Herne. Ein Gericht hat den Weg frei gemacht für ein umstrittenes Bauprojekt im Herner Landschaftsschutzgebiet. Wie das Vorhaben trotzdem kippen könnte.
Das Oberverwaltungsgericht Münster (OVG) hat den im Juni in erster Instanz vom Verwaltungsgericht beschlossenen Baustopp für das Grundstück Bergstraße in Herne-Süd wieder kassiert. Der Bochumer Investor hat damit grünes Licht für den von der Stadt genehmigten Bau eines Mehrfamilienhauses in diesem Landschaftsschutzgebiet erhalten. Er kündigte gegenüber der WAZ an, das Bauvorhaben kurzfristig wieder aufnehmen zu wollen. Eine endgültige Entscheidung über die Klage des Umweltverbandes BUND gegen das umstrittene Vorhaben steht allerdings noch aus.
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Denn: Das OVG tendiert in seinem Beschluss zwar zur Haltung der Stadtverwaltung, dass eine Bebauung zulässig sei. Die Richter betonen aber auch ausdrücklich, dass der Investor den Neubau „auf eigenes Risiko“ errichten müsste. Das heißt: Wenn die Richter im nun anstehenden Hauptverfahren der Einschätzung des Verwaltungsgerichts aus der ersten Instanz folgen, müsste das (dann möglicherweise bereits bewohnte) Mehrfamilienhaus wieder abgerissen werden. Das wäre für alle Seiten unangenehm und aus umweltpolitischer Sicht indiskutabel, so Rolf Reinholz von der Herner BUND-Kreisgruppe.
BUND Herne und CDU kritisieren richterlichen Beschluss
Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts zur Aufhebung des Baustopps habe sie überrascht. „Die Richter haben es sich leicht gemacht“, kritisiert Reinholz. Das OVG habe keine klare Vorentscheidung getroffen. Hintergrund: In dem Beschuss heißt es, dass die Erfolgsaussichten einer Investoren-Klage „derzeit als offen zu bewerten“ seien. Und: Alle relevanten Aspekte müssten im Hauptverfahren „nach der Durchführung eines Ortstermins“ weitergehend geprüft werden, so das OVG.
Auch die CDU-Stadtverordnete Barbara Merten wundert sich über den Beschluss: „Ich verstehe nicht, warum das OVG sich nicht selbst vor Ort ein Bild verschafft hat.“ Nun werde sich das Verfahren weiter hinziehen. Und sie sei - wie auch der BUND - enttäuscht, dass die Stadt Herne erst ein Gebiet unter Schutz stelle, um es dann bebauen zu lassen.
Die CDU hatte bekanntlich nach der Erteilung der Baugenehmigung durch die Stadt unter anderem darauf hingewiesen, dass Tor 5 in Herne an vielen Bauvorhaben beteiligt sei und dass es „eine besondere Beteiligung zwischen Beteiligten“ gebe. Hintergrund: Die Frau des in dieser Angelegenheit für die Verwaltung federführenden Planungsamts-Chefs Achim Wixforth ist bei Tor 5 angestellt. Wixforth und Planungsdezernent Karlheinz Friedrichs wiesen daraufhin alle Vorwürfe zurück.
Die Investoren begrüßen auf Anfrage der WAZ den Beschluss des OVG: „Aus unserer Sicht kommt darin klar zum Ausdruck, dass die Baugenehmigung völlig zu Recht auf der Grundlage des §34 BauGB erteilt wurde und dass es sich bei unserem Vorhaben um das Schließen einer Baulücke handelt“, erklären Herfried Langer - Chef des Bochumer Architektenbüros Tor 5 - und Ulrich Fuchs (ebenfalls Tor 5) für den nach eigenen Angaben aus „drei privaten Familien“ bestehenden Investorenkreis. Das Oberverwaltungsgericht habe auch keine Kollision mit den Bestimmungen des Landschaftsplans gesehen.
Investor: Fertigstellung des Neubaus im Sommer 2024 ist realistisch
Für das Hauptsacheverfahren am Verwaltungsgericht Gelsenkirchen gebe es noch keinen Termin. „Wir gehen davon aus, dass dieses der Einordnung der höheren Instanz folgen wird und die Klagen abweist“, so Langer und Fuchs. Leider sei ihnen durch den Baustopp „bereits ein erheblicher finanzieller Schaden entstanden, den uns niemand ersetzen wird“. Die bereits im März begonnenen Bauarbeiten würden sie kurzfristig wieder aufnehmen: „Die Fertigstellung des Gebäudes im Sommer 2024 ist realistisch.“
Zum geplanten Neubau erklären Langer und Fuchs, dass von den drei Investoren-Familien zwei nach Fertigstellung dort auch wohnen würden. Das Projekt umfasse ein Mehrgenerationenwohnen mit insgesamt acht Wohnungen und werde barrierefrei „im hohen KFW 55 Standard“ erstellt, sprich: Der Energieverbrauch ist deutlich niedriger als bei herkömmlichen Gebäuden.
Und was sagt die Verwaltung? „Das Oberverwaltungsgericht hat die Sichtweise der Stadt Herne gewürdigt. Die Entscheidung, den Baustopp aufzuheben, nehmen wir wohlwollend zu Kenntnis“, so Stadtsprecher Christoph Hüsken auf Anfrage.
Eine abschließende Entscheidung sei nun dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen im Hauptsacheverfahren vorbehalten, wobei das Oberverwaltungsgericht einen Hinweis zur weiteren Sachaufklärung gegeben habe. Aus Sicht des OVG spräche einiges dafür, dass das Vorhabengrundstück nicht dem Außenbereich zuzurechnen sei, sondern Teil eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils im Sinne des Baugesetzbuches sei. „Im Rahmen einer Abwägungsentscheidung hat das Oberverwaltungsgericht den Interessen der Bauherrschaft, die erteilte Baugenehmigung umsetzen zu können, Vorrang eingeräumt.“