Gladbeck. Im Rat haben Bürgermeisterin und Kämmerin den Haushalt 2024 vorgestellt. Die Zahlen sind desaströs. Warum das so ist, und was daraus folgt.
Keine guten Nachrichten hatten Bürgermeisterin Bettina Weist und Kämmerin Silke Ehrbar-Wulfen am Donnerstag für die Ratsmitglieder. Denen legten sie nämlich den Entwurf des Haushalts für 2024 vor – und darin klafft ein dickes Minus. Das Zahlenwerk weist für kommendes Jahr ein Defizit von 17,3 Millionen Euro aus.
Dabei sei das Minus anfangs sogar noch größer gewesen. Nachdem die Ämter ihre Bedarfe angemeldet hatten, hätten die Ausgaben bei rund 28 Millionen Euro gelegen. Ausdrücklich bedankte sich die Kämmerin im Vorfeld bei den Fachämtern, dass es gelungen sei, die Ausgaben um rund elf Millionen Euro zu drücken. Mehr Spielraum sieht die Bürgermeisterin jedoch nicht. „Die Zitrone ist ausgequetscht“, so ihr Fazit. Sie verweist auf die Jahre im Stärkungspakt, in denen auch massiv gespart worden sei.
Warum der städtische Haushalt in Gladbeck jetzt so ins Defizit rutscht
Zuletzt hat es in Gladbeck immer knapp für einen ausgeglichenen Haushalt gereicht, warum also nun dieses Defizit? Als größten Knackpunkt bezeichnen Bürgermeisterin und Kämmerin die finanziellen Schäden aus Corona und Ukraine-Krieg. Beide Krisen waren und sind für die Städte mit hohen Kosten verbunden. Im vergangenen Jahr noch konnte man diese finanziellen Schäden isolieren, sprich sie verursachten kein Defizit. Denn zur Wahrheit gehört: Ohne diese Bilanzierungshilfe – so die offizielle Bezeichnung – wäre Gladbeck schon viel eher ins Defizit gerutscht.
Lesen Sie auch
- Fehlende Kita-Plätze. So soll Kinderbetreuung in Gladbeck verbessert werden
- Problemhochhaus. Dieses Projekt macht Kinder an der Steinstraße glücklich
- Polizei. Autounfall: 10 Jahre alter Junge aus Gladbeck angefahren
- Hospizverein Gladbeck. Eine Urne im Garten beisetzten? Infos zum Thema Bestattungen
- Alltagsbewältigung. Selina (13) braucht Assistenzhund – Krankenkasse zahlt nicht
Im Sommer dann hat das Land angekündigt, dass das künftig nicht mehr möglich sein wird. Bis dahin war man im Rathaus noch davon ausgegangen, dass rund 13 bis 14 Millionen Euro auf diese Weise hätten abgezogen werden können, so dass ein ausgeglichener Haushalt womöglich noch über die Darstellung eines globalen Minderaufwands in Höhe von einem Prozent hätte erreicht werden können. Die Gemeindeordnung sieht dieses Mittel vor, um einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen. Im vergangen Jahr hat der damalige Kämmerer Thorsten Bunte auch auf dieses Mittel zurückgegriffen.
Auch die Zinsbelastungen sind größer geworden
All das ist diesmal jedoch nicht möglich, daher steigen die Schulden auch wieder. Zumal die Zinsbelastungen sich erhöht haben, und der Tarifabschluss Gladbeck auch rund 4,9 Millionen Euro kostet. Gleichzeitig sind die Schlüsselzuweisungen gesunken.
Bleibt es bei diesen Voraussetzungen, ist der Handlungsspielraum der Stadt massiv eingeschränkt. Pflichtaufgaben darf sie weiterhin wahrnehmen, doch für jede freiwillige Leistung braucht es eine Genehmigung der Kommunalaufsicht. Das gilt beispielsweise für die verschiedenen Ausgabenposten beim Appeltatenfest. Ob das Fest noch in dem Umfang möglich wäre wie in diesem Jahr, könne man nicht sagen, so die Bürgermeisterin.
Bücherei, Bäder, andere Einrichtungen: Bürgermeisterin lehnt Schließungen ab
Sie machte deutlich, dass man schon jetzt fast nur noch gesetzliche Aufgaben erfülle. Aus eigener Kraft schaffe man die Wende nicht mehr. Schließungen von Stadtbücherei, Bädern oder anderen Einrichtungen lehnt sie ab, sie sehe darin keinen gangbaren Weg, erklärte sie im Vorfeld der Ratssitzung in einem Pressegespräch. Sie verweist auf die schwierige soziale Lage in der Stadt, hebt die Bedeutung der außerschulischen Bildung, wie sie etwa auch eine Bücherei leiste, hervor. „Wir haben ein Recht darauf, auch in Gladbeck gute Lebensverhältnisse zu haben.“
Daher schließt die Bürgermeisterin auch einen weiteren Dreh an der Steuerschraube aus. Mit einem Hebesatz von 950 Punkten liegt Gladbeck da kreisweit schon an der Spitze. Zumal die Kämmerei ausgerechnet hat, dass für einen ausgeglichenen Haushalt ein Hebesatz von 1900 Punkten nötig wäre. Das sei, so Bettina Weist „völlig utopisch“. Stattdessen gelte: „Weitere Steuererhöhungen sind mit mir nicht zu machen.“
Nahezu alle Städte im Land rutschen ins Defizit – in Bottrop fehlen 60 Millionen Euro
Bleibt also nur die Hoffnung auf Hilfe aus Düsseldorf. Beide, Bürgermeisterin wie Kämmerin, haben die Hoffnung, dass sich noch etwas tut. Aber wahrscheinlich nicht in der Form, als dass echtes Geld an die Städte fließt. Silke Ehrbar-Wulfen spekuliert eher darauf, dass es Ähnliches gibt wie eine Bilanzierungshilfe, oder dass die Regeln zur Genehmigung eines Haushalt womöglich geändert würden. Denn Gladbeck steht nicht allein da, nahezu alle Städte im Land rutschen in den Nothaushalt. Im gesamten Kreis Recklinghausen gibt es keine Stadt, die mit ihrem Haushalt nicht ins Defizit rutscht, kreisweit summiert sich das Minus auf 244 Millionen Euro, Bottrop weist ein Defizit von rund 60 Millionen Euro auf, Gelsenkirchen liegt bei rund 37 Millionen Euro.
++ Folgen Sie der WAZ Gladbeck auch auf Facebook! ++
Langfristig helfe nur eine Altschuldenlösung des Landes, die nicht darauf basiert, dass die Städte diese Gelde dann wieder abstottern müssen. Gleichzeitig müsse danach eine auskömmliche Finanzierung der Städte gesichert werden, damit die nicht sofort wieder in die Schuldenspirale geraten. Einen entsprechenden Appell an Bundes- und Landesregierung verabschiedete der Rat dann auch auf Vorschlag der Bürgermeisterin. Darin fordern die Ratsleute unter anderem die „Wiederherstellung einer finanziellen Ausstattung, die den kommunalen Aufgaben angemessen ist“, sowie „die vollständige Übernahme unserer Altschulden“, oder den Abbau bürokratischer Hindernisse. Auch finanzielle und planerische Unterstützung von Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel fordert der Rat.
In den kommenden Wochen beraten die Fraktionen den Haushalt für 2024
Wie es darüber hinaus weiter geht? In den kommenden Wochen haben die Fraktionen nun die Möglichkeit, den Haushalt zu beraten. Doch Spielraum für Wünsche gibt es fast nicht. Es folgt die Beratung in den Fachausschüssen und im Haupt- und Finanzausschuss. In der Dezember-Sitzung des Rates wird dann endgültig über das Zahlenwerk und eventuelle Änderungen abgestimmt.