Duisburg. Der Staake-Abschied ist ein feiger Kompromiss und verhindert Fragen nach dem Pflichtbewusstsein von Kontrolleuren und Kollegen. Ein Kommentar.
Der Duisburger Hafen und sein langjähriges Aushängeschild Erich Staake trennen sich nach einer fast 23-jährigen Ära und einer eskalierten Impfaffäre – ohne sich mehr als nötig weh zu tun. Gesichtswahrung ist das Leitmotiv dieses „Deals“, wie die beteiligten Berater wohl sagen werden. Diese Trennung ist ein feiger Kompromiss, dessen Vorteile für die Beteiligten auf der Hand liegen.
Der allzeit als Erfolgsmanager gefeierte Staake bekommt als Entschädigung für seinen unrühmlichen Abgang seine Ruhe, obwohl all die Gutachter nicht nur auf Selbst- und Großmannssucht sowie schlechten Stil gestoßen waren, sondern auch auf „Dokumentationslücken“ und Compliance-rechtlich fragwürdiges Gebaren. Ob Staake die offenen Fragen zu Bewirtungsbelegen oder den angeblich privaten Reisen auf Hafen-Kosten oder den bei seiner Freundin in Bremen georderten Luftfiltern beantworten konnte?
Hafenchef Erich Staake: Wo war der Aufsichtsrat?
Ruhe, die erhoffen sich die Eigentümer, die Vertreter des Landes und der Stadt, vor allem auch für sich selbst. Die Parteien im Aufsichtsrat, darunter die Arbeitnehmer, wollen sich und dem Hafen weitere Negativ-Schlagzeilen ersparen. An solchen hat auch Hendrik Wüst kein Interesse, der zuständige NRW-Verkehrsminister, der als künftiger Ministerpräsident gehandelt wird. Sicher würde eine juristische Auseinandersetzung obendrein langwierig und teuer, der Ausgang wäre ungewiss.
Sie würde auch immer wieder diese Frage aufwerfen: Wo waren die Aufsichtsräte? Wie pflichtbewusst haben hohe Staatsdiener aus den Düsseldorfer Ministerien und dem Duisburger Rathaus, haben Ratsherren und Duisport-Angestellte den Vorstand ihres öffentlich-rechtlichen Vorzeigeunternehmens kontrolliert?
Diese Frage stellt sich ja sogar beim Blick ins geheime, aber zahme Gutachten der Wirtschaftsprüfer (– obwohl die Deloitte-Juristen dem Hafen-Vorstand ja selbst jahrelang die ordnungsgemäße Geschäftsführung bescheinigten und die Frage nach ihrer Befangenheit nicht abwegig ist):
All die Verträge, die Staake von der Sitzklasse im Flieger bis zum Rund-um-die-Uhr-Fahrdienst auch für den Hund und die Freundin keine genauen Vorschriften machten – diese Verträge müssten Aufsichtsräte von 1998 an doch gekannt haben. Und wie viele der Aufseher gastierten wohl selbst auf den VIP-Plätzen von Staakes Lieblingsverein Borussia Dortmund?
An den Bilanzen hatten die Gesellschafter selten etwas auszusetzen. Und Staake lieferte auch noch eine der ersehnten Erfolgsgeschichten vom Strukturwandel im Ruhrgebiet. Der Ex-RTL-Manager erzählt sie Journalisten von außerhalb ja gefühlt selbst seit Jahren beinahe so oft und gern, wie er dicke Zigarren raucht: Aus der Industriebrache der Krupp-Hüttenwerke haben er und sein Team ein internationales Logistik-Drehkreuz mit tausenden Arbeitsplätzen entwickelt, haben Duisburg als Endpunkt der neuen Seidenstraße auf die Weltkarte gebracht. Diese Story und ihren Helden haben vor Ort etwa die Staake-Kumpel Gerhard Schröder und Sigmar Gabriel gefeiert, sogar Chinas Staatspräsident Xi Jinping war hier.
Hafen-Erfolge neu bemessen
Aber wenn man seinen Job als Aufsicht – gerade in einem staatlichen Unternehmen – ernst nimmt, lässt man auch einen mutmaßlich erfolgreichen Macher nicht unkritisch einfach machen. Es braucht Traute, Widerstandskraft und Kompetenz, einem wie Staake als Spaßbremse auch „kleinliche“ Fragen zu stellen. Und noch abschreckender als blendende Erfolge und gigantisches Selbstbewusstsein der Bosse kann es sein, wenn sich in Aufsichtsräten erstmal ein Laissez-Faire-Stil etabliert hat.
Auch die Unternehmenskultur in den oberen Duisport-Etagen muss hinterfragt werden. Viele der Vorwürfe können nicht nur den Hinweisgebern bekannt gewesen sein. Was wissen Führungskräfte? Was Staakes Vorstandskollegen? Wie haben sie reagiert?
Staakes Nachfolger Markus Bangen – der Wunschkandidat von Stadt und Betriebsrat – ist seit 2009 Staakes Vorstandskollege, als Jurist für Rechts- und Personalfragen, für Regeltreue zuständig. Für Außenstehende ist es zumindest erstaunlich, dass ausgerechnet er garantieren soll, was Stadtdirektor Martin Murrack mit einem Seitenhieb auf Staake jüngst versprach: einen „personellen Neubeginn“, ein „modernes Management-Verständnis“, das auf „Compliance und Wertschätzung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Wert“ legt.
So geht mit Staake auch einer der letzten Bosse vom alten Schlag, die ungern Rücksicht nehmen. Ein guter Anlass für die staatlichen Eigentümer und die Politik, den – unbestrittenen – Erfolg des Hafens kritischer zu begleiten und nicht nur an (oft prekären) neuen Jobs und Bilanzkennzahlen zu bemessen. Bei den Kosten-Nutzen-Analysen vor Expansionsvorhaben sollten etwa die gravierenden Auswirkungen der Logistik-Drehscheibe auf die Lebensqualität der Duisburger und das Stadtbild stärker berücksichtigt werden. Gewissenhaftigkeit ist nicht zuletzt bei den Hafen-Geschäften im Ausland Pflicht: Seit 2018 macht Duisport nicht mehr nur Geschäfte mit China, sondern auch mit Belarus.
Berichterstattung über die Impfaffäre und die Folgen
■ Hafen Duisburg und Erich Staake trennen sich vorzeitig (25.6.)
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■ SPD: Staake und Hellmich feierten Impfung auf Hafen-Kosten (11.6.)
■ Hafen Duisburg: Nachfolger von Erich Staake gefunden (8.6.)
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■ Impfaffäre: KV sieht Schuld beim Heim – Anzeige gegen Arzt (23.4.)
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