Essen. Als „echten Hirten für die Region“ würdigt Ruhrbischof Overbeck den Essener Weihbischof Franz Grave, der im Alter von 89 Jahren gestorben ist.

Wenn ein Geistlicher die Sorgen und Nöte der Menschen im Ruhrgebiet kannte, war es Franz Grave. „Das beste Kapital ist die Menschennähe“, hat er auf dem Höhepunkt der Weltfinanzkrise 2009 Wirtschaft, Politik, aber auch seiner katholischen Kirche ins Stammbuch geschrieben. Am Samstag ist der ehemalige Essener Weihbischof gestorben. Franz Grave wurde 89 Jahre alt.

„Weihbischof Grave ist den Weg eines echten Hirten für unsere Region gegangen, kantig und mit einem wahren Herzen für das Ruhrgebiet, für Kohle und Stahl, für die Arbeit, für die kleinen Leute und auch die großen“, würdigte Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck am Sonntag den emeritierten Weihbischof. Er sei ein „Markenzeichen für unser Bistum“ gewesen.

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Authentischer konnte ein Priester seine Heimat und seinen Wirkungskreis kaum vertreten. Grave wurde im Jahr 1932 im Essener Stadtteil Frohnhausen als Sohn einer Handwerkerfamilie geboren. Dort, im Essener Westen, lebte er bis ins hohe Alter. Von Essen aus konnte Grave den Strukturwandel des Reviers von der ersten Zechenkrise, über den massiven Arbeitsplatzabbau in der Stahlindustrie bis zum Ende des Bergbaus miterleben.

Heiligabend bei Stahlarbeitern in Duisburg

Die Entwicklung der Region prägte ihn. Als junger Kaplan sowie als späterer Seelsorgeverantwortlicher und Weihbischof nutzte Franz Grave seine Ämter in der Kirche, um sich für Arbeiterinnen und Arbeiter, aber auch die Gesellschaft zu engagieren. Er besuchte Chefetagen, stand auch an Heiligabend bei den Stahlarbeitern in Duisburg am Werkstor oder solidarisierte sich mit den Nokia-Beschäftigten beim Protest gegen die Schließung der Bochumer Handy-Fabrik.

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Nach seiner Priesterweihe 1959 im Essener Dom arbeitete Grave zunächst als Kaplan im Duisburger Stadtteil Beeck. Er selbst wertete diese Zeit Anfang der 1960er Jahre in der damaligen Arbeitergemeinde St. Laurentius zwischen den Hochöfen der Stahlstadt rückblickend als prägend. Auch als Diözesanpräses der Kolpingfamilien im Bistum Essen von 1966 bis 1971 und der katholischen Arbeitnehmer-Bewegung von 1979 bis 1982 sei es ihm stets darum gegangen, die katholische Soziallehre im Alltag umzusetzen, erklärte das Bistum.

Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit

Der erste Ruhrbischof Franz Hengsbach übertrug 1970 Franz Grave die Leitung des Seelsorgeamtes im Bischöflichen Generalvikariat. Gemeinsam mit dem Diözesanrat im Bistum brachte Grave unter anderem bundesweite Aktionen zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit und Hilfen für benachteiligte Jugendliche auf den Weg.

Franz Grave im Gespräch mit Auszubildenden in Mülheim.
Franz Grave im Gespräch mit Auszubildenden in Mülheim. © FUNKE Foto Services | Oliver Müller

1988 wurde Grave im Essener Dom zum Bischof geweiht, nachdem ihn Papst Johannes Paul II. zum Titularbischof von Tingaria/Mauretanien und Weihbischof in Essen ernannt hatte. Nach dem Tod von Ruhrbischof Franz Kardinal Hengsbach 1991 wählten die deutschen Bischöfe Franz Grave als seinen Nachfolger an die Spitze der Adveniat-Kommission, des Aufsichtsorgans über die Arbeit der Adveniat-Geschäftsstelle in Essen. Seitdem ist Graves Name eng mit dem Engagement der katholischen Kirche in Deutschland für Lateinamerika verbunden.

Er kämpfte gegen Hunger und Armut in aller Welt. Seine Liebe zu Lateinamerika und sein unermüdliches Engagement für die Armen haben Adveniat viele Jahre geprägt“, erklärte der Hauptgeschäftsführer des kirchlichen Hilfswerks, Pater Martin Maier. Auch nach seiner aktiven Zeit sei Grave dem Hilfswerk verbunden geblieben und habe seine Kontakte in die Essener Stadtgesellschaft genutzt, um Hilfe und Spenden für die Menschen in Lateinamerika zu organisieren.“

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Vor allem aber auch in seiner Heimat hinterließ der Weihbischof Spuren. Er putzte im Rahmen einer WAZ-Aktion in Mülheimer Klinken, um in Unternehmen für die Schaffung dringend benötigter Ausbildungsstellen zu werben. Sein Rat hatte Gewicht. Nach der Pleite der US-amerikanischen Lehman-Bank, die die Welt in eine schwere Finanzkrise stürzte, sprach Grave beim WAZ-Wirtschaftsforum im November 2009 Klartext. Die Ökonomie habe in der Gesellschaft zuletzt allzu oft Vorfahrt gehabt, kritisierte Grave. „Die Krise zeigt, dass wir einen Nachholbedarf bei der sittlichen Orientierung haben. Es ist Aufgabe der Kirche, den Menschen diese Orientierung zu vermitteln.” Der Weihbischof forderte einen „ethischen Umgang mit Geld”.

Nach seinem altersbedingten Rücktritt am 27. Juni 2008 arbeitete Grave als „Pastor im Ruhestand“ in der Mülheimer Pfarrei St. Mariä Geburt weiter mit, feierte mit den Gläubigen die heilige Messe, begleitete trauernde Angehörige und unterstützte das Seelsorge-Team. „Nun ist eine wichtige Stimme des Ruhrbistums und des Ruhrgebiets für immer verstummt“, sagte Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck