Gladbeck. Der Gladbecker Michael Kraus ersteigerte vor 20 Jahren eine alte Villa in der Innenstadt. So lebt es sich im denkmalgeschützen Haus.
Michael Kraus schaut zufrieden in Richtung Garten seines Grundstücks in der Dorfheide. Soeben ertönt an der benachbarten Anne-Frank-Realschule der Pausengong, auf dem Schulhof beginnt prompt ein mitreißendes Fußballspiel. Mittendrin lebt es sich hier. „Die Wohnlage ist einfach genial“, schwärmt Kraus. Der frühere Weltklasse-Schwimmer holte bei Olympia 1976 in Montreal Bronze und schätzt vor allem die Nähe zum städtischen Hallenbad, das fußläufig zu erreichen ist. Auch Innenstadt und der Wittringer Wald sind nicht weit, genauso wie die weiterführende Schule seiner beiden Töchter.
Doch das eigentliche Highlight ist nicht die Lage, sondern das Haus selbst, in dem Kraus mit seiner Familie lebt. Es gehört zu den alten Beamtenvillen Gladbecks, die um die 1920er-Jahren für hohe städtische Angestellte gebaut wurden. „Dieses Haus wurde 1924 erstmals bezogen“, so Kraus. Damit gehöre es zu den jüngeren Gebäuden des Viertels an der Straße „In der Dorfheide“, zusammen mit den beiden direkt angrenzenden Villen, die einen kleinen Häuserkomplex bilden. Doch nur der Teil, in dem Kraus heute wohnt, steht unter Denkmalschutz. Wie kam es dazu?
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Erst durch Michael Kraus wurde die Gladbecker Villa unter Denkmalschutz gestellt
Anfang der 2000er-Jahre habe die Stadt Gladbeck das Haus zur Versteigerung angeboten, erzählt Kraus. Ursprünglich hätten lange leitende Angestellte der Stadtverwaltung hier gewohnt, seit den 1970er- oder 1980er-Jahren war das Gebäude anderweitig vermietet. Die Bausubstanz sei schlecht gewesen, erinnert sich Kraus: „Die letzte Renovierung war nach dem Zweiten Weltkrieg, seitdem wurde nichts mehr gemacht.“ Einer der vorherigen Bewohner soll unter dem Dach sogar Tauben gehalten haben. Kein Wunder also, dass die Stadt das Gebäude loswerden wollte.
Kraus aber sah in dem Haus Potenzial. Er stieg in die Versteigerung ein und hatte einen Plan. „Ich bot der Stadt an, das Haus im Rahmen des Denkmalschutzes zu renovieren.“ Bis dahin habe das Gebäude nämlich noch nicht unter Denkmalschutz gestanden. „Mit dem Angebot stach ich die anderen Mitbieter aus, die das Haus beispielsweise in zwei Wohnungen aufteilen wollten.“ Das wäre allerdings aus Sicht des Denkmalschutzes nicht möglich gewesen. Per Ratsentscheid erhielt Kraus den Zuschlag – und kam recht günstig aus der Sache heraus. Etwas mehr als 200.000 Euro habe er damals gezahlt, sagt er. „Die Stadt wollte mir das Haus erst nicht verkaufen, da die anderen Käufer, die nicht Denkmalschutz-gerecht umgebaut hätten, mehr geboten hatten.“
Mit dem Hauskauf erfüllte sich ein Kindheitstraum
Für den Rentner, der bis vor einem Jahr als Chefarzt der Anästhesie im Gelsenkirchener Bergmannsheil tätig war, erfüllte sich mit dem Kauf ein Traum. „Meine Großeltern wohnten früher am Jovyplatz“, erzählt Kraus. „Ich kannte das Viertel daher schon und hatte früh den Wunsch, hier einmal hinzuziehen.“ Doch der Traum geriet zunächst in Vergessenheit, zwischenzeitlich sei ein Haus als Eigentum gar nicht mal geplant gewesen.
