Duisburg. Nach der Impfaffäre belastet ein geheimes Gutachten Hafenchef Staake. Es geht auch um Geschäfte mit einer Freundin und viel Geld für Poseidon.

Der Aufsichtsrat der Hafen AG trifft sich am Dienstag erneut zu einer außerordentlichen Sitzung. Der Vorsitzende Dr. Hendrik Schulte, Staatssekretär im NRW-Verkehrsministerium von Minister Hendrik Wüst (CDU), wird dem Kontrollgremium dem Vernehmen nach vorschlagen, wer neuer Hafenchef werden soll. Erich Staake (67) geht Ende November nach 22 Jahren an der Spitze des Unternehmens in Rente. Thema werden wohl auch neue Vorwürfe gegen Staake sein, er habe sich als Vorstandschef unberechtigt Vorteile verschafft: Ein Gutachten, das unserer Redaktion vorliegt, belastet ihn in mehreren Punkten, entlastet ihn in anderen. Bei den Anschuldigungen geht es – unter anderem – um First-Class-Flüge mit seiner Ehefrau und Aufträge an eine Freundin, um Bewirtungsbelege und BVB-Logenplätze, aber auch um Millionenausgaben für die 300-Jahr-Feier des Hafens.

VIP-Plätze und Werbung: Das zahlt der Hafen Duisburg dem BVB (4.6.)
Staake: Fragen zu First-Class-Flügen, hohen Spesen und Wein (4.6.)

Zur Erinnerung: Am 20. Mai hatte Aufsichtsratschef Schulte das Ergebnis einer ersten „Sonderprüfung“ durch Juristen mitgeteilt. Demnach gebe es allein wegen der Impfdrängelei Staakes im Januar keine gesellschafts- und dienstvertragsrechtliche Grundlage, den Manager zu entlassen. Für ein zweites Gutachten haben Arbeitsrechtler zu einer Liste anonym vorgebrachter Vorwürfe gegen Staake recherchiert und diesen zu einzelnen Punkten befragt.

Logenplätze für BVB-Fan Erich Staake zweckmäßig und regelkonform?

Erich Staake selbst möchte sich auf Anfrage unserer Redaktion nicht zu den Vorwürfen äußern. Sein Anwalt antwortet, es sei „im Verfahren Stillschweigen erbeten und vereinbart“ worden. „Zur Sache nur so viel: Die von Ihnen wiedergegebenen Vorwürfe entbehren jeder Substanz.“ Gegenüber einem Reporter der Rheinischen Post (RP) hatte Staake gleichwohl für einen Pressebericht zu einzelnen Vorwürfen Stellung bezogen.

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Nachgegangen sind den Anschuldigungen im Auftrag des Aufsichtsrates nicht unabhängige staatliche Prüfer. Stattdessen bezahlt Duisport dafür die Deloitte GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Die Düsseldorfer Berater betreuen im Auftrag des Hafens auch die Buchführung des Unternehmens, das zu zwei Dritteln dem Land NRW und zu einem Drittel der Stadt Duisburg gehört.

Aufsichtsratschef Dr. Hendrik Schulte (links), Staatssekretär von NRW-Verkehrsminister Hendrik Wüst (hier 2018). Der Hafen Duisburg gehört zu zwei Dritteln dem Land NRW.
Aufsichtsratschef Dr. Hendrik Schulte (links), Staatssekretär von NRW-Verkehrsminister Hendrik Wüst (hier 2018). Der Hafen Duisburg gehört zu zwei Dritteln dem Land NRW. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Die 20-tägige „Sachverhaltsklärung“ in Düsseldorf beschränkte sich auf die Auswertung von „Dokumenten und Nachweisen des internen Belegwesens“ aus den Jahren 2020 und 2021. Die „wesentlichen Ansprechpartner“ waren dafür beim Hafen der Hauptabteilungsleiter Finanzen & IT, Peter Trapp, und der für Compliance Verantwortliche Christian Negele.

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Wie die Berater in ihrem 16-seitigen Gutachten schreiben, können sie mehrere Vorwürfe „nicht bestätigen“, sie empfehlen – auch wegen „Dokumentationslücken“ – mehrmals die Verbesserung innerbetriebliche Prozesse, aber auch „interne Prüfungen“. So solle zum Beispiel geklärt werden, ob die Kosten für vier Logenplätze im Stadion von Borussia Dortmund geschäftlich zweckmäßig und Compliance-rechtlich in Ordnung sind. Staake gilt als BVB-Fan.

