren Kindern Levi, Noah und Emil. Und zwar in einem ehemaligen Kurienhaus im idyllischen Stift in Elsey.
Den ersten Schritt dazu machten die jungen Familien vor nunmehr acht Jahren. Damals haben sie sich in ein (Bau-)Abenteuer gestürzt, das Respekt und Bewunderung gleichermaßen verdient und das möglicherweise niemals enden wird.
Kurienhaus gekauft
Sie erwarben nämlich im Jahr 2016 eines der drei im Dunstkreis der Elseyer Stiftskirche gelegenen Kurienhäuser, erbaut 1789, und sanierten und restaurierten es sprichwörtlich vom Keller bis zum Dach. „Dabei handelt es sich um ein 5-achsiges Gebäude mit Mansarddach, das im Spätrokoko-Stil errichtet worden ist“, wie Petra Holtmann und Ina Hanemann in ihrem Buch „Hagener Architektur“ im Jahr 1996 schrieben. Als Kurie bezeichnen Historiker ein repräsentatives Einzelgebäude u.a. einer Stiftsdame im Immunitätsbezirk einer Kirche.
Die Geschichte: Im Dezember 2015 berichtete diese Zeitung darüber, dass der Hemeraner Bauunternehmer Georg Verfuß das historische Gebäude verkaufen wolle. Ein Makler bot dieses im Internet an. Für 170.000 Euro auf einem mehr als 2000 Quadratmeter großen Grundstück. Gelegen in den Lenneauen.
Altbestand mit Renovierungsbedarf
Niels von Pidoll war elektrisiert. Schon seit einiger Zeit hatte er mit seinem Bruder Malte nach einer geeigneten Immobilie Ausschau gehalten, die all jene Vorzüge beinhalten sollte, die das ehemalige Kurienhaus am Elseyer Kirchplatz auszeichnet: stadtnah und ruhig im Grünen gelegen, mit einem gut erreichbaren Autobahnanschluss.
Deshalb schauten die beiden Paare großzügig über mögliche Mängel und infrastrukturelle Nachteile hinweg, die vom Verkäufer in der Objektbeschreibung nicht verschwiegen wurden: Die Fassadenfarbe bröckelte, sodass sich eine Vielzahl an Rissen zeigte. Auch die Wegeführung über das Grundstück zum kurz nach dem Jahr 2000 erstellten Nachbarhaus war nicht unproblematisch.
Das von-Pidoll-Quartett kam zum Zuge. Die jungen Frauen und Männer waren gestählt von einer bereits zuvor vollzogenen Altbausanierung und schreckten deshalb auch vor möglichen Baumängeln nicht zurück, sodass noch im Jahr 2016 der Kaufvertrag unterschrieben wurde. Danach konnten Kontakte zur Unteren Denkmalbehörde der Stadt Hagen und zu Dr. Uwe Bathe (Restaurator) geknüpft werden, die sich in den Folgejahren als ebenso fachkundige wie faire Begleiter bei den Restaurierungs-Arbeiten entpuppen sollten.
Die Sommerserie „Schätze am Wegesrand“
In der großen Sommerserie der Hagener Stadtredaktion erzählen wir die Geschichten von außergewöhnlichen Häusern und Landmarken: Viele haben sie vielleicht schon einmal am Wegesrand entdeckt, wissen aber nicht, was sich dahinter verbirgt. Folgende Teile sind bereits erschienen:
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Gebäude unter Denkmalschutz
Das Gebäude war nämlich Anfang der 1980er Jahre unter Denkmalschutz gestellt worden, so dass eine besonders sorgfältige und von großer Nachhaltigkeit gebotene Sanierung vorgegeben war. „Alle Arbeiten wurden abgesprochen und dokumentiert“, sprechen die Bauherren rückblickend von einer sehr vertrauensvollen Zusammenarbeit mit den Behörden.
Große Überraschungen, die den zu erwartenden Rahmen sprengten, blieben bis zum heutigen Tag bei den Renovierungsarbeiten aus. Mehrere Schichten Tapeten an den Wänden, die teilweise noch aus dem 18. Jahrhundert stammten, hatten sie ebenso erwartet wie mehrschichtige Bodenbeläge, die im Laufe der Jahrzehnte auf die Eichendielen gelegt worden waren.
Beim Rückbau der in Teilbereichen umgestalteten Etagen waren dann Geschicklichkeit und Kreativität gefragt. Doch mit zunehmender Zeit gelang es immer perfekter, die Lehm-, Stuck- oder Elektroarbeiten eigenhändig zu vollenden. Aber auch dank der Unterstützung von Fachleuten wie Dr. Uwe Bathe und der Hilfe von Familienmitgliedern und Freunden.
