Herne. Eine Erfolgsstory: Seit Gründung 2019 haben die „Schirme gegen Rechts“ ihre Aktivitäten immer weiter ausgedehnt. Worum es der Gruppe geht.

Seit dem Spätsommer 2019 spielen Schirme in Herne nicht nur als Schutz vor Regen eine besondere Rolle: Aus Protest gegen die Aufmärsche der selbst ernannten „besorgten Bürger“ haben sich damals die „Schirme gegen Rechts“ gegründet. Zweieinhalb Jahre später ist diese antifaschistische Gruppe noch immer aktiv gegen Rechtsextremisten und Antisemiten, hat ihr Spektrum jedoch deutlich erweitert.

Straßenprotest, Mahnwache und Spendenlauf

Die Gründung sei vor zweieinhalb Jahren recht spontan erfolgt, berichtet Issi, der seinen vollen Namen (wie seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter) nicht in der Zeitung lesen möchte. Der Protest des damals formierten „Bündnis Herne“ sei ihnen „zu leise und zu weit weg“ gewesen. „Wir wollten Flagge zeigen und die ,Besorgnis erregenden Bürger‘ mit unserer Gegenwehr konfrontieren. Wir wollten signalisieren: Verschwindet hier, ihr habt hier nichts suchen“, erklärt Volker im Gespräch mit der WAZ.

Rote Karte für Rechtsextremisten: Seit Spätsommer 2019 sind die „Schirme gegen Rechts“ in Herne aktiv - hier am 8. Oktober auf der Bahnhofstraße bei Protesten gegen die „besorgten Bürger“.
Rote Karte für Rechtsextremisten: Seit Spätsommer 2019 sind die „Schirme gegen Rechts“ in Herne aktiv - hier am 8. Oktober auf der Bahnhofstraße bei Protesten gegen die „besorgten Bürger“. © FUNKE Foto Services | Bastian Haumann

Mit Trillerpfeifen und Transparenten, aber eben auch mit den schließlich namensgebenden (aufgespannten) Schirmen postierten sie sich entlang der Routen der „besorgten Bürger“. „Die meisten kannten sich vorher gar nicht“, sagt Rosa über den aktuell rund 30 Mitglieder zählenden „harten Kern“ der Gruppe.

Der anfänglich „sehr laute Protest“ wurde durch neue und nicht selten kreative Aktionsformen erweitert. Zu den Klängen eines Trauermarschs von Chopin hielten die ganz in schwarz gekleideten „Schirme“ beispielsweise eine Mahnwache am Shoah-Mahnmal. Oder sie organisierten den etwas anderen „Spendenlauf“: Pro „besorgtem Bürger“ auf der Straße zahlten sie 1,50 Euro für ein Sprachcafé der Gesellschaft zur Förderung der Integrationsarbeit in Herne (gfi).

Solidaritätsaktion für Flutopfer ging „durch die Decke“

Doch auch jenseits des Protests wurden die „Schirme gegen Rechts“ aktiv. „Wir setzen uns für eine solidarische, tolerante und bunte Gesellschaft ein“, beschreibt Volker das Selbstverständnis. Gesagt, getan: Nach der Jahrhundertflut im Sommer 2021 sammelten sie mit der Islamischen Gemeinde Röhlinghausen Sachspenden und transportierten diese auch ins Katastrophengebiet. Die Aktion sei „durch die Decke gegangen“, erinnert sich Issi. Aus Sicht der „Schirme“ sei dies einmal mehr ein Beleg für die große Solidarität innerhalb der Herner Gesellschaft.

Zurück zu den „besorgten Bürgern“: Diese stellten Anfang 2020 noch vor dem Corona-Ausbruch ihre Märsche ein. Das sei nicht zuletzt eine Folge der breiten Gegenbewegung des „Bündnis Herne“ und der „Schirme“ gewesen, sagt Rosa. Als Reaktion auf „Spaziergänge“ von Impfskeptikern und Querdenkern ist diese Gegenbewegung auch seit 2021 wieder regelmäßig auf Herner Straßen.

Die „Schirme gegen Rechts“ sind regelmäßig in Herne aktiv. Aktuell rufen sie unter anderem zu Mahnwachen am Shoah-Mahnmal - hier am 12. Februar auf dem Willi-Pohlmann-Platz auf.
Die „Schirme gegen Rechts“ sind regelmäßig in Herne aktiv. Aktuell rufen sie unter anderem zu Mahnwachen am Shoah-Mahnmal - hier am 12. Februar auf dem Willi-Pohlmann-Platz auf. © FUNKE Foto Services | Klaus Pollkläsener

„Wir sind keine Verfechter der Impfpflicht“, betont Volker - auch wenn sie persönlich wohl inzwischen alle geboostert seien. Sie stellten sich in Herne gegen „Spaziergänger“, weil in deren Kreisen der Holocaust relativiert und Geschichte verdreht werde. Und auch rechte Kräfte fänden sich unter den offiziell gegen die Corona-Politik protestierenden Demonstranten. Wie schon bei den „besorgten Bürgern“ hat die Resonanz bei den „Spaziergängen“ deutlich abgenommen. Herne gelte bei denen inzwischen als „schwieriges Pflaster“, sagt Rosa.

200 schwarze Luftballons für Opfer rechter Gewalt

Wie geht es weiter für die „Schirme gegen Rechts“? Jenseits von Straßenaktionen wollen sie auch an Gedenktagen zunehmend präsent sein und Erinnerungsarbeit leisten - so wie bereits im Januar und Februar am Mahnmal an der Bebelstraße. „Uns ist es dabei auch ein Anliegen, Brücken in die heutige Zeit zu bauen“, so Volker.

200 schwarze Luftballons für 200 Opfer rechter Gewalt: eine Aktion der „Schirme gegen Rechts“ am 19. Februar am Mahnmal Bebelstraße, dem 1959 eingeweihten Ort zur Erinnerung an die Opfer des Widerstands gegen die Nazi-Diktatur.
200 schwarze Luftballons für 200 Opfer rechter Gewalt: eine Aktion der „Schirme gegen Rechts“ am 19. Februar am Mahnmal Bebelstraße, dem 1959 eingeweihten Ort zur Erinnerung an die Opfer des Widerstands gegen die Nazi-Diktatur. © SGR

Am 27. Januar, dem Tag der Befreiung des Konzentrationslagers von Auschwitz, platzierten sie an der Bebelstraße 200 schwarze Luftballons und gedachten damit der Opfer rechter Gewalt in Deutschland seit 1949. Und am 19. Februar erinnerten die „Schirme“ am selben Ort an den rassistischen und rechtsextremistischen Anschlag von Hanau, bei dem im Jahr 2020 neun Menschen getötet wurden.

Dass sie und ihre Aktionen eines Tages überflüssig werden, glauben die Herner „Schirme gegen Rechts“ nicht. „Diese Hoffnung haben wir nicht“, sagt Volker. „Ganz im Gegenteil“, ergänzt Rosa. Angesichts aktueller Entwicklungen sei zu befürchten, dass sie in Zukunft noch stärker aktiv werden müssten.

>>> WEITERE INFORMATIONEN: Auch jenseits der Stadtgrenze aktiv

Auch in Nachbarstädten haben Mitglieder der Herner „Schirme gegen Rechts“ bereits an Demonstrationen teilgenommen - nicht nur als Einzelpersonen.

So nahmen sie als „Schirme“ bei Kundgebungen gegen die rechten „Steeler Jungs“ in Essen und gegen Querdenker in Bochum teil.