Bottrop. Inflation, hohe Zinsen: 2023 war schwierig. Manche Läden schlossen aus wirtschaftlichen, andere aus privaten Gründen. Aber es gab auch Neustarts.

Ob es nun Traditionsgeschäfte oder eher Läden mit Nischenprodukten waren, die das Jahr 2023 nicht überlebt haben, spielt eigentlich keine Rolle. Zumindest gefühlt hat Bottrop im zu Ende gehenden Jahr einen Aderlass an inhabergeführten Geschäften oder Gastronomiebetrieben erlebt. Manches schien vorhersehbar, anderes kam überraschend. Vieles hinterlässt aber eine Lücke, die nicht immer durch Neueröffnungen, die es ebenfalls gab, geschlossen werden konnte.

Die Insolvenz des Schuhhauses Klauser-Salamander und die damit verbundene Schließung der Klauser-Filiale hat in der City für viele eine Lücke gerissen. Das Ladenlokal am Traditionsstandort Altmarkt steht leer. Viele erinnern sich an den Vorgänger Schuhhaus Böhmer, das seit den 60er Jahren in dem markanten Flachbau ansässig war. Die legendäre Rutsche für Kinder gab es zwar schon lange nicht mehr, die Schuhadresse war bis 2023 aber ein Anlaufpunkt.

Das leere Ladenlokal des Schuhhauses Klauser (vormals Böhmer) am Altmarkt in Bottrops Innenstadt.
Das leere Ladenlokal des Schuhhauses Klauser (vormals Böhmer) am Altmarkt in Bottrops Innenstadt. © WAZ

Auf eine weitaus kürzere Historie hatte dagegen Alt-Bottrops einziger Bio-Supermarkt Bukes an der Böckenhoffstraße. Aber auch dort reichte laut der früheren Inhaberinnen Barbara und Karin Bukes der Umsatz nicht mehr, um dieses Geschäft trotz seines beliebten Bistros weiterhin profitabel zu betreiben. Eine auf genossenschaftlicher Basis operierende Neueröffnung dieses Bio-Standorts war geplant.

Es hatte sogar Einlage-Zusagen einer dreistelligen Zahl von Bottroperinnen und Bottropern gegeben, um dort einen ähnlich aufgestellten Laden zu betreiben. Die Einlagen-Prognose hatte sich auf rund 100.000 Euro belaufen. Wie vor einigen Tagen bekannt wurde, ist es der Bottroper Bio-Initiative aber nicht gelungen, den für die Genossenschaft notwendigen Vorstand zu bilden. Außerdem kamen Zweifel an der langfristigen Finanzierbarkeit des Projekts auf. Die speisten sich nicht zuletzt durch Schließungsnachrichten von Bioläden in Nachbarstädten oder auch Nischenläden wie Just VGN in Bottrop.

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Das Ende dieses einzigen veganen Marktes in Bottrop und Umgebung an der Hochstraße kam buchstäblich wie aus heiterem Himmel, hatten doch Betreiber Stefan Wollenberg und Julia Kubik ihren zuvor durch das Sofortprogramm Innenstadt geförderten Mietvertrag in eine reguläre Mietvereinbarung überführen wollen. Ähnlich wie bei Bio-Bukes argumentierten beide: Die Umsätze hätten nicht gereicht. Sie sprachen sogar von einer „Perspektivlosigkeit in Bottrop“.

Bis vor kurzem war Bottrop mit drei Buchläden in der Innenstadt vergleichsweise gut aufgestellt. In diesem Jahr hat die traditionsreiche Buchhandlung Erlenlämper nach dem überraschenden Tod des Inhabers und Buchhändlers aus Leidenschaft, Ralf Becker, ihren Betrieb eingestellt. Diese Branche ist nun in Bottrops Innenstadt noch durch die Mayersche und die Humboldt-Buchhandlung vertreten.

Ebenfalls in der Innenstadt, an der Essener Straße, war der ABC-Schuhmarkt über 40 Jahre zu Hause. Dort gibt es nun keine Schuhe mehr, dafür zieht eine Zoohandel- und Tierbedarf-Kette ein. Auch in Kirchhellen gibt ein Fachhändler auf. Nach gut 15 Jahren an der Hauptstraße verkündet Christian Schmieding das Ende seines Fotogeschäfts. Sein Fazit: Das Geschäft lohne sich nicht mehr. Aber als Fotograf für besondere Anlässe bleibe er Kirchhellen erhalten.

Natali Dujunov in ihrem neuen Geschäft „Luxury Agent“ an der Gladbecker Straße 211. Zum Online-Shop für Second-Hand-Luxus-Artikel wollte Dujunov nun auch einen stationären Ableger.
Natali Dujunov in ihrem neuen Geschäft „Luxury Agent“ an der Gladbecker Straße 211. Zum Online-Shop für Second-Hand-Luxus-Artikel wollte Dujunov nun auch einen stationären Ableger. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Einen ungewöhnlichen Neuanfang gibt es in Bottrop an der Gladbecker Straße 211: Dort hat Natali Dujunov ihr Geschäft „Luxury Agent“ eröffnet. Was vorher bereits als Online-Shop gut lief, möchte sie nun auch analog mit persönlicher Kontaktmöglichkeit verkaufen und Kundinnen wie Kunden die Möglichkeit geben, die Luxusmarken aus zweiter Hand direkt vor Ort in Augenschein und in die Hand zu nehmen. Die Markenprodukte, die sie auf dem Eigen als Second-Hand-Ware verkauft, lesen sich wie das Who-is-Who einer Label-Gala an diversen Luxusmeilen: Chanel, Versace, Gucci und Co. Natali Dujunovs Ansatz: „Bottrop verträgt mehr Luxus.“

Auch im Gastronomiebereich hat es einige schmerzhafte Verluste gegeben. Mit dem Forsthaus Specht hat das wohl traditionsreichste Bottroper Lokal - bis auf Weiteres - geschlossen. Nicht, dass die romantisch am Waldrand gelegene Einkehr, in der es sich Generationen von Bottropern haben gut gehen lassen, wo Familienfeiern stattfanden, Firmen gerne einluden und sich zuletzt auch Paare das Jawort geben konnten, sich nicht mehr rentiert hätte. Im Fall der Eigentümerfamilie Lenko war es eine am Ende tödlich verlaufende Krankheit von Inhaber Christoph Lenko, die die Schließung unumgänglich machte. Einem zügigen Verkauf der Immobilie steht nach Angaben der Eigetümer-Familie bislang noch der Insolvenzverwalter im Wege.

Auch die Schließung von „Bellas Gourmet-Bistro“ an der Gastromeile Gladbecker Straße in der City hatte mehrere Gründe, unter anderem gravierende und von den Eigentümern der Immobilie nicht behobene Wasserschäden im Keller- und Lagerbereich. Gern hätte Isabell Aberfeld dort die Tradition des bekannten Fischhändler-Urgesteins Hans Krichel plus Gastronomie dort fortgesetzt. „Aber nicht unter solchen Bedingungen“, wie sie der WAZ vor einigen Monaten sagte.

Bottrops Neueröffnungen finden zumeist an bereits etablierten Gastro-Orten statt

Andere Gastro-Adressen haben einen mehr oder weniger konsequenten Face-Lift bekommen und sind mit neuem Konzept und neuen Inhabern an den Start gegangen. Allen voran das Bistro im Filmforum, Bottrops einzigem Kino, das vor gut 30 Jahren ins damals neue Kulturzentrum gezogen ist. „Kurz vorm Kino“ nennt Melanie Kurz-Meusel ihr Lokal, das sich nach der Renovierung in völlig neuem Look präsentiert. Dabei setzt die gebürtige Österreicherin, die selbst aus einer Gastwirtsfamilie stammt, vor allem auch bei Getränken auf die kulinarische Seite ihrer Heimat.

Ibrahim Kabakci (links) und Ilhan Durdu öffnen das Vereinsheim des TC Waldhof am Quellenbusch in Bottrop als Gastronomie unter dem Namen „Déjà-vu“. Das Konzept erinnert an Durdus früheres Café Corretto in der City.
Ibrahim Kabakci (links) und Ilhan Durdu öffnen das Vereinsheim des TC Waldhof am Quellenbusch in Bottrop als Gastronomie unter dem Namen „Déjà-vu“. Das Konzept erinnert an Durdus früheres Café Corretto in der City. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Ebenfalls eine grundlegende Umgestaltung hat das ehemalige Café Corretto an der Gladbecker Straße erfahren. Als „Mio 1889“ hat Mario Grube dem beliebten Lokal an der Gastromeile ein neues Gesicht und ein verändertes Konzept verpasst. Der vorherige Inhaber, Ilhan Durdu, hat sich dagegen mit dem Betreiber des traditionsreichen Café Bernsmann aus der Boy zusammengetan. Unter dem neuen Namen „Déjà-vu“ haben sie die Vereinsgastronomie des Tennisclubs Waldhof am Quellenbusch übernommen. Dort wollen sie das Corretto-Konzept weiterführen und verstärkt auch Nichtmitglieder für das Vereinshaus erwärmen.

Ebenfalls unter neuen Namen, aber am alten Ort haben Nicolai Franck sein „Café Ivy“ an der Gladbecker Straße 12 (vorher: Golden Café) und Sophian Kadi die Kneipe „Sophian`s Eck“ (früher Alte Stuben) am Lamperfeld eröffnet. Ein letzter Blick dieses sicherlich nicht ganz vollständigen Überblicks führt wieder in den Norden: Das beliebte „Lennox“ von Schlagerparty-Star Ina Colada hat nach kurzer Schließung unter Julia Eberlin und Christian Sold als „Kirchhellener Weinlounge“ am Breuker-Platz wieder eröffnet.

Als gutes Ende einerFlüchtlingsgeschichte kann man die Eröffnung des Sushi-Imbisses von Anastasia und Avetik Avetikiyan betrachten. Die Ukrainerin, die bei einem japanischen Koch in Düsseldorf lernte, und ihr Ehemann aus Armenien, haben das „Midori“ im ehemaligen „Ana‘s Lädchen“ und dem früheren Bäckerladen Terwellen im Ortskern von Grafenwald eröffnet. Wo es bislang nur Sushi- und andere asiatische Kreationen zum Mitnehmen und per Lieferservice gibt, soll im Januar auch ein kleines angeschlossenes Restaurant eröffnen.