„Man muss schon ein Liebhaber der alten Architektur sein“
Nun aber, als Besitzer der früheren Beamtenvilla, wurde Kraus mit den dringend notwendigen Renovierungsarbeiten konfrontiert. Heute fast schon unvorstellbar, waren diese in nur wenigen Monaten abgeschlossen. „Im Februar 2004 hatten die Arbeiten begonnen, im Juni desselben Jahres konnten wir schon einziehen“, so Kraus. Wie vereinbart, hielt er sich an die Regeln des Denkmalschutzes. „Die Art der Fenster war vorgeschrieben, doch immerhin konnten wir mehrfach verglaste Fenster einbauen“, berichtet Kraus. Außerdem vorgegeben: der Putz der Fassade und die Art der Dachziegel. „Beim Ausbau des Dachbodens hätten wir zudem gerne Gauben eingebaut, doch das ging leider nicht“, sagt der heute 68-Jährige. Als besonders schützenswert sei der Grundriss des Hauses angesehen worden. Äußerliche Umbauten seien daher nicht möglich gewesen. Kraus durfte jedoch Teile des Wohnzimmers Richtung Garten zu einer Terrasse umgestalten. „So sah es auch ursprünglich aus, doch die Vorbesitzer hatten das Wohnzimmer auf Kosten der Veranda vergrößern lassen.“
Im Keller wartete eine böse Überraschung
Hier und da musste auch mit den Eigenarten des alten Hauses umgegangen werden. „Im Keller gab es noch Lehmboden, auf denen lediglich Platten gelegt wurden“, erzählt Kraus. Daher sei der Keller feucht gewesen. In mühevoller Handarbeit hätten Bauarbeiter den Kellerboden ausgehoben, Leitungen eingesetzt und den Estrich verlegt. In diesem Zuge wurde der alte Öltank durch eine Fernwärmeleitung ausgetauscht. Außerdem ein Kuriosum aus vergangenen Zeiten: Der Seiteneingang für das Dienstmädchen, der ehemals direkt zum kleinen Schlafzimmer auf dem Dachboden führte. Der zweite Eingang verbindet heute die Küche mit dem Garten.
„Man muss schon ein Liebhaber der alten Architektur sein“, sagt Kraus mit Rückblick auf den Aufwand, den er in das Haus steckte. Immerhin habe er den Mehraufwand durch Vorgaben des Denkmalschutzes von der Steuer absetzen können, sagt er. Bei größeren Umbauten musste er den Denkmalschutz kontaktieren, Probleme habe es hierbei nie gegeben. Nur beim Thema Solaranlage auf dem Dach wäre ihm wahrscheinlich ein Strich durch die Rechnung gemacht worden, weshalb er dieses Projekt gar nicht erst anging. „Das hätte auch nicht zum Haus gepasst“, meint Kraus. Zuversichtlicher ist er in puncto Wärmepunkte: „Das wäre sicherlich erlaubt.“
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Innen hatte Kraus Gestaltungsfreiraum
Sowieso konnte der Denkmalschutz nicht überall Einfluss nehmen. „In der Gestaltung des Innenraums hatte ich freie Hand“, berichtet Kraus. Doch allzu viel habe er, bis auf den Ausbau des Dachbodens, nicht verändern wollen: „Das Haus sollte gut renoviert sein, dabei aber authentisch bleiben.“ Sein Glück: Die Wände sind so dick, dass etwa eine zusätzliche Dämmung nicht nötig wurde. Ursprünglich habe er aber vorgehabt, im Keller ein Wellnessbad einzubauen, die Leitungen seien dazu bereits verlegt worden. Umgesetzt wurde der Plan bisher nicht – und dabei bleibt es auch. „Für weitere große Umbauten bin ich inzwischen zu alt“, meint Kraus und lacht.
Teile des Hauses hat Kraus mit seiner Familie altbautypisch eingerichtet. Die Möbel stammen aus Teilen der Familie oder wurden zusätzlich gekauft. Der massive Wohnzimmerschrank stand früher einmal in einem Landhaus in der Nähe von Coesfeld. Durch die hohe Decke und großen Räume kommt er in der alten Beamtenvilla gut zur Geltung. Auch die Treppe zum ersten Stock strahlt Altbau-Charme aus. Kraus deutet an ein schmales Fenster, knapp unter der Decke. „Davon gab es noch eins, doch das ging im Zweiten Weltkrieg kaputt und wurde danach nicht mehr eingebaut“, sagt er. Ebenso sei im Krieg die alte Mauer zerstört worden, die das Grundstück zur Straße hin begrenzte. Dass Kraus beides im Zuge des Umbaus nicht restaurierte, sei für den Denkmalschutz kein Problem gewesen. Kraus ist froh drum: „Die Mauer war laut Bauplan recht hoch. So kann ich jetzt immerhin nach vorne hinausgucken.“
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