Mülheim. Der Mülheimer Stadtdechant sieht angesichts der priesterlichen Missbrauchsfälle die Zeit überreif für eine Erneuerung der katholischen Kirche.

Wo steht die katholische Kirche nach den jüngsten Erkenntnissen über priesterliche Missbrauchsfälle und das in diesem Zusammenhang offenkundig gewordene Führungs- und Kontrollversagen einiger Bischöfe? Mülheims Stadtdechant, Pfarrer Michael Janßen, bezieht im Gespräch mit dieser Redaktion Position.

Sie haben am Sonntag (23. Januar) mit 120 katholischen Christen des katholischen Glaubens- und Zeitzeugen Nikolaus Groß gedacht. Wie ist es um das Zeugnis der heutigen Amtskirche bestellt?

Janßen: Dieser Gottesdienst hat mir noch einmal vor Augen geführt, wie schlimm es ist, dass die großartigen caritativen und alltäglichen Glaubenszeugnisse, die es damals wie heute gegeben hat und gibt, jetzt von den priesterlichen Missbrauchsfällen, die medial stark beleuchtet werden, überlagert werden.

Was muss jetzt in der katholischen Kirche geschehen?

Die aktuellen Erkenntnisse zeigen uns, wie wichtig der begonnene synodale Weg ist, der fortgesetzt werden muss und bei dem es auch keine Tabuthemen geben kann. Wir sehen, dass die Zeit für eine Erneuerung der Kirche überreif ist. Wenn man die Kirchengeschichte betrachtet, erkennt man, dass sich die Kirche immer wieder reformieren musste und reformiert hat. Das war zum Beispiel während des Zweiten vatikanischen ökumenischen Konzils in den 1960er Jahren der Fall, als der damalige Papst Johannes XXIII. forderte, die Kirche dürfe sich ihrer Zeit nicht einfach anpassen. Sie müsse sich aber unbedingt in ihre Zeit einpassen.

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Stellt der Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche die System- und Machtfrage?

Es zeigt sich, dass mit den Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche falsch umgegangen worden ist. Die Machtausübung innerhalb der Kirche muss im Rahmen des synodalen Weges neu überdacht und besser kontrolliert werden. Verantwortlichkeiten müssen transparent gemacht werden. Das Bistum Essen hat aus meiner Sicht den richtigen Weg eingeschlagen, als es bereits 2017 die Akten der schuldig gewordenen Priester an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet hat, um zivil- und kirchenrechtlich gegen die Täter vorzugehen.

Wie werden sich die jüngsten Erkenntnisse des Münchener Missbrauchsgutachtens auf die katholische Kirche auswirken?

Die Institution der Kirche hat schwer gelitten. Aber die frohe und sinnstiftende christliche Botschaft ist aktueller denn je. Wer die Kirche und den christlichen Glauben liebt, der darf nicht austreten, sondern muss auftreten, um die Kirche zum Besseren zu verändern. Wir müssen als Kirche den vom Missbrauch betroffenen Menschen viel Zeit, Hilfe und Glauben schenken. Ich habe in dieser existenziellen Krise der Kirche die Hoffnung, dass jetzt die Einsicht greift, dass sich jetzt etwas ändern muss, weil es einfach nicht mehr anders geht.

Ruhrbischof im Gespräch mit Opfern priesterlichen Missbrauchs

Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck bekräftigte am Freitag (21. Januar) im Gespräch mit Opfern priesterlichen Missbrauchs seine Bereitschaft, mit den Betroffenen einen gemeinsamen Weg der Begleitung und Unterstützung zu gehen.

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Overbeck verwies auf die erfolgreiche Gründung eines Betroffenenbeirats, der gerade seine Arbeit aufgenommenen habe. Außerdem verwies er auf die intensive Präventionsarbeit in den Pfarreien und katholischen Einrichtungen des Ruhrbistums sowie auf die Interventionsarbeit in der Aufarbeitung konkreter Missbrauchsfälle.

Der Ruhrbischof führte aber auch die bundesweiten Diskussionen etwa um die Fragen von Macht und Geschlechtergerechtigkeit in der Kirche an, um die – als eine Konsequenz aus dem Missbrauchsskandal – derzeit im Reformdialog Synodaler Weg gerungen werde. Dabei gehe es nicht nur um Strukturen, sondern vor allem um Inhalte, betonte der Bischof. Mehr Informationen unter www.bistum-essen.de