Herne. Weil sie ein Kopftuch trägt, darf sie kein Praktikum am EvK machen: Im WAZ-Gespräch erzählt eine 14-jährige Hernerin vom Vorstellungsgespräch.

  • Eine 14-jährige Hernerin hat sich auf ein dreiwöchiges Pflichtpraktikum am Evangelischen Krankenhaus (EvK) in Herne beworben.
  • Sie möchte auch während der Arbeit ihr Kopftuch tragen und ist deswegen beim Vorstellungsgespräch abgelehnt worden.
  • Das EvK äußert sich dazu und bezieht sich auf die kirchliche Trägerschaft.

Wenn die 14-jährige Beyza aus Herne gefragt wird, was sie später einmal werden möchte, lautet ihre entschlossene Antwort: Ärztin. „Ich wollte immer helfen. In der Schule engagiere ich mich als Sanitätshelferin und habe dabei gemerkt, dass es mir Freude macht, wenn ich Verletzten helfen kann“, erzählt sie. Ihr dreiwöchiges Pflichtpraktikum möchte sie deswegen in einem Krankenhaus absolvieren. Am Evangelischen Krankenhaus (EvK) in Herne habe sie beim Bewerbungsgespräch Rassismus erlebt, sagt sie. Wegen ihres Kopftuches ist die Hernerin abgelehnt worden. Damit anderen Mädchen nicht das gleiche passiert, habe sie sich an die WAZ gewandt, um von ihrer Erfahrung zu erzählen. Mittlerweile wird ihre Geschichte auch in überregionalen Medien berichtet.

„Ich wollte sehen, wie es wäre, Ärztin zu sein“, sagt Beyza. Als im September an ihrer Schule ein Tag zur Berufsorientierung stattgefunden hat, sei sie mit Vertretern des EvK Herne ins Gespräch gekommen. Dabei sei sie ermutigt worden, sich auf ein Praktikum dort zu bewerben. „Also habe ich meine Bewerbung an das Krankenhaus geschickt. Als dann die Einladung zum Vorstellungsgespräch kam, habe ich mich total gefreut. Hätte ich gewusst, was passiert, hätte ich mich nicht gefreut.“

Herner Schülerin wurde im Gespräch gefragt, ob sie ihr Kopftuch tragen werde

Am Herner EvK gibt es ein Kopftuch-Verbot für Beschäftigte. Die 14-jährige Beyza aus Herne wurde beim Vorstellungsgespräch für ein Praktikum deswegen abgewiesen.
Am Herner EvK gibt es ein Kopftuch-Verbot für Beschäftigte. Die 14-jährige Beyza aus Herne wurde beim Vorstellungsgespräch für ein Praktikum deswegen abgewiesen. © FUNKE Foto Services | Svenja Hanusch

Weil es ihr erstes Vorstellungsgespräch war, habe ihre Mutter sie zum Krankenhaus begleitet und im Auto gewartet. „Die erste Frage, die mir die Sekretärin der Pflegedirektion gestellt hat, war, ob ich ,wirklich‘ vor habe, während des Praktikums mein Kopftuch zu tragen. Ich sagte ja.“ Daraufhin habe sie Beyzas Bewerbungsunterlagen zur Seite gelegt. „Sie sagte, sie wolle es kurz machen und dass sie mich wegen des Kopftuches nicht nehmen können.“ Damit sei das Gespräch vorbei gewesen. Es habe laut Beyza nur drei oder vier Minuten gedauert.

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„Ich war schockiert und habe erst mal geweint, als ich wieder bei meiner Mutter im Auto war“, erzählt sie. Sie sei schließlich noch ein Kind und fühle sich rassistisch vom EvK behandelt. Rassismus habe sie vor diesem Vorfall nie erleben müssen. „Wir sehen uns nicht als Ausländer. Wir arbeiten hier und zahlen Steuern für dieses Land“, sagt Beyzas Vater. Er kommt ursprünglich aus der Türkei und lebt seit 22 Jahren in Deutschland. Seine Frau und seine drei Kinder sind in Deutschland geboren.

„Meine Tochter fängt gerade erst mit dem Leben an. Dieser Umgang mit ihr hätte nicht sein müssen“, sagt ihr Vater. Die Familie wollte rechtlich gegen das EvK vorgehen. Laut Anwalt bringe das jedoch nichts, berichtet ihr Vater.

Denn: 2014 hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass kirchliche Einrichtungen das Tragen eines Kopftuches als Symbol der Zugehörigkeit zum islamischen Glauben verbieten dürfen. Mit dem Urteil wurde das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen höher bewertet als das individuelle Recht auf Religionsfreiheit und die Bestimmungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG). Damit sind Mitarbeitende von kirchlichen Einrichtungen mindestens zu neutralem Verhalten verpflichtet.

EvK Herne weist Rassismus-Vorwürfe von sich

„Das Tragen eines Kopftuchs im Dienst widerspricht der Pflicht der Arbeitnehmerinnen zur Neutralität und Loyalität gegenüber dem kirchlichen Träger“: EvK-Geschäftsführer Heinz-Werner Bitter.
„Das Tragen eines Kopftuchs im Dienst widerspricht der Pflicht der Arbeitnehmerinnen zur Neutralität und Loyalität gegenüber dem kirchlichen Träger“: EvK-Geschäftsführer Heinz-Werner Bitter. © Evk

Auf WAZ-Anfrage zu diesem Vorfall beruft sich das EvK auf dieses Recht. Von Geschäftsführer Heinz-Werner Bitter heißt es: „Das Evangelische Krankenhaus Herne ist ein Krankenhaus unter kirchlicher Trägerschaft. Unsere Einrichtung definiert sich bewusst als christliches Haus. Das Tragen eines Kopftuchs im Dienst widerspricht der Pflicht der Arbeitnehmerinnen zur Neutralität und Loyalität gegenüber dem kirchlichen Träger.“

Das EvK respektiere die Entscheidung von Musliminnen, ein Kopftuch zu tragen, heißt es außerdem in der Stellungnahme. Jedoch gelte das Kopftuch aus Sicht des kirchlichen Trägers als bewusstes Statement und sei damit nicht mit der geforderten Pflicht der Neutralität und Loyalität vereinbar.

Den Vorwurf, es handele sich bei dem Fall der 14-jährigen Beyza um Rassismus, weist das Krankenhaus zurück. Im EvK seien Menschen aus 44 verschiedenen Nationen beschäftigt. Dabei seien muslimische Mitarbeitende in allen Berufsgruppen vertreten. Zudem weist das EvK darauf hin, dass es im Krankenhaus einen muslimischen Gebetsraum gebe. Außerdem sei das Verhalten der EvK-Mitarbeiterin gegenüber der Schülerin im Bewerbungsgespräch nicht despektierlich gewesen. Das Krankenhaus wolle alles Weitere zu dem Vorfall intern klären.

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Ähnliche Fälle hat es in Herne bereits am St. Marien Hospital sowie am Marien Hospital gegeben (beide St. Elisabeth-Gruppe). Das katholische St. Marien Hospital hatte zuletzt eine Studentin nach zwei Wochen aus dem Praktikum geworfen, weil sie ein Kopftuch trug. Bei diesem Vorfall hieß es zunächst noch von der Elisabeth-Gruppe auf WAZ-Anfrage: „Symbolische Glaubensbekenntnisse dürfen nach unserer Auffassung am Arbeitsplatz nicht im Vordergrund stehen.“

Nachdem das Studierendenparlament der Ruhr-Uni-Bochum (RUB) ein Ende des Kopftuch-Verbotes für Mitarbeitende der St. Elisabeth Gruppe gefordert hatte, änderte die katholische Krankenhaus-Gruppe ihre Vorgaben. Inzwischen dürfen weiße Kopftücher mit eigenem Logo der Elisabeth-Gruppe am Arbeitsplatz getragen werden. Die Forderungen zum Umdenken stellte das Studierendenparlament auch an das Herner EvK. Das Kopftuch-Verbot blieb am evangelischen Krankenhaus dennoch bestehen.