Oberhausen. Bis 2045 soll die Wärmeversorgung von Häusern klimaneutral werden. Doch der Zeitplan des Bundes ist viel zu eng, warnt der Energieversorger EVO.

Die ältere Dame flüsterte es immer wieder vor sich hin. „Das schaffen die nicht. Das können die gar nicht schaffen.“ Der Grund für ihren Pessimismus: Die Bundesregierung will, dass die Städte bis 2045 klimaneutral heizen. Doch nicht nur die ältere Dame in der hinteren Reihe des holzvertäfelten Raums der Gaststätte „Haus Koopmann“ hat daran Zweifel, sondern sogar die Energie-Fachleute.

Der SPD-Ortsverein hatte zu einer geselligen Runde mit ernstem Thema nach Osterfeld eingeladen. Im „Haus Koopmann“ sollten Ängste abgebaut werden, die das Heizungsgesetz GEG und die langen Debatte darüber ausgelöst haben. Viele Häuser und Wohnungen werden in Oberhausen noch mit Gas beheizt. Das Gebäudeenergiegesetz (GEG) sieht vor, dass diese fossile klimaschädliche Heizart bis 2045 abgeschafft wird. Die Pläne sind mit hohen Kosten für Eigentümer verbunden. Sie klingeln deshalb Sturm bei Verbraucherzentralen und Energieberater.

Oberhausen: Kommunale Wärmeplanung noch in den Kinderschuhen

Die Bürgerinnen und Bürger hatten bei der SPD-Veranstaltung in Osterfeld selbst einige Fragen mitgebracht.
Die Bürgerinnen und Bürger hatten bei der SPD-Veranstaltung in Osterfeld selbst einige Fragen mitgebracht. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Die Idee der Sozialdemokraten war ja ganz nett, mit einem Informationsabend Sorgen nehmen zu wollen. In der Realität gelang es den geladenen Experten allerdings nicht, denn sie hatten selbst Vorbehalte gegen die Planvorgaben des Bundes. „Es gibt viele offene Fragen“, sagte Michael Engel, Leiter der Unternehmensstrategie des Energieversorgers EVO. Mehrmals verwies er auf die unklare Gesetzeslage. Das GEG hat die Ampelkoalition zwar nach langem Streit verabschiedet. Doch die daran gekoppelte kommunale Wärmeplanung, also den Ausbau des Nahwärme- und Fernwärmenetzes, ist in Städten wie Oberhausen noch in den Kinderschuhen. >>> Der große Heizkostenvergleich: Die Fernwärme im Ruhrgebiet

Heizung und Strom: Wichtige Artikel zu vielen Energiefragen

In diesen Zeiten zunehmender Klimakrise, hoher Energiepreise und rätselhafter Gesetzesreformen haben wir für Oberhausener Bürgerinnen und Bürger zahlreiche Artikel zum Energie-Thema recherchiert und geschrieben, die Hintergründe, Analysen und orientierende Basis-Informationen bieten. Hier ein Überblick:

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Beide Gesetze, das Gebäudeenergiegesetz („Heizungsgesetz“) und die Wärmeplanung, sollen am 1. Januar 2024 in Kraft treten. Grob zusammengefasst soll Druck von den Eigentümern genommen werden, indem die Städte damit beauftragt werden, das Fernwärmenetz auszubauen. Städte mit mehr als 100.000 Einwohnern sollen bis Sommer 2026 einen Plan aufstellen, wie Häuser bis 2045 klimaneutral geheizt werden. Das geht am ehesten mit Fernwärme. Erst nach Aufstellung dieser Wärmeplanung dürfen Hauseigentümer eine kaputte Öl- oder Gasheizung nicht mehr durch neue Öl- und Gasbrenner ersetzen.

In Oberhausen nutzen nach Angaben der EVO 14 Prozent der Eigentümer diese Wärmequelle. Der Vorteil: Die Fernwärme liefert per gut gedämmter unterirdisch verlegter Leitung heißes Wasser in die Wohnungen, das umweltfreundlich durch ohnehin anfallender Abwärme von Industrieanlagen erhitzt wird – etwa der Müllverbrennungsanlage oder des Biomasse-Kraftwerks in Sterkrade.

Zeitplan sorgt für Skepsis: „Hätten früher anfangen müssen“

Allerdings reichen die vorhandenen Anlagen nicht aus, um den gesamten Oberhausener Heizbedarf abzudecken. EVO-Stratege Engel verweis darauf, dass im Falle eines Ausfalls einer Anlage die Versorgungssicherheit gewährleistet werden müsste. Der Energieversorger EVO setzt bei seinen Plänen deshalb verstärkt auf Geothermie. In Oberhausen soll die Erdwärme genutzt werden, dafür muss allerdings kilometertief gebohrt werden. Ein nicht risikoloses Verfahren.

Michael Engel von der Energieversorgung Oberhausen stellte die kommunale Wärmeplanung vor.
Michael Engel von der Energieversorgung Oberhausen stellte die kommunale Wärmeplanung vor. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Der Zeitplan ist indes klar: In 22 Jahren soll Oberhausen klimaneutral heizen. Verantwortlich für die Wärmeplanung ist die Stadt. Die EVO ist der Fernwärme-Monopolist. Doch der Energieversorger ist skeptisch, dass der Zeitplan eingehalten werden kann. „Wenn wir die Klimaneutralität erreichen wollen, hätten wir früher anfangen müssen“, sagt Michael Engel von der EVO. Schon die per Gesetz vorgegebene Frist, dass Oberhausen sein „Kommunales Wärmeplanungskonzept“ bis zum Sommer 2026 zu realisieren, sieht er als zu ehrgeizig an. Schließlich sei das Gesetz noch nicht auf Landesebene konkretisiert. Die Pläne müssten auch noch auf kommunaler Ebene die Gremien durchlaufen, die Öffentlichkeit soll zudem beteiligt werden.

Heizungsgesetz: Auch Stromnetz muss ausgebessert werden

Wenn der Plan steht, sieht Engel weitere Hürden: Neue Rohre müssten verlegt werden, dafür müssen Straßen aufgerissen werden. „Jeder weiß, wie schwer es momentan ist, Handwerker zu bekommen“, sagt der EVO-Experte. „Man kann Oberhausen nicht zu einem Schweizer Käse machen.“ Neben dem Wärmenetz müsste auch das Stromnetz verbessert werden, da durch Wärmepumpen und E-Mobilität mehr Leistung gebraucht werde. „Es gibt noch viele Fragen, weil wir uns im Gesetzgebungsverfahren befinden.“

Auch Alexander Rahlf von der Osterfelder Wohnungsgenossenschaft Gewo konnte kaum Ängste nehmen. Er ist ebenfalls skeptisch, dass der Wandel bis 2045 gelingt. In Oberhausen gebe es 17.000 Einfamilienhäuser. Die Wohnungen seien größtenteils in privater Hand. Die Regeln könnten in diesem Bereich unterschiedlich ausgelegt werden. „Durch den hohen Anteil an privaten Vermietern könnte die Energiewende verpuffen.“

Auch die Bürgerinnen und Bürger hatten einige Fragen: Sollte Oberhausen nicht auch grüne Energie einkaufen? Was ist eigentlich mit Windrädern? Und sollte die Stadt nicht ein Auge auf den Preis der Fernwärme werfen? Manch einer befürchtet, das hierfür die Kosten in Zukunft steigen. Fragen, auf es an diesem Abend keine Antworten gab.

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