Herne. In Herne ist ein Jude von seinem Nachbarn antisemitisch beleidigt worden. Mit Kippa traut sich der 26-Jährige nicht mehr auf die Straße.
- In Herne ist ein Jude von seinem Nachbarn antisemitisch beleidigt worden.
- Zum Gerichtstermin erschien der angeklagte Nachbar nicht.
- Mit Kippa traut sich der 26-Jährige nicht mehr auf die Straße.
„Mit Kippa kann ich in Herne nicht mehr auf die Straße gehen“, sagt Pascal. Der Antisemitismus, den der 26-jährige Jude in Herne erlebe, habe in den vergangenen Jahren zugenommen, berichtet er im Gespräch mit der WAZ. „In einige Läden an der Bahnhofstraße kann ich nicht mehr gehen - dort habe ich Hausverbot.“ Und auch, wenn er sich am Shoah-Mahnmal am Willi-Pohlmann-Platz aufhalte, ernte er meist missgünstige Blicke.
Einen besonders schlimmen Fall von Antisemitismus habe er Anfang des Jahres erlebt: Ein Nachbar habe ihn nach einem Konflikt im Haus als „Judensau“ betitelt, sagt Pascal, der seinen ganzen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Zudem seien Sätze gefallen wie „Wenn man deine Familie damals vergast hätte, hätte ich keine Probleme“. Die Beleidigungen brachte der 26-Jährige zur Anzeige. Am Mittwoch, 6. Juli, sollte nun die Verhandlung am Amtsgericht Herne stattfinden – doch der Angeklagte erschien nicht vor Gericht.
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„Ein Jude hat mir gar nichts zu sagen“
Doch zurück zu dem Vorfall Anfang des Jahres: Als der Nachbar in das Haus in Herne-Mitte gezogen war, sei das Verhältnis zunächst gut gewesen. Erst als er mitbekommen habe, dass Pascal Jude ist, hätten die Beleidigungen begonnen. Mal sei es ein Brief gewesen, der falsch adressiert war, mal eine Begegnung mit Pascals Hund im Treppenhaus: Wegen Kleinigkeiten seien einige Situationen eskaliert, dann seien die antisemitischen Äußerungen gefallen. Auch wenn Pascal den 20-jährigen Nachbarn beispielsweise sonntags gebeten habe, die Musik etwas leiser zu drehen, seien Sprüche gefallen wie: „Ein Jude hat mir gar nichts zu sagen.“ Seinen jüdischen Ursprung könne man anhand des Briefkastens, seiner Wohnungstür, der Redensart, seines Lebensstils, aber auch daran erkennen, „dass ich sehr offen über meine Abstammung rede“.
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Schon in der Schule habe er aufgrund seines jüdischen Glaubens Probleme gehabt. „Als Kind durfte ich nicht auf dem Spielplatz der Schule spielen, weil das aus Sicht der Lehrer zu gefährlich gewesen wäre“, sagt Pascal. Eine jüdische Community gebe es in Herne nicht, „was auch daran liegt, dass wir keine Synagoge mehr in der Stadt haben“. Die nächste Synagoge sei in Gelsenkirchen und auch dort gebe es nur noch wenige Juden, die ihren Glauben auslebten. „In Herne ist das jüdische Leben tot.“
Einige Male sei ihm schon gesagt worden, er solle die Straßenseite wechseln. „Das mache ich natürlich nicht.“ Wenn man aber schon nicht mehr in den Geschäften der Stadt einkaufen gehen könne, dann sei das kritisch, betont er.
Uropa wurde 1945 aus dem Konzentrationslager befreit
Seine Familie habe lange geheim gehalten, dass sie teilweise aus Polen komme. Der Ur-Opa sei im Konzentrationslager gefangen gewesen, sei 1945 befreit worden, nach Berlin gekommen und anschließend nach Herne gezogen. Ein Großteil der restlichen Familie lebe in Australien.
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In seiner Familie sei Pascal der letzte, der den jüdischen Glauben am Leben halte. Doch das werde in Herne von Jahr zu Jahr schwieriger. „Jüdische Menschen können hier einfach nicht Fuß fassen.“ Pascal ist es deshalb wichtig, dass er die Tradition und seine jüdische Abstammung am Leben hält, „vor allem wegen meines Ur-Opas“.