Hafen kaufte 300 Luftfilter bei einer Freundin Staakes

Zu mehreren Punkten jedoch haben die Juristen Staake auch befragt. Das sind drei der untersuchten Vorgänge, bei denen Unregelmäßigkeiten aufgefallen sind:

Erstens: Eine Bestellung von 300 Luftfilteranlagen verstieß gegen die Einkaufsrichtlinien des Hafens. Staake persönlich soll Mitarbeiter beauftragt haben, die Geräte direkt bei dem Bremer Unternehmen zu ordern, dessen Inhaberin eine nahe Bekannte des Hafenchefs ist. Es handelt sich um die Frau, die wie Staake, Walter Hellmich und dessen Ehefrau am 13. Januar im Nebenraum eines Duisburger Seniorenstifts unberechtigt geimpft wurde. Ihre Firma stattet normalerweise Steuerberater mit Bürotechnik aus. Der Hafen orderte im Oktober 100 Geräte für 41.807,50 Euro, im März 200 für 81.200 Euro netto.

Die Einkaufsrichtlinie schreibt für Auftragswerte bis 100.000 Euro vor, dass Duisport vorab mindestens zwei Angebote einholen muss. Den Prüfern konnten jedoch „keine Unterlagen vorgelegt werden, die nachweisen, dass zum Zeitpunkt der jeweiligen Bestellung zwei Vergleichsangebote vorgelegen haben“. Die RP zitiert Staake dazu so: „Meines Wissens nach wurden mindestens zwei Angebote eingeholt. Falls da Unterlagen verschwunden sind, muss das aufgeklärt werden. Ich finde das sehr ärgerlich.“

VIP-Plätze und Werbung- Das zahlt der Hafen Duisburg dem BVBZudem wären die Geräte 15 bis 20 Prozent günstiger erhältlich gewesen. Die Bestellung soll zwar laut Schriftverkehr „auf Wunsch von Herrn Staake“ erfolgt sein, die Gutachter sehen jedoch „eine direkte Beteiligung von Erich Staake an dem Bestellvorgang nicht dokumentiert“, und der gezahlte Preis sei „marktüblich“. Dennoch hätte der Hafen durch Vergleichsangebote Preisvorteile erzielen können. Die Berater empfehlen „Mitarbeiterschulungen“.

Wusste der Aufsichtsrat von 700.000 Euro für Poseidon?

Zweitens: Eine Befragung Staakes empfiehlt Deloitte zu dem Vorwurf, er sei auf Kosten des Hafens mit seiner Ehefrau First Class nach Fernost geflogen, ein anderes Mal mit der Bremer Freundin nach Rom. Deloitte bilanziert: „Zusammenfassend stellen wir fest, dass die von uns gesichteten Reisekostenabrechnungen darauf hinweisen, dass Erich Staake Reisen durchgeführt hat, die auch privaten Zwecken gedient haben könnten.“ (>> zum ausführlichen Bericht)

Drittens: Es soll wegen unvollständiger Unterlagen geklärt werden, „in welchem Rahmen und wann die Duisport-Gremien über die tatsächlich angefallenen Kosten des Hafenjubiläums inklusive Lüpertz-Skulptur“ von Staake informiert wurden. Für die pompöse 300-Jahr-Feierlichkeiten 2016 gab der Hafen gemäß einer Kostenaufstellung mehr als zwei Millionen Euro aus, obendrein 698.000 Euro netto für die Skulptur „Das Echo des Poseidon“ des Künstlers Markus Lüpertz auf der Mercatorinsel.

Macht zusammen mehr als 2,7 Millionen Euro. In einer Aufsichtsratssitzung Ende 2015 soll Staake laut Protokoll Gesamtkosten in Höhe von „nur“ 1,5 Millionen Euro für das Jubiläum angekündigt haben. Duisport selbst plante intern offenbar mit 1,2 Millionen. Und in keiner dieser weit übertroffenen Summen waren laut Untersuchung die Kosten für den riesigen Meeresgott am Fluss enthalten. Die Prüfer fanden außerdem keine Belege dafür, dass der Aufsichtsrat Details und Kosten des Kunstkaufs überhaupt kannte und genehmigte. Staake und Lüpertz besiegelten den Auftrag seinerzeit per Handschlag.

>> STAATSANWALTSCHAFT PRÜFT ANFANGSVERDACHT

■ Die Staatsanwaltschaft Duisburg prüft nach mehreren Strafanzeigen weiterhin, ob ein Anfangsverdacht vorliegt und ermittelt wird. Mehrere Anzeigenerstatter werfen Staake Unterschlagung und Bestechung vor (wir berichteten).

■ Der ehemalige kaufmännische RTL-Chef Staake ist selbst Aufsichtsratsvorsitzender – der Mitteldeutschen Flughafen AG –, darüber hinaus seit Jahren belgischer Honorarkonsul. Eines seiner weiteren Mandate: Er ist Mitglied im Wirtschaftsbeirat der Deutsche Bank AG.

Berichterstattung über die Duisburger Impf-Affäre:

VIP-Plätze und Werbung: Das zahlt der Hafen Duisburg dem BVB (4.6.)
Staake: Fragen zu First-Class-Flügen, hohen Spesen und Wein (4.6.)
Impfaffäre eine Spendenaffäre? Anfrage zum Hafen im Landtag (22.5.)
Duisburger Hafen: Keine Entlassung des Impfdränglers Staake (20.5..)
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