Hagen. Es ist für die Fachleute in Hagen ein historischer Fund. Und in der Tat hilft ein zufällig gefundenes Porträt bei der Geschichtsschreibung.
Bernd Klaproth tut, was er tut, seit 1970 in Hagen. Er ist Kunst- und Antiquitätenhändler. Er war auch viele Jahre Auktionator und Versteigerer und gilt in der Hagener Szene als jemand, dem es wichtig ist, dass stadtgeschichtliche Kunst auch ihren Platz dort findet, wo sie wirken kann. Die Geldmacherei liegt ihm fern, was dieser ungewöhnliche Fall ganz wunderbar dokumentiert.
Denn im Rahmen einer Haushaltsauflösung war das Porträt einer jugendlichen Frau in seine Hände gefallen. Zart rosafarbene Haut, gelocktes Haar, ein zuhörender Blick. Nun ist das kein Picasso, kein Klimt und kein Richter. Für ein Museum wie das Stadt-Museum hat es aber einen Wert, der weit über dem dreistelligen Eurobetrag liegt, den es nun gekostet hat.
Der Mega-Mäzen Osthaus
Kurze Abholung für all jene, an denen das Osthaus-Thema immerzu vorbeirauscht. Karl Ernst Osthaus (1874 bis 1921) war seinerzeit der wichtigste Kunstmäzen Deutschlands. Durch Erbe zu Geld gekommen, konnte er seine Vision, das Leben positiv durch die Förderung von Kunst und Kultur zu beeinflussen, verwirklichen. Die Schönheit sollte herrschende Macht im Leben der Menschen werden. Der „Hagener Impuls“, eine leider zu kurze Etappe der Kunstgeschichte, machte Hagen europaweit zum wichtigsten Zentrum der Reformgeschichte, die im Jugendstil sichtbar wurde. Der Hohenhof ist ein gestalterischer Höhepunkt davon.
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Dass im jungen Osthaus irgendetwas, oder sagen wir: irgenjemand diese ästhetische Seite geprägt haben muss, darüber sind sich die Fachleute in dieser Stadt einig. Dazu gehören Museumsdirektor Tayfun Belgin oder Chef-Historiker Ralf Blank. Und dass dieser Hang zur Ästhetik viel Weiblichkeit in sich trägt, soll demnach ebenso klar sein.
Weshalb mit Blick auf Karl Ernst Osthaus zwei Frauen besonderes Augenmerk gilt. Seiner mit nur 21 Jahren verstorbenen Mutter Selma und seiner Stiefmutter Laura. Beide liegen auf dem Buschey-Friedhof. Erstere verstarb gleich nach Osthaus‘ Geburt. Zweitere war die Schwester von Selma, also Osthaus‘ Tante. Sein Vater heiratete sie 1878.
Wie Laura ihn prägte
Jene Schwägerin hieß vor der Heirat mit Osthaus‘ Vater Laura Christiane Funcke. Aus der großen Hagener Funcke-Dynastie, zu der auch der „Schruwen Wilm“ gehörte: Bernhard Wilhelm Funcke, der Gründer der Schraubenfabrik, die heute an der Bahnhofshinterfahrung zu einer Pflegeschule umgebaut wird. Laura war 24 Jahre alt, als sie Osthaus Stiefmutter wurde. Und das Porträt, das nun in der Haushaltsauflösung eines Osthaus-Nachfahren auftauchte, zeigt sie im Alter von 17 Jahren. Das Bild auf Öl malte 1871 Caroline Pockels, die sich während des Deutsch-Französischen Kriegs 1870/71 zeitweise in Hagen aufhielt.
„Als Stiefmutter war Laura Osthaus für die Erziehung, Sozialisierung und Ausbildung ihres Stiefsohnes Karl Ernst zuständig, der damals erst vier war“, sagt Historiker Ralf Blank. Laura Osthaus spielte im Sommer 1915 eine interessante Rolle. Sie soll Initiatorin für den „Eisernen Schmied“ gewesen sein, den der Dortmunder Bildhauer Friedrich Bagdons schuf und der im November 1915 vor dem Hagener Rathaus eingeweiht wurde. Nächstes Jahr feiert die Stadt den 150. Geburtstag von Karl Ernst Osthaus.
Wir müssen zurückschwenken. Zum 22. November dieses Jahres. Da ging nämlich Stefan Fuhrmann vom Hagener Heimatbund bei Bernd Klaproth ins Antiquariat. Und das ist die Schlüsselszene für den Fund. Denn Fuhrmann ist ebenso ein Osthaus-Kenner, Geneaologe in dieser Sache. Er erkannte die Dame, die da an der Wand hing und Bernd Klaproth bestätigte ihm, dass auf der Rückseite der Vermerk „Laura Osthaus“ stehe. Der Rest ist ein schöner Kunst-Deal. „Und ich schaue jetzt genau, was noch in der Haushaltsauflösung steckt“, sagt Stefan Fuhrmann.