Bottrop. Im Vergleich zu Ela kam Kyrill 2007 mit Ankündigung, der Pfingststurm 2014 fast aus dem Nichts. Er schlug Schneisen, sorgte für Chaos.

Eine Sturmwarnung hat es gegeben für das Pfingstfest vor zehn Jahren. Was aber dann in den Abendstunden des 9. Juni 2014 über Bottrop, etwa ab 21.30 Uhr, hereinbricht, kann mit Fug und Recht als das wohl schlimmste Naturereignis bezeichnet werden, das die Stadt je getroffen hat. Ein Wunder, dass niemand dabei verletzt wurde oder starb. Schon wenige Tage später allerdings beziffert der damalige Kämmerer Willi Loeven den Schaden allein für den städtischen Haushalt auf gut 4,2 Millionen Euro.

Bereits in der Nacht vom 9. auf den 10. Juni sind gut 250 Einsatzkräfte von Feuerwehr und Technischem Hilfswerk (THW) im Einsatz. Rund 3000 Notrufe aus dem gesamten Stadtgebiet müssen erst einmal bewältigt werden. Einsatzstunden? Tausende, so die Feuerwehr damals. „Stimmt“, sagt Feuerwehrsprecher Michael Duckheim, der zu der Zeit gerade Brandoberinspektor ist.

Der Pfingststurm Ela brach von Süden kommend in kürzester Zeit über Bottrop herein. Der Essener WAZ-Leser Tobi Menzel fotografierte damals die bedrohlich wirkenden Wolkenformationen im Borbecker Bereich. So sah es kurz darauf auch in Bottrop aus.
Der Pfingststurm Ela brach von Süden kommend in kürzester Zeit über Bottrop herein. Der Essener WAZ-Leser Tobi Menzel fotografierte damals die bedrohlich wirkenden Wolkenformationen im Borbecker Bereich. So sah es kurz darauf auch in Bottrop aus. © Tobi Menzel | Tobi Menzel

Als es losgeht, ist Duckheim noch auf der Wache. „Wir sahen von Süden eine schwarze Wolke herankommen, alles ging unglaublich schnell, ohne Vorwarnung. Was dann kam, hatte ich bis dahin nicht und auch danach nie wieder erlebt, ältere Kollegen auch nicht. Das war Ela.“ Der erste Notruf sei kurz darauf aus Grafenwald gekommen, ein Blitzeinschlag. „Dann folgte die Aspelstraße in Welheim, ein Baum war auf ein Haus gestürzt, was dann kam, weiß ich nicht mehr genau, es ging Schlag auf Schlag“, so der Feuerwehrmann, der schon als Jugendlicher bei der Freiwilligen Wehr arbeitete.

Sturmböen mit bis zu 140 Kilometer pro Stunde rasen 2014 von Essen auf Bottrop zu

Hunderte von Bäumen hat der Sturm entwurzelt oder zerstört. Dächer werden abgedeckt, Autos zerstört. Besonders schwer getroffen hat es die historische Gartenstadt Welheim und den denkmalgeschützten Stadtgarten. Der Bottroper Norden kommt im Gegensatz zu Kyrill sieben Jahre zuvor glimpflicher davon. Im Süden und der Mitte tobt es besonders heftig. Über Essen ist es damals noch schlimmer: Sturmböen mit bis zu 140 Kilometer pro Stunde rasen über die Nachbarstadt, auch Richtung Bottrop.

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Der damals zuständige Dezernent Paul Ketzer und Feuerwehrchef Kim Heimann überlegen sogar kurzzeitig, ob Welheim nicht komplett evakuiert werden sollte. So weit kommt es dann doch nicht. Dennoch erkennen die Bewohner Welheims ihren Stadtteil am nächsten Morgen nicht mehr wieder. Uralte Bäume, die sonst jedem Wetter getrotzt hatten, sind umgestürzt, blockieren Wege und Straßen. Welheim ist bis Ende des Monats Sperrzone. Nur Anwohner dürfen zu oder aus ihren Häusern. Ein Wunder, dass niemand bei dem Chaos ums Leben kommt.

