Mülheim. Mülheims Kirchen St. Engelbert und St. Albertus Magnus stehen zum Verkauf: Was aus den Gotteshäusern werden könnte – und was ausgeschlossen ist.
Kirche(n) zu verkaufen! Wer kreative Ideen hat und ausreichend Finanzmittel, kann in Mülheim derzeit ein katholisches Gotteshaus – oder auch zwei – samt Grundstück und Pfarrzentrum erwerben und entsprechend einiger Vorgaben neu- bzw. umgestalten. Auf der Homepage des Bistums Essen finden sich die spannenden Immobilienangebote. Aus hinlänglich bekannter Finanznot muss sich die katholische Kirchengemeinde St. Barbara von zwei besonderen Objekten trennen: von St. Engelbert in Eppinghofen und St. Albertus Magnus in Styrum.
Die Nachricht ist nicht neu, doch mittlerweile nimmt die Entwicklung Fahrt auf. Was seit Jahren diskutiert wird, könnte bald Realität werden. Die Angebotsverfahren laufen seit kurzem; potenzielle Investoren können Interesse bekunden und bis zum 27. Mai Ideen für St. Engelbert einreichen sowie bis zum 24. Juni für St. Albertus Magnus. Einer, der sehr gespannt ist, was da kommen wird, ist Christian Böckmann, Pfarrer von St. Barbara und St. Mariä Himmelfahrt. Für ihn ist elementar, „dass es dem Käufer nicht um reine Profitinteressen geht“. Er hofft auf „etwas Soziales, Nachhaltiges, das den Menschen im Stadtteil zugutekommt“.
Die Kirche in Mülheim-Eppinghofen entstand ab 1903, die in Styrum Mitte der 50er Jahre
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Die zum Kauf angebotenen Immobilien unterschieden sich deutlich voneinander. Das beginnt schon mit der Grundstücksgröße: Zur Backsteinkirche an der Engelbertusstraße samt Pfarrhaus und Gemeindezentrum gehört ein 7946 Quadratmeter großes Areal. Es ist fast doppelt so groß wie das an der Eberhardstraße mit Kirche und Pfarrhaus, das 4335 Quadratmeter umfasst. Der Sakralbau in Eppinghofen ist auch deutlich älter; er entstand ab 1903, wurde im Krieg fast völlig zerstört, danach wiederaufgebaut – allerdings ohne seinen früher langen, spitzen Turm. Das Gotteshaus in Styrum wurde erst Mitte der 50er Jahre errichtet.
Und noch etwas ist anders: Die Eppinghofer Pfarrkirche soll laut einer aktuellen Vorlage der Verwaltung für den Planungsausschuss in Kürze unter Denkmalschutz gestellt werden, muss also – im Gegensatz zu St. Albertus Magnus – auf jeden Fall erhalten werden. Sie sei „bedeutend für die Geschichte des Menschen und für Städte und Siedlungen“, heißt es in der Begründung. Für ihre Erhaltung und Nutzung lägen „wissenschaftliche und städtebauliche Gründe“ vor. Sowohl das Äußere als auch das Innere sollen geschützt werden, doch nicht in vollem Umfang.
Wer das komplette Exposé des Bistums zu den beiden Objekten einsehen möchte, Details erfahren will oder schon konkrete Pläne hat, nimmt via Mail an patrick.trepper@bistum-essen.de Kontakt auf zu Patrick Trepper, zuständiger Architekt und Stadtplaner des Bistums.
In Eppinghofen soll’s auch künftig „seelsorgliches und gemeindliches Leben“ geben
Vor rund vier Jahren war bekannt geworden, dass die Katholiken aus St. Barbara planen, die Liegenschaften zu veräußern und einer neuen Nutzung zuzuführen. In Eppinghofen könnten Wohnungen im ausgedienten Gotteshaus entstehen, die ungewöhnliche Idee steht seit langem im Raum. Berücksichtigt werden müsste allerdings, dass dort auch künftig noch in einigen Räumen „seelsorgliches und gemeindliches Leben“ stattfinden soll, so Böckmann. Man wolle sich weiter mit Gruppen treffen und Gottesdienste feiern können.
