Gladbeck. Tagesmüttern leisten wertvolle pädagogische Arbeit, sagt Nicole Lasing-Duleba. Doch das werde nicht anerkannt. Sie wird ihren Job bald aufgeben.

  • Nicole Lasing-Duleba ist eine von 50 Kindertageseltern in Gladbeck – und sie ist sauer, weil ihrem Beruf die Wertschätzung fehle, sagt sie.
  • Tageseltern in anderen Städten erhalten einen Mietzuschuss, das fordern sie auch in Gladbeck.
  • Tageseltern bieten in Gladbeck 200 Jungen und Mädchen unter drei Jahren einen Betreuungsplatz

„Wir sind keine Kaffee trinkenden Mamis, wir leisten pädagogische Arbeit“, sagt Nicole Lasing-Duleba. Die 47-Jährige ist eine von 50 Kindertageseltern in Gladbeck – und sauer. Denn obwohl sie gerade in Zeiten von Kitaplatzmangel ein wichtiger Bestandteil des Betreuungsangebotes sind, werde diese pädagogische Arbeit nicht anerkannt. Es fehlt ihnen an Wertschätzung. Und Geld.

Im Vergleich zu anderen Städten ist die Lage in Gladbeck besonders prekär. Klagen Tageseltern etwa in Bochum darüber, dass ihnen der Mietzuschuss oft verspätet gezahlt wird, gibt es einen solchen in Gladbeck überhaupt nicht. „Dies hatte in der Vergangenheit vor allem wirtschaftliche Aspekte, da keine rechtliche Verpflichtung seitens des Kibiz‘ besteht“, sagt Stadtsprecher David Hennig. Die Verwaltung sehe hier eigentlich das Land in der Pflicht. An einer Lösung werde aber gearbeitet, das Geld werde jedoch dann aus dem städtischen Haushalt fließen müssen. Einen entsprechenden Vorschlag wolle die Verwaltung bald der Politik unterbreiten.

Viele Kindertageseltern arbeiten im Krankheitsfall „mit dem Kopf unterm Arm“

Die Tageseltern in Gladbeck sehen aber noch einen weiteren Punkt kritisch: Die Stadt Gladbeck ist die einzige Kommune im Kreis Recklinghausen, die im Vertretungsfall nicht beide Tageseltern für die Betreuung der Kinder bezahlt, sagt Nicole Lasing-Duleba, Sprecherin der Kindertagespflegepersonen in Gladbeck und Regionalgruppensprecherin der Berufsvereinigung der Kindertagespflegepersonen e.V.. So komme es, dass viele im Krankheitsfall „mit dem Kopf unterm Arm arbeiten“, denn sie wüssten, dass die Familien auf die Betreuung ihrer Kinder angewiesen sind. Zudem wollten sie nicht den Kollegen in den Rücken fallen, die wegen Krankheit ausfallen. Denn in einem solchen Fall bekommt nur die aushelfende Tagesmutter das Geld für das Kind. „Für das Kind, das zu einer Vertretung geht, wird die eigentliche Tagesmutter nicht bezahlt.“ Das sei keine gute Vertretungsregelung.

In manchen anderen Städten sei es so geregelt, dass jede Tagespflegeperson einen Platz über eine Freikostenpauschale freihält und so im Krankheitsfall einer anderen Tagesmutter ein Kind aufnehmen kann, ohne dass die eigentliche Tagesmutter einen Lohnausfall hat. Sie wisse zwar, dass es um den städtischen Haushalt nicht gut stehe, aber es wäre die optimale Lösung. „Es gibt kein System, das nichts kostet.“ Von der Stadt Gladbeck fordern die Tageseltern daher nun 20 Krankheitstage pro Jahr, die zu 100 Prozent bezahlt werden.

Die Tageseltern bieten in Gladbeck 200 Jungen und Mädchen einen Platz

Lasing-Duleba, die in ihrem Haus in Zweckel aktuell fünf Kinder betreut, stellt klar: „Wir werden gebraucht, es gibt ja nicht genügend Kita-Plätze.“ Sie fordert, dass sie und ihre Kolleginnen und Kollegen mehr gesehen werden müssen. Tatsächlich bieten die Tageseltern in Gladbeck 200 Jungen und Mädchen unter drei Jahren einen Betreuungsplatz. „Wir sind die beste Betreuungsform, die es gibt. Denn wir sind die eine Bezugserzieherin, die immer da ist. In Kitas ist das anders.“