Monatelang fanden nach Ela 2014 Arbeiten in Welheim statt. Hier werden alten Bäume an der Gungstraße beseitigt. Viele, die den Sturm überlebt hatte, waren nicht mehr standsicher.
Monatelang fanden nach Ela 2014 Arbeiten in Welheim statt. Hier werden alten Bäume an der Gungstraße beseitigt. Viele, die den Sturm überlebt hatte, waren nicht mehr standsicher. © Bottrop | Michael Korte

Selbst bei alten Bäumen, die den Sturm überstanden hatten, überlegt man, diese zu fällen. So will man später für neuen Baumbestand in einheitlicher Pflanzung Platz machen. Vorrang haben aber natürlich die akuten Notfälle, deren Koordination über die Feuerwache 1 erfolgt. Nur: Die Helfenden selbst kommen zumeist kaum durch die versperrten Straßen und müssen lange Umwege fahren.

Bottroper Feuerwehrleute während Ela 17 Stunden pausenlos im Dauereinsatz

Als am Dienstag Feuerwehrkräfte aus dem Kreis Borken zur Unterstützung kommen, haben die Bottroper bereits 17 Stunden Dauereinsatz hinter sich – und das bei schwül-warmem Wetter. Ab 19 Uhr übernehmen die Bottroper Feuerwehrleute dann wieder komplett die Arbeiten.

Der Stadtgarten samt Torbogenhaus nach Ela: Wie ein Trümmerfeld.
Der Stadtgarten samt Torbogenhaus nach Ela: Wie ein Trümmerfeld. © Winfried Labus/WAZ-FotoPool | Winfried Labus

Schwer trifft es den Stadtgarten. Nicht nur der historische Baumbestand wird deutlich dezimiert, auch das denkmalgeschützte Torhaus an der Parkstraße teilweise zerstört. Ein umgestürzter Baum zerdrückt das markante Walmdach. Zum Glück bleibt die Statik des Gebäudes unberührt, sodass später „nur“ Obergeschoss und Dach erneuert werden müssen.