Von der Immobilie in Styrum, die aktuell noch von der kroatischen Gemeinde genutzt wird, verabschiedet man sich hingegen komplett. Aber nicht um jeden Preis: „Vergnügungsstätten wie Nachtlokale, Bordelle und Spielhallen“ könnten weder an dem einen noch an dem anderen Ort entstehen. Und „auch die Nutzung durch nichtchristliche Religionsgemeinschaften ist ausgeschlossen“, heißt es in der Ausschreibung. Wie viel Geld der Verkauf in die Kassen des Bistums spült, sei übrigens noch unklar, sagt Böckmann. „Ich habe keine Vorstellung davon, was finanziell dabei herauskommt.“
Pfarrer Böckmann hofft auf Wohnungsbaugesellschaften als Investoren
Zudem verbieten sich laut Pfarrer Böckmann so genannte Heuschrecken, also Investoren, die sich schnell und eigennützig bereichern wollen. „Die möchten wir hier wirklich nicht haben.“ Man denke vielmehr an örtliche Investoren, wie Wohnungsbaugesellschaften, „die das Leben in der Stadt langfristig positiv beeinflussen möchten“. Schon in der Vergangenheit habe man mit diesen „wunderbare Lösungen“ gefunden, lobt der 59-Jährige, der auch stolz darauf ist, mit anderen Teilen der Stadtgesellschaft und vor allem den evangelischen Kirchen eng zusammenzuarbeiten.
Auch wenn es wahrlich schmerzlich sei, sich von den beiden Kirchen zu trennen, sei klar: „Finanziell geht es nicht anders. Allein schaffen wir es nicht.“ Man setze auf gute Partner. Dann verschwinde wohl auch das ungute Gefühl, „uns wird alles weggenommen“.
Finanznöte, Missbrauchsskandal und hohe Austrittszahlen belasten den Pfarrer
Neben den Finanznöten, die das katholische Leben vor Ort zusehends einschränken, beschäftigt Böckmann auch der Missbrauchsskandal und die weiterhin hohen Austrittszahlen. „Die sind katastrophal.“ Er schreibe jeden, der diesen Schritt gehe, persönlich an und frage nach den Gründen des Weggangs. „Sehr oft geht es dann um Missbrauch und mangelnde Aufklärung.“
Die katholische Kirche habe „ein Riesenproblem“. Auch für ihn selbst sei das alles „sehr bedrückend, zumal wir vor Ort ein ganz anderes Leben führen“. Man setze auf Präventionsschulungen, habe ein hohes Problembewusstsein. Aber: „Ereignisse, die woanders stattfinden, zum Beispiel in Köln, treffen uns mit voller Wucht.“ Für manchen sei der Austritt wohl der einzige Weg, um gegen all das zu protestieren.
„Bei den Jugendlichen gibt es eine Welle, sich überall abzumelden“
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Für junge Menschen, die noch wenig verdienen, sei auch die Kirchensteuer ein Grund für die Abkehr. Und zum Teil stecke hinter dieser Entscheidung auch einfach nur ein trauriger Trend: „Bei den Jugendlichen gibt es eine Welle, sich überall abzumelden. Das erleben sogar Sportvereine.“
Auch wenn es dem Pfarrer um jeden verlorenen Katholiken leid tut, manche der Argumente könne er schon verstehen. Er selbst werde aber ganz sicher weitermachen, „weil man nur von innen heraus etwas ändern kann“. Zum Glück gebe es nach wie vor viel Positives: so das Engagement der Christen im Ukraine-Krieg. Pfarrer Böckmann schwärmt zum Beispiel von der Hilfe, die von St. Michael in Speldorf ausgeht: Was dort geleistet werde, um einer Gemeinde in Stara Huta in der Südwestukraine, mit der man seit Jahren befreundet ist, zu helfen, sei großartig. „Da kann man bei allem Bedrückenden auch mal aufatmen. . .“
Auch von anderen Kirchen müssen sich die Katholiken trennen
Auch von den zur Gemeinde Sankt Mariä Himmelfahrt gehörenden Kirchen Herz Jesu in Broich und St. Elisabeth in Saarn werden sich die Katholiken langfristig trennen. „Noch sind wir aber nicht so weit“, sagt Pfarrer Böckmann, „die Prozesse in den Pfarreien laufen noch.“ Man habe dort mehr Zeit als bei den aktuell zum Verkauf stehenden Gotteshäusern. Denn der Unterhalt von St. Engelbert und St. Albertus Magnus sei besonders kostenintensiv.
Die Kirchen in Saarn und Broich will man auch nicht komplett aufgeben. „Wir bleiben an beiden Standorten, aber nicht in der jetzigen Größe. Wir brauchen eine Nutzungsänderung, damit es finanziell machbar bleibt.“
Die Kirche Christ König in Winkhausen bleibt den Katholiken erhalten, soll nach den Plänen der Stadt aber ebenfalls unter Denkmalschutz gestellt werden. Davon ausgenommen sind lediglich das Pfarr- und Jugendheim, der Kindergarten sowie das nordwestliche Pfarrhaus.