Herne. Verdi geißelt die Pläne, die Stadttochter GBH bei der Wewole einzugliedern. Welche Vorwürfe es gibt, warum es auch im Rat hoch herging.
Der Rat der Stadt hat am Dienstagabend in nicht öffentlicher Sitzung mit den Stimmen von SPD und CDU der Stadt einen Prüfauftrag zur Zukunft der Gemeinnützigen Beschäftigungsgesellschaft Herne (GBH) erteilt. Wie berichtet, denkt die Stadt darüber nach, die „wirtschaftlich defizitäre“ GBH aus finanziellen Gründen bei der Wewole-Stiftung einzugliedern. Die Gewerkschaft Verdi und der GBH-Betriebsrat reagieren mit scharfer Kritik an diesen Plänen und werfen der Verwaltung auch Pflichtverletzungen vor.
Gewerkschaft: Herner Stadttochter erfüllt wertvolle gesellschaftliche Aufgaben
Die Stadttochter werde seit Jahren „von interessierter Seite“ angegriffen, erklärt Verdi in einer Pressemitteilung. Das Hauptargument der Befürworter, die GBH sei „wirtschaftlich defizitär“ und „Zuschussgeschäft“, sei nicht richtig. Als gemeinnütziges Unternehmen müsse die Gesellschaft keine Gewinne oder Überschüsse erzielen. Anfallende Verluste bzw. Defizite würden durch die Stadt ausgeglichen. In dieser Bilanz tauchten jedoch zahlreiche Aspekte nicht auf, die einbezogen werden müssten.
„Die GBH erledigt seit ihrer Gründung vielfältige und wertvolle Arbeiten, die ansonsten in einer klammen Stadt wie Herne nicht hätten erledigt beziehungsweise finanziert werden können“, betont der Herner Verdi-Sekretär Eric Lobach. Deshalb sei hier ein sozialpolitisch-arbeitsmarktpolitischer Blickwinkel bei der Bewertung notwendig, kein betriebswirtschaftlich-fiskalischer.
Als zugelassener und zertifizierter Bildungsträger unterliege die GBH hohen Qualitätsstandards. Zudem würden durch Politik und Verwaltung immer wieder Aufgaben der kommunalen Daseinsvorsorge auf die Gesellschaft übertragen. So sei ein Teil der Beschäftigten im Bereich der Schulsozialarbeit nicht etwa bei der Stadtverwaltung eingestellt, sondern über die GBH.
Vorwurf: GBH ist für die Verwaltung nur ein lästiges Anhängsel
Zur strategischen Ausrichtung stellt die Gewerkschaft fest, dass die GBH seit ihrer Gründung finanziell in erheblichem Umfang von den jeweiligen Arbeitsmarktprogrammen der Agentur für Arbeit und des Jobcenters abhängig sei. „An dem von Verdi immer wieder eingeforderten Mut, die GBH als kommunales arbeitsmarktpolitisches Instrument auf eine solidere Grundlage zu stellen und entsprechende politische Phantasie zu entwickeln, hat es bisher leider immer gefehlt“, so Lobach. Im Gegenteil, sie sei immer als „lästiges Anhängsel“ betrachtet worden: „Und das in einer Stadt mit einer Sozialstruktur wie Herne.“
Verdi erinnert daran, dass einst die Stadtspitze per Ratsbeschluss erwirkt habe, im GBH-Aufsichtsrat die Arbeitnehmermitbestimmung „zu kassieren“. Gewerkschaft und Betriebsrat seien in einen sogenannten Beirat abgeschoben worden, der keinen Einfluss nehmen könne. Seit 2019 habe es zudem lediglich eine Sitzung dieses Beirats gegeben. „Ein Schelm, der Böses dabei denkt“, erklärt der Verdi-Sekretär.
Betriebsrat sieht Verletzung von Mitbestimmungspflichten
Bei der zurzeit 80 feste Mitarbeitende zählenden Beschäftigungsgesellschaft handele es sich um ein tarifgebundenes Unternehmen, sprich: es bestehe ein Tarifvertrag zwischen Verdi und der GBH. Als Tarifvertragspartei seien sie jedoch nicht in etwaige Überlegungen der Stadt einbezogen oder im Vorfeld informiert worden, kritisiert Lobach.
