Herne. Vor 84 Jahren haben am 9. November auch in Herne und Wanne-Eickel die Synagogen gebrannt. Eine Gedenkveranstaltung erinnert an die Pogromnacht.

Vor dem Shoah-Mahnmal am Willi-Pohlmann-Platz in Herne ist es am Montagmorgen voll geworden. Zahlreiche Menschen haben sich zum Gedenken an die Opfer des 9. November 1938 auf dem Platz versammelt. Denn auch in Herne und Wanne-Eickel brannten bei der Pogromnacht vor 84 Jahren die Synagogen. Jüdische Hernerinnen und Herner wurden verfolgt, gequält und ermordet.

Zur Teilnahme an der Gedenkveranstaltung haben die DGB Herne, die DGB Geschichtswerkstatt Herne, das Bündnis Herne, die Herner Friedensinitiative, das Herner Sozialforum, die Verdi-Jugend, der Förderkreis Mahn- und Gedenkstätte Polizeigefängnis sowie die Schülerschaft der Erich-Fried-Gesamtschule aufgerufen.

Herner Gedenken: Aus dem Erinnern müssen Konsequenzen gezogen werden

Zum Auftakt der Gedenkveranstaltung ergreift Luca Priebe (22) von der Verdi-Jugend das Wort. Mehr als 400 jüdische Bürgerinnen und Bürger aus Herne, über 1700 ausländische Zwangsarbeiterinnen und -arbeiter sowie Kriegsgefangene, Gegner des Nazi-Regimes, Sinti und Roma, Menschen mit Behinderung, Emigrantinnen und Emigranten, Widerstandskämpferinnen und -kämpfer und 1500 Bombenopfer seien zwischen 1933 und 1945 Opfer des Nazi-Regimes geworden.

Priebe macht deutlich, dass aus der Geschichte gelernt werden müsse. „Erinnern macht nur Sinn, wenn Konsequenzen gezogen werden.“ Er ruft dazu auf, gegen Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit einzustehen, denn Taten wie Körperverletzungen und Brandstiftungen gebe es heutzutage wieder zunehmend. „Wir stellen uns entschlossen gegen Hass und Hetze in den Weg und setzen uns für eine demokratische Gesellschaft ein“, lautet sein eindringlicher Appell.

Luca Priebe von der Verdi-Jugend ruft beim Gedenken an die Opfer der Pogromnacht dazu auf, gegen Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit einzustehen.
Luca Priebe von der Verdi-Jugend ruft beim Gedenken an die Opfer der Pogromnacht dazu auf, gegen Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit einzustehen. © FUNKE Foto Services | Dietmar Wäsche

Nach der Auftaktrede von Priebe gibt es am Shoah-Mahnmal eine Gedenkminute für alle Opfer des Faschismus und des 9. November 1938 der Stadt Herne. Schülerinnen und Schüler der Erich-Fried-Gesamtschule legen am Mahnmal weiße Rosen für die Opfer nieder.

Mit einem Banner des Bündnis Herne, das die Aufschrift trägt „Mitmachen. Mitreden. Miteinander“, wird anschließend der Gedenkmarsch durch Herne-Mitte angeführt. Für die Teilnehmenden geht es zum Mahnmal für die Nazi-Opfer an der Bebelstraße. Dort sind bereits Blumenkränze des DGB, der Erich-Fried-Gesamtschule und der Stadt Herne für die Opfer niedergelegt.

Appell: Geschichte darf sich nicht wiederholen

Die Vorsitzende der Jugendvertretung Stadtverwaltung, Miriam Kraft, findet nach dem Gedenkmarsch deutliche Worte mit Bezug auf die Gegenwart. „Wir werden Nazis und Faschisten nicht unsere Stadt überlassen“, heißt es. Sie weist in ihrer Rede darauf hin, dass mit dem Erinnern an die Geschichte auch an die Menschen gedacht werden müsse, die in unserer Zeit vor Verfolgung und Unterdrückung auf der Flucht seien. „Es gibt heute noch grausame Kriege auf der Welt und Menschen auf der Flucht kommen an Europas Grenzen zu Tode“, so Kraft.