Nicole Lasing-Duleba ist seit 2012 Tagesmutter. In Gladbeck-Zweckel betreut sie aktuell fünf Jungen und Mädchen.
Nicole Lasing-Duleba ist seit 2012 Tagesmutter. In Gladbeck-Zweckel betreut sie aktuell fünf Jungen und Mädchen. © FUNKE Foto Services | Rainer Raffalski

5,90 Euro bekommt eine Tagespflegeperson pro Stunde pro Kind gezahlt. Ab August werden es sechs Euro pro Stunde werden. Diese Dynamisierung ist im Landesrecht festgelegt, so Lasing-Duleba. Die Stadt Gladbeck brüste sich damit, dass einige Kommunen noch weniger zahlen. Für Essen und die Anschaffung von Spielzeug müssen die Selbstständigen selbst aufkommen. „Wir wollen keine Millionen verdienen, es geht nur um bessere Rahmenbedingungen“, so die 47-Jährige.

Nicole Lasing-Duleba wird ihren Beruf künftig aufgeben

Beim Mittagessen zahle sie zu 100 Prozent drauf. „Besonders nach der Inflation.“ Das passiere leicht, wenn man auf eine gesunde und vielfältige Ernährung achte. Bis zu zwei Euro dürfen Tagespflegepersonen von den Eltern pro Tag für das Kind dazu nehmen. Weiteres Geld von den Eltern zu erhalten, sei in NRW verboten.

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Nicole Lasing-Duleba liebt ihren Job. Aber in ein bis zwei Jahren möchte sie ihren Beruf aufgeben. „Ich merke, dass es mir reicht.“ Der Arbeitsalltag werde immer stressiger, die Ansprüche der Eltern immer höher. „Sie erwarten hohe Flexibilität, es gibt Betreuungsanfragen über Nacht und übers Wochenende“, berichtet die Zweckelerin. Zum anderen werde auch erwartet, zu 100 Prozent auf die Bedürfnisse des Kindes einzugehen, das sei aber nicht in dem Maße umsetzbar, „wie es eine Mama zu Hause“ machen könne.

Tagesmutter: „Kinder werden zu Hause keinen Konfliktsituationen mehr ausgesetzt“

Schon jetzt habe die gelernte Erzieherin auf eine Vier-Tage-Woche reduziert. „Das haben alle Kollegen gemacht, die ich kenne“, erzählt sie. Den Eltern stoße das zwar auf, aber: „Wir müssen auch an uns denken.“ Häufig habe sie einen Zehn-Stunden-Tag, außerdem kein Recht auf eine Pause.

Wir werden gebraucht, es gibt ja nicht genügend Kita-Plätze
Nicole Lasing-Duleba - Tagesmutter

Zudem habe sich auch das Sozialverhalten vieler Jungen und Mädchen geändert. Viele guckten einen mit großen Augen an, wenn es Regeln und Grenzen gehe, an die sie sich halten müssen. „Das kennen sie von zuhause nicht mehr. Einige weinen sofort, wenn man mal Nein sagt“, berichtet Lasing-Duleba. So werde nach dem Essen etwa sofort herumgelaufen, statt am Tisch zu warten, bis alle aufgegessen haben. „Kinder werden oft keinen Konfliktsituationen mehr ausgesetzt. Das in den vergangenen Jahren immer mehr geworden“, so ihre Beobachtung. Künftig möchte die Kindertagesmutter, die aktuell neben ihrem Job noch Kindheitspädagogik studiert, ins Jugendamt wechseln und für dieses Kindertagespflegepersonen ausbilden. „Ich komme aus der Praxis und weiß, wie die Realität aussieht.“ Denn ein klares Ziel hat die Gladbeckerin: „Ich möchte, dass die Kindertagespflege weiterlebt.“

Immer wieder geben Tageseltern in Gladbeck ihren Beruf auf

Die Zweckelerin ist nicht die einzige Tagesmutter, die ihren Beruf aufgrund der Rahmenbedingungen aufgibt. In diesem Jahr haben bereits vier Tageseltern in Gladbeck ihr Angebot einfgestellt. „Drei aus Altersgründen, eine, weil sie sich beruflich verändern möchte“, sagt Stadtsprecher David Hennig. Oft liege es an der familiären Situation; wenn die eigenen Kinder groß werden, werde auch das Angebot der Tagespflege aufgegeben, oder wenn beispielsweise eine feste Anstellung bei einem Träger angenommen werde.

Nicole Lasing-Duleba sieht das etwas anders. Einige hätten aufgrund mangelnder Wertschätzung und schlechter Bezahlung aufgegeben, eine Kollegin, weil sie sich besser absichern möchte. „Wir sind selbstständig“, so Lasing-Duleba, und zwar mit allen Risiken, „aber wir können keine Rücklagen schaffen“.

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