Auch der GBH-Betriebsrat sehe Mitbestimmungs- und Informationspflichten verletzt und sei irritiert über Aussagen zu einer möglichen künftigen Tarifbindung. Dazu zitiert Verdi die GBH-Betriebsratsvorsitzende Claudia Lenger wie folgt: „Käme es zu der angestrebten Verschmelzung der GBH und der Wewole, handelt es sich im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes um eine Betriebsänderung. Der Arbeitgeber wäre hier verpflichtet gewesen, zum frühesten Zeitpunkt, selbst wenn es noch an einer konkreten Entschließung fehlt, den Betriebsrat von seinen Absichten zu unterrichten.“ Das sei aber nicht passiert.
In der Zwischenzeit lägen auch Informationen vor, so heißt es weiter in der Pressemitteilung der Gewerkschaft, dass sich die Wewole-Stiftung anders als die GBH in der entsprechenden Tarifbindung befinde. Die Situation sei demnach offenbar nicht so, wie sie von Sozialdezernent Johannes Chudziak auf einer (nach dem WAZ-Bericht am Dienstag) eiligst einberufenen Beschäftigtenversammlung der GBH dargestellt worden sei, so Verdi. Der städtische Dezernent, der am 1. Januar 2023 zum Landschaftsverband Westfalen-Lippe wechselt, ist auch Vorsitzender des Kuratoriums der gemeinnützigen Wewole-Stiftung (früher: Werkstatt für Behinderte).
>>> Ratssitzung: Hernes OB erhebt Vorwürfe gegen die Linkspartei
Auch in der Ratssitzung schlug das Thema GBH hohe Wellen. Oberbürgermeister Frank Dudda warf insbesondere der Linkspartei vor, den Inhalt der nicht öffentlichen Vorlage der Stadt zum GBH-Prüfauftrag durch eine Pressemitteilung öffentlich gemacht zu haben. Die Linken-Fraktionsvorsitzende Veronika Buszewski hatte – wie auch Grünen-Ratsfrau Dorothea Schulte im Gespräch mit der WAZ – die Sparpläne der Stadt für die GBH kritisiert und der Verwaltung vorgeworfen, den (mit Stadtverordneten besetzten) Aufsichtsrat der Gesellschaft nicht vorab informiert zu haben.
Den Antrag der Grünen im Rat, den Tagesordnungspunkt zur GBH vom nicht öffentlichen in den öffentlichen Teil der Sitzung zu verlegen, wiesen die rot-schwarze Mehrheit und die Stadt zurück. Es seien schützenswerte Interessen bzw. „Betriebsgeheimnisse“ zu berücksichtigen, weil es in der Vorlage auch um ein Unternehmen gehe – die Wewole-Stiftung –, die nicht zum Stadtkonzern zähle, so die Begründung der Verwaltung.
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Für eine Befassung in öffentlicher Sitzung reiche es auch nicht aus, stellte der OB klar, dass der Inhalt einer nicht öffentlichen Vorlage zuvor bereits Gegenstand eines Presseberichts gewesen sei: „Ich habe mittlerweile den Eindruck, der eine oder andere meint, er könne selbst bestimmen, wann ein Tagesordnungspunkt öffentlich oder nicht öffentlich ist. Ich kann nur dringend ermahnen, auch in solchen Zeiten, wo es turbulent zugeht, die Ordnung aufrecht zu erhalten.“
Zu Beginn der Debatte hatte allerdings Dudda die „Ordnung“ nicht aufrecht erhalten, wenn auch nur aus Versehen: Beim Aufrufen des Antrags der Grünen erwähnte der OB die „Wewole-Stiftung“, also den Namen jenes Unternehmens, dessen Interessen die Stadt hier eigentlich geschützt sehen will.
Der OB betonte, dass es beim Prüfauftrag zu 100 Prozent darum gehe, die Gesellschaft in eine gute Zukunft zu bringen: „Jede Spekulation, dass hier etwas zum Nachteil der GBH passiert, ist an den Haaren herbeigezogen.“ Dudda warf den beiden Oppositionsparteien vor, mit ihrem Vorpreschen Menschen zu verunsichern. Das wollte Grünen-Fraktions-Chef Thomas Reinke so nicht stehen lassen: Die Verunsicherung sei hier wohl eher von der Stadt verursacht worden, entgegnete er. loc