Fotostrecke Ela Bottrop

Der Pfingststurm Ela hat vor allem in Bottrop-Welheim gewütet. Wenige Tage später begann die Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien, bei der Deutschland den Titel gewann.
Der Pfingststurm Ela hat vor allem in Bottrop-Welheim gewütet. Wenige Tage später begann die Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien, bei der Deutschland den Titel gewann. © Feuerwehr Bottrop | Holger Frischmuth
Verwüstung in der Nacht: Der Pfingststurm Ela zog gegen 21 Uhr über Düsseldorf und anschließend über das Ruhrgebiet.
Verwüstung in der Nacht: Der Pfingststurm Ela zog gegen 21 Uhr über Düsseldorf und anschließend über das Ruhrgebiet.
Auf der Aegidistraße und Horster Straße fielen Bäume um.
Auf der Aegidistraße und Horster Straße fielen Bäume um.
Teilweise wurden in Bottrop auch Häuser massiv beschädigt. Das Ausmaß der Verwüstung war am nächsten Tag zu erkennen.
Teilweise wurden in Bottrop auch Häuser massiv beschädigt. Das Ausmaß der Verwüstung war am nächsten Tag zu erkennen. © Holger Frischmuth
Der Sturm riss auch schwere, hochgewachsene Bäume um und hat hier sogar die Grasnarbe hochgehoben.
Der Sturm riss auch schwere, hochgewachsene Bäume um und hat hier sogar die Grasnarbe hochgehoben.
Die Feuerwehr fuhr in der Nacht und den Folgetagen Dauereinsätze.
Die Feuerwehr fuhr in der Nacht und den Folgetagen Dauereinsätze.
Auf der Borbecker Straße riss der Sturm die gesamte Straßenbeleuchtung und die Laternen herunter.
Auf der Borbecker Straße riss der Sturm die gesamte Straßenbeleuchtung und die Laternen herunter. © David Schraven
Auch an der Roonstraße ist ein Baum auf ein Haus gestürzt.
Auch an der Roonstraße ist ein Baum auf ein Haus gestürzt. © Matthias Düngelhoff
Die größte Verwüstung richtete Ela im Bottroper Süden an, wie hier in der Gartenstadt Welheim. In der Nachbarstadt Essen waren die Ausmaße der Zerstörung noch größer.
Die größte Verwüstung richtete Ela im Bottroper Süden an, wie hier in der Gartenstadt Welheim. In der Nachbarstadt Essen waren die Ausmaße der Zerstörung noch größer. © Feuerwehr Bottrop
Hunderte Hilfskräfte waren nach dem Pfingststurm im Einsatz. Auch das Technische Hilfswerk hat unterstützt – hier mit schwerem Gerät in Welheim.
Hunderte Hilfskräfte waren nach dem Pfingststurm im Einsatz. Auch das Technische Hilfswerk hat unterstützt – hier mit schwerem Gerät in Welheim. © Fremdbild
Mehr als 3000 Notrufe sind in der Nacht von Montag auf Dienstag bei der Feuerwehr Bottrop eingegangen.
Mehr als 3000 Notrufe sind in der Nacht von Montag auf Dienstag bei der Feuerwehr Bottrop eingegangen. © WAZ FotoPool | Thomas Goedde
Umgestürzte Bäume und zerstörte Autos gehörten zum Stadtbild.
Umgestürzte Bäume und zerstörte Autos gehörten zum Stadtbild. © WAZ FotoPool | Thomas Goedde
Die Straßen des Ortsteils Welheim waren noch Tage nach dem Sturm gesperrt.
Die Straßen des Ortsteils Welheim waren noch Tage nach dem Sturm gesperrt. © WAZ FotoPool | Thomas Goedde
Andere Bereiche in Welheim waren versehen mit dem Hinweis „Auf eigene Gefahr“ – und nur für Anlieger zu befahren.
Andere Bereiche in Welheim waren versehen mit dem Hinweis „Auf eigene Gefahr“ – und nur für Anlieger zu befahren. © WAZ FotoPool | Thomas Goedde
Hier ein Bild vom 12. Juni, drei Tage nach Ela: Noch längst waren nicht alle Schäden beseitigt.
Hier ein Bild vom 12. Juni, drei Tage nach Ela: Noch längst waren nicht alle Schäden beseitigt. © WAZ FotoPool | Thomas Goedde
Massiven Schaden richtete der Sturm bei diesem Auto an.
Massiven Schaden richtete der Sturm bei diesem Auto an. © WAZ FotoPool | Thomas Goedde
Es ist von einem Baum völlig zerstört worden. Im Hintergrund sieht man das zersägte Holz.
Es ist von einem Baum völlig zerstört worden. Im Hintergrund sieht man das zersägte Holz. © WAZ FotoPool | Thomas Goedde
Der Zugang zum Tetraeder am 10. Juni: Bei strahlendem Sonnenschein wurden die Ausmaße des Sturms Ela deutlich.
Der Zugang zum Tetraeder am 10. Juni: Bei strahlendem Sonnenschein wurden die Ausmaße des Sturms Ela deutlich. © Bottrop | Michael Korte
Sogar ein riesiger Baum fiel dem Sturm zum Opfer.
Sogar ein riesiger Baum fiel dem Sturm zum Opfer. © Bottrop | Michael Korte
Die Aegidistraße am Tag nach Ela. Im Rheinland und Ruhrgebiet hat der Sturm übrigens 60.000 Kubikmeter Schadholz verursacht.
Die Aegidistraße am Tag nach Ela. Im Rheinland und Ruhrgebiet hat der Sturm übrigens 60.000 Kubikmeter Schadholz verursacht. © Bottrop | Michael Korte
So schnell es möglich war, ist das Holz zersägt worden, um die Straßen von den umgefallenen Bäumen zu befreien.
So schnell es möglich war, ist das Holz zersägt worden, um die Straßen von den umgefallenen Bäumen zu befreien. © Bottrop | Michael Korte
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Wie in Welheim, wo selbst Jahre nach Ela noch Hunderte Straßenbäume nachgepflanzt werden müssen, bekommt auch der Randebrock ein völlig anderes „Gesicht“. Das Wäldchen zwischen Stadtgarten, Marienhospital und Wohnbebauung ist verschwunden, wie abgeholzt. Viele Privathäuser werden stark in Mitleidenschaft gezogen, Dächer teilweise zerstört, Fenster eingedrückt, Gärten verwüstet. Gebäude der Stadt bleiben dagegen beinahe wundersam verschont. Neben dem Torhaus zum Stadtgarten wird lediglich das Dach des Spielraums an der Prosperstraße beschädigt, vom Kulturzentrum stürzen einige Dachziegel herab.

