Oberhausen. Allein der „Maskenball“ an der frischen Luft könnte zum echten Theater-Erlebnis werden. In der nächsten Saison gilt es, ein Jubiläum nachzuholen.
Klingt vielleicht ein bisschen rustikal, der Vergleich, mit dem Axel J. Scherer im Kulturausschuss aufwartete – war aber als starkes Kompliment gemeint: „Da steht ein Rennpferd im Stall“, meinte der Fotograf und SPD-Politiker zum Ausblick auf die Theater-Spielzeit, „und darf nicht ‘raus“. Tatsächlich hatte Simone Sterr als geschäftsführende Dramaturgin deutlich gemacht: Die Saison 2020/’21 wird nur noch mit digitalen Formaten aufwarten – mit einer Ausnahme zum Schluss.
Intendant Florian Fiedler hatte sich als frischgebackener Vater bei diesem „Zustandsbericht und Ausblick“ vertreten lassen. Simone Sterr eröffnete ihren Vortrag mit den missverständlichen Worten „Wir bleiben offen“ – und dem Nachsatz „auch für Veränderungen“. Das aufwendige Arbeitsprinzip des künstlerischen Leitungsteams: „Wir fahren immer zweigleisig.“ Jede Produktion soll so, wenn es denn Lockerungen im Lockdown erlauben, vom digitalen ins Live-Format wechseln können.
Dabei wertete die Chefdramaturgin das Schauspiel vorm Bildschirm durchaus als Erfolg: So erreichten Ronja Oppelt und Lise Wolle mit ihrer Vorpremiere von „Der Ursprung der Liebe“ für Abonnenten über 120 Zuschauer – live aus dem Saal 2. Die letzte Premiere dort vor Publikum, „Kleiner Mann, was nun?“, durften im September 2020 gerade mal 20 Zuschauer miterleben. „Bei aller Freude an neuen Formaten“, betonte Simone Sterr, „wollen wir Kinder aber nicht vor den Bildschirm zwingen.“ Fürs Kindertheater gibt’s keine digitale Alternative.
Endlich live und draußen: der sommerliche Maskenball
Anders „Im Dickicht der Städte“, die seit Jahren erste Brecht-Inszenierung in Oberhausen, und „Nebraska“ von Wolfram Höll: Diese Produktionen, angekündigt fürs Große Haus, „haben wir im Blick als Livestream oder geschnitten als Film“, wie Sterr sagte. Selbst das Tanztheater von Monika Gintersdorfer und ihrem Ensemble „La Fleur“ und „Sturmtief O’Hara“, sehr frei nach Margaret Mitchell, soll zu einem Tanzfilm werden.
Ein Versprechen für „live und in Farbe“ an der frischen Luft wagt die Dramaturgin nur für den „Maskenball“ von Hausregisseurin Babett Grube. Es ist die für Ende Mai angekündigte letzte Produktion der Spielzeit.
Da bleibt viel nachzuholen 2021 / ‘22 in Florian Fiedlers letztem Jahr als Intendant: unter anderem ein großes Jubiläum. „101 Jahre Theater Oberhausen“, so Simone Sterr, „verpflichtet uns, über das Stadttheater nachzudenken: Wem gehört diese Bühne?“ Man wolle „viele Künstler nach Oberhausen einladen, die nicht zur sogenannten Mehrheitsgesellschaft gehören“, erklärte die geschäftsführende Dramaturgin. „Sie bekommen die Bühne für einen vielstimmigen Spielplan.“
Porträts und prägende Epochen aus 100 Theater-Jahren
So präsentierten wir 100 Jahre Theater Oberhausen in Rückblicken und Porträts:
https://www.waz.de/staedte/oberhausen/100-jahre-unruhezeiten-am-theater-oberhausen-id227984257.html
Allerdings wird diese Spielzeit im Großen Haus erst Ende Oktober starten können: Erst dann wird die Bühne auf dem Stand des 21. Jahrhunderts sein – und soll mit einer eigenen „Technikshow“ dem Publikum ihre erstaunlichen Möglichkeiten präsentieren. Für das 101. Theaterjahr verkündete Sterr die Uraufführung von „Kohlenstaub und Bühnennebel“, einer Auftragsarbeit zur Historie des Hauses, sowie ein kleines Festival der Ruhrbühnen. Und nicht zuletzt liegt auch das Weihnachtsstück schon komplett vor – „in Frischhaltefolie“, wie’s Florian Fiedler über seine Inszenierung von „Peter Pan“ gesagt hat.
„Die Schulen ansprechen zu können“, ergänzte Simone Sterr, „fehlt uns total: Wir wollen da einiges nachholen und wieder zu den Menschen gehen“.