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Mit einem Appell wendet sich Kraft direkt an die Teilnehmenden der Gedenkveranstaltung: „Schaut nicht weg, seht hin und ergreift bei Unrecht das Wort.“ Kraft forderte die Teilnehmenden auf, aktiv einzugreifen. „Wir dürfen die Zukunft nicht denen überlassen, die Kriege und Hass verbreiten. Stehen wir gemeinsam ein und verhindern, dass sich die Geschichte wiederholt.“

Dass sich die Geschichte nicht wiederholen darf, betont auch Norbert Arndt von der DGB Geschichtswerkstatt. Bei der Reichspogromnacht seien vor 84 Jahren nicht nur in ganz Deutschland die Synagogen in Brand gesteckt worden, sondern auch ein paar Meter vom Mahnmal entfernt an der Bahnhofstraße in Herne-Mitte und auch an der Hauptstraße in Wanne-Eickel.

Zahlreiche Menschen haben sich am Denkmal für die NS-Opfer an der Bebelstraße in Herne versammelt, um an die Pogromnacht zu erinnern.
Zahlreiche Menschen haben sich am Denkmal für die NS-Opfer an der Bebelstraße in Herne versammelt, um an die Pogromnacht zu erinnern. © FUNKE Foto Services | Dietmar Wäsche

Damals, so Arndt, habe es niemanden gegeben, der eingeschritten sei. Denn nach fünf Jahren des Nazi-Regimes sei niemand mehr da gewesen, der die Wahrheit kannte. Widerstandskämpferinnen und -kämpfer seien entweder tot oder in Gefangenschaft gewesen.

An diese Widerstandskämpferinnen und -kämpfer wolle Arndt bei der Gedenkveranstaltung ebenfalls erinnern. „Es gab einige Menschen, die unter Lebensgefahr Flugblätter verteilten. Einige von ihnen waren nicht viel älter als ihr“, sagt Arndt und richtet sich mit diesen Worten an die Schülerinnen und Schüler. Gedenken habe auch mit Nachdenken zu tun. Man müsse sich für das interessieren, was das Leben präge und sich informieren. Dabei müsse man auch kritisch hinterfragen. Es sei nicht ausgeschlossen, dass sich die Geschichte wiederhole, meint er zum Abschluss der Gedenkveranstaltung.

Weitere Gedenkveranstaltungen zur Pogromnacht in Herne

Zum Gedenken an die Opfer der Reichspogromnacht hat außerdem die Stadt Herne zu einer offiziellen Veranstaltung mit Oberbürgermeister Frank Dudda um 13 Uhr am Standort der ehemaligen Synagoge von Wanne-Eickel an der Langenkampstraße aufgerufen. Der Terror sei damals nicht über Nacht gekommen und auch heute sei die Demokratie keine Selbstverständlichkeit, sagt Dudda.

OB Frank Dudda betont beim Gedenken an die Pogrom-Opfer, dass Antisemitismus in Herne keinen Platz habe.
OB Frank Dudda betont beim Gedenken an die Pogrom-Opfer, dass Antisemitismus in Herne keinen Platz habe. © Stadt Herne | Frank Dieper

Immer wieder müsse man Zeichen für ein friedliches Miteinander setzen. „Antisemitismus hat in unserer Stadt keinen Platz“, bekräftigt der OB seine Ausführungen. „Wir werden die Erinnerungskultur, die unsere Stadt geprägt hat, fortsetzen.“

Etwa 200 Personen sind an der Gedenktafel am Standort der ehemaligen Synagoge zusammengekommen, um an die Opfer der Pogrome zu erinnern. Die Herner Grünen haben darüber hinaus zu einer Kranzniederlegung an der ehemaligen Synagoge an der Schäferstraße zu 19 Uhr eingeladen.