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Am Morgen danach: Verkehrschaos im gesamten Ruhrgebiet. Feuerwehrmann kommt per Rad zur Wache

Am Morgen danach bricht ein Verkehrschaos im gesamten Ruhrgebiet aus, auch in Bottrop. Die Hauptverkehrsachsen sind zumeist gesperrt. Michael Duckheim kommt per Rad von Grafenwald über Schleichwege zur Hauptwache. „Die Hindernisse konnte ich so umfahren, ab der A2 wurde es immer schlimmer, daher kamen auch die Borkener Kollegen nur langsam und über Umwege durch.“ Die Eisenbahnunterführung an der Essener Straße war wie ein großer Teich. Tausende kommen zu spät oder gar nicht zur Arbeit.

Noch im Oktober 2014, vier Monate nach Ela, türmen sich Überreste des Sturms in Welheim, wie hier vor der Kirche St. Franziskus.
Noch im Oktober 2014, vier Monate nach Ela, türmen sich Überreste des Sturms in Welheim, wie hier vor der Kirche St. Franziskus. © WAZ FotoPool | Tim Schulze

Die Überreste des Sturms liegen noch Monate später in der Stadt sichtbar aufgetürmt herum. Die Folgen für den Baumbestand sind bis heute sichtbar, trotz vieler Neupflanzungen. Das eigentlich Pfingstwunder trotz allem: Kein Mensch hat durch den Sturm sein Leben verloren oder wurde schwer verletzt. Das erstaunt auch Michael Duckheim bis heute.

Verheerende Spuren: Einsatzkräfte leisten in Rekordzeit in Bottrop 4.500 Arbeitsstunden

Oberbürgermeister Bernd Tischler, der damals bereits im Amt ist, erinnert sich: „Pfingststurm Ela hat 2014 verheerende Spuren bei uns hinterlassen. Und den Menschen in der Stadt, den Einsatzkräften und uns allen viel abverlangt.“ Er erinnert an die 4500 geleisteten Einsatzstunden von Feuerwehr und allen Helferinnen und Helfern und betont: „In der Situation hat sich aber gezeigt, wie gut die Menschen hier zusammen halten und sich gegenseitig unterstützen“.

Was hat sich durch Ela verändert bei der Feuerwehr? Das System habe funktioniert. „Zum Glück hatten wir damals auch noch die alte Drehleiter zusätzlich im Einsatz“, erinnert sich Michael Duckheim. Den kleinen Teleskoplader habe man nach Ela neu angeschafft, um eben auch schneller die Straßen freizubekommen. Und: „Ich glaube, wir würden heute nicht mehr so früh mit Kettensägen in Wald- oder Parkflächen gehen, da ist oft noch zu viel Spannung im Holzbestand, das kann gefährlich sein. Aber das hatten wir teilweise schon von „Kyrill“ gelernt.“