Mülheim. Mit Wartezeiten von rund sechs Wochen müssen Mülheimer beim Amtsgericht rechnen, wenn sie aus der Kirche austreten wollen. Das sind die Gründe.

Die katholische Kirche ist als moralische Institution erneut stark unter Druck geraten. Was unter den auch zahlreichen Mülheimern, die offenbar angesichts der Missbrauchsskandale möglichst schnell aus der Einrichtung austreten wollen, für zusätzliche Empörung sorgt: Für viele verschiebt sich der Austritt Monat für Monat, weil das Amtsgericht mit der deutlich höheren Bearbeitungslast nicht hinterherkommt und Termine bereits zum Monatsbeginn ausgebucht sind.

So schildern es einige Leserinnen und Leser mit reichlich Unmut: „Es gibt einfach keine Termine auf absehbare Zeit.“ Seit dem 24. Januar habe sie täglich online nach Terminen für einen Kirchenaustritt geschaut, so eine Leserin. „Zunächst wurde bekannt gegeben, dass am 1. Februar wieder Termine freigegeben werden, und dass täglich möglicherweise abgesagte Termine veröffentlicht werden.“

144 Kirchenaustritte verzeichnet das Mülheimer Amtsgericht seit Jahresbeginn

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Doch bereits am 1. Februar hieß es auf dem Online-Portal des Amtsgerichts, es seien keine Termine für den gesamten Monat mehr verfügbar. Neue Termine seien erst wieder ab dem 1. März buchbar. „Es würden vermutlich noch deutlicher mehr katholische Kirchenaustritte registriert werden“, schätzt eine Leserin – wenn man denn austreten könnte.

Damit trifft sie wohl den Kern: Die drastischen Terminengpässe bestätigt ebenso Susanne Galonska-Bracun, Direktorin des Amtsgerichts. Und das nicht ohne Grund: „Seit Beginn des Jahres sind 144 Kirchenaustrittserklärungen beurkundet worden, davon 93 katholisch.“ Die Menge der Anfragen sei „weitestgehend nur über Terminvergaben zu bewerkstelligen“, sagt Galonska-Bracun. Schon im vergangenen Jahr hatten sich die Austritte gegenüber 2020 von 688 auf 1080 erhöht.

Hohe Bearbeitungslast hat zu einem Terminvorlauf von sechs Wochen geführt

Doch die Austrittsanfragen übersteigen die Kapazitäten nun offenbar derart deutlich, dass der terminliche Vorlauf inzwischen auf sogar sechs Wochen angestiegen ist.

Die augenscheinlich schleppende Bearbeitung stellt nicht wenige Austrittswillige vor das Problem, weiterhin Monat für Monat widerwillig Kirchensteuer an die Institution zu entrichten. Denn anders als in jedem üblichen Verein, ist ein Austritt nicht einfach nur schriftlich mit Unterschrift zu erklären, sondern muss durch ein persönliches Erscheinen und unter Vorlage eines Personalausweises geschehen. Eine zusätzliche bürokratische Hürde.

Auch manche Notare melden gestiegene Nachfrage nach Austrittsbeglaubigungen

Wann wird der Austritt wirksam?

Die Kirchensteuerpflicht endet mit Ablauf des Monats, in dem der Austritt wirksam wird, versichern Notare, auch wenn sich die Bearbeitung dieser Erklärungen beim Amtsgericht verschieben sollte.

Was aber heißt ,wirksam’? Hier gilt das NRW-Recht: „Der Austritt wird mit Ablauf des Tages wirksam, an dem die Niederschrift über die mündliche Erklärung unterzeichnet oder die Erklärung in schriftlicher Form bei dem Amtsgericht eingegangen ist.“

Einen Ausweg gäbe es: Rechtlich kann der Austritt auch durch die Beglaubigung eines Notars erklärt werden. Doch auch dafür muss man persönlich beim Notar vorsprechen, der den schriftlichen Austritt beglaubigt und anschließend dem Amtsgericht zustellt.

Haken an der Sache: Sie kostet etwas mehr als beim Amtsgericht. Zwischen 30 und sogar 85 Euro nehmen die Notare, hinzu kommt der Betrag von 30 Euro, den das Amtsgericht erhebt. Bei der Kirchensteuer eines NRW-durchschnittlichen Einkommens von 2750 Euro (bei Männern, bei Frauen: 2000 Euro) kann es mehrere Monate dauern, bis die Kosten für Notar und Amtsgericht ausgeglichen wären.

Dass wegen der Terminlage am Amtsgericht die Anfragen bei Mülheimer Notaren ansteigen, bestätigen verschiedene Büros durchaus. Belastet sei man deswegen noch nicht, ein auch kurzfristiger Termin sei immer möglich, heißt es dennoch häufig.