Langwierige Arbeit
Dass diese handwerklichen Arbeiten, die „so ganz nebenbei“ zusätzlich zur beruflichen Tätigkeit in der Freizeit erfolgen mussten, sich hinziehen würden, war den Ehepaaren beim Baustart bewusst. „Wir haben uns aber von Beginn an nicht unter Druck gesetzt“, sagen Niels und Malte von Pidoll, „schließlich fühlten wir uns in unseren aus heutiger Sicht ehemaligen Wohnungen gut aufgehoben.“
Von Flut getroffen
Eine große Herausforderung stellte die Jahrtausendflut 2021 dar. Das Lennewasser drückte sich im Gewölbekeller mehr als einen Meter hoch; gleichzeitig überspülte das Hochwasser der Lenne den gesamten als Überflutungsgebiet frisch eingesäten Gartenbereich, so dass von der Kinderrutsche nur noch die oberen Höcker zu sehen waren. Das war für sie ein Negativ-Ereignis, auf das sie hätten verzichten können. „Mit einem möglichen Hochwasser müssen wir auch zukünftig leben“, wissen die Bauherren. Deshalb werden sie den Gewölbekeller nicht oder nur bedingt nutzen können.
Sanierung des Treppenhauses
Während die Sanierungsarbeiten im 1. und 2. Obergeschoss weitestgehend vollendet sind und sich die jeweils 115 Quadratmeter großen abgeschlossenen Wohnungen dem Charme des Gebäudes entsprechend mit viel Liebe zum Detail freundlich, aber modern präsentieren, stehen für die nächsten Monate die Sanierung des Treppenhauses und der Gemeinschaftsräume im Erdgeschoss an. Auch der Einbau einer Wärmepumpe steht auf der Agenda. Zusätzlich der Ausbau des Dachgeschosses.
„Es gibt noch immer viel zu tun“, sagen Niels und Malte von Pidoll, um mit einem Augenzwinkern zu ergänzen: „Möglicherweise werden wir ja niemals fertig. Wir haben uns aber einen Zeitrahmen von fünf bis zehn Jahren gesetzt.“
Mehr als 10.000 Stunden Arbeit
Mehr als 10.000 Stunden an handwerklicher Eigenarbeit hat das Quartett nach einer vorsichtigen Hochrechnung in den zurückliegenden Jahren an Muskelhypothek ins Gebäude investiert. Ein gewaltiger Kraftakt, der alle Beteiligten stolz und glücklich macht; zusätzlich sind unzählige Stunden an Internet-Recherche, an Planungs- und Beantragungsarbeit angefallen.
Was beim Besuch auffällt, ist das angenehme Raumklima. Auch bedingt durch die bis zu 90 Zentimeter wuchtigen Außenmauern und die genutzten Baumaterialien wie Lehm. Im Sommer ist es in den Räumen kühl, im Winter wohlig warm. Verbunden mit einer angenehmen Luftfeuchtigkeit.
Freude beim Heimatverein
Widbert Felka, Vorsitzender des Hohenlimburger Heimatvereins, nimmt die so bewundernswerte Sanierung des geschichtsträchtigen Gebäudes mit großer Freude zur Kenntnis. Bereits im Jahr 2015 sagte er: „Das Haus Im Stift 35 ist ein wichtiger Bestandteil des ortsbildprägenden Ensembles der drei Kurienhäuser und des alten Gemeindehauses an der Stiftskirche. Es ist ein Kleinod in der Keimzelle von Elsey.“ Besonders erfreulich ist es für ihn, dass auch das alte Gemeindehaus der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde erhalten geblieben ist. Das haben nämlich im Jahr 2016 die Eltern von Niels und Malte von Pidoll gekauft.
Beliebtes Fotomotiv
Und vielleicht öffnen sich in absehbarer Zeit einmal die Türen der historischen Stift-Häuser zum alljährlich im September stattfindenden bundesweiten Tag des Denkmals? „Bislang hat man uns zu diesem Thema noch nicht kontaktiert“, zeigt sich Niels Pidoll durchaus gesprächsbereit. Denn das Interesse der Bevölkerung an dem historischen Gebäude ist bemerkenswert, wie die Bewohner fast täglich beobachten. Insbesondere vom Lenneradweg erweist sich ihr Kurienhaus als ein beliebtes Fotomotiv. Für Radfahrer und sogar für Hochzeitspaare.