Gladbeck. Mitglieder des Gladbecker Vereins stehen Schwerstkranken und Angehörigen mit Rat, Tat und Gesprächen bei. Koordinatorin Beate Letzel berichtet.

Über Sterben und Tod reden? Bloß nicht! Wer macht das denn schon? Beate Letzel vom Hospiz-Verein Gladbeck! Aus guten Gründen. Und beim Sprechen belassen es die Aktiven des Vereins nicht. Sie engagieren sich mit Leib und Seele. Der Ambulante Hospizdienst ist einer der Kandidaten für den Ehrenamtspreis 2024. Beate Letzel erklärt, womit er punkten will.

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Die 62-Jährige ist gelernte Krankenschwester, hat auf der Intensivstation des Gladbecker St.-Barbara-Hospitals gearbeitet. Da sollte man, so hart es sich anhört, meinen, dass Letzel schon von Berufs wegen mit Sterben und Tod umgehen kann – weil sie es schlichtweg musste. Doch die leitende Koordinatorin des Hospiz-Vereins Gladbeck sagt: „Im Krankenhaus gab es keine Kurse zur Sterbebegleitung.“ Sie habe „das Glück gehabt, dass mich eine Ordensschwester an die Hand genommen hat“. Sie habe Letzel mit ans Sterbebett der Menschen genommen. „Wir haben auch gemeinsam gebetet“, erzählt die gläubige Katholikin. Wobei das keineswegs ein zentraler Gesichtspunkt sei. Denn: Spiritualität sei für jeden Menschen etwas anderes, die Bedürfnisse in solchen Stunden und Tagen, aber auch in der Zeit davor, seien sehr unterschiedlich.

„Sterbebegleitung soll den Sterbenden eine Stütze sein und Angehörige ermutigen, dass wir den Weg gemeinsam gehen.“

Beate Letzel
Leitende Koordinatorin des Hospiz-Vereins Gladbeck

Was hingegen im Mittelpunkt stehe: „Sterbebegleitung soll den Sterbenden eine Stütze sein und Angehörige ermutigen, dass wir den Weg gemeinsam gehen.“ Mit Betonung auf „gemeinsam“. „Gespräche geschehen auf Augenhöhe“, liegt Letzel am Herzen, die eine Palliativ-Fachweiterbildung absolviert hat.

Gedanken an die eigene Endlichkeit kommen hoch

„Hört ein Patient, dass er austherapiert ist, ist er total geschockt“, berichtet Beate Letzel. Angehörige sind mit Schrecken erfüllt. Panik erfasst Betroffene. Das schier Unaussprechliche ist eingetreten: die Begegnung mit Sterben und Tod, über die oft nicht gesprochen wird. Zu schmerzhaft sind vielleicht Erfahrungen, an die man nicht erinnert werden will, zu nah der Gedanke an die eigene Endlichlichkeit.

Diese Folgen der Ehrenamtsaktion sind bereits erschienen:

Die Betroffenen stehen vor vielen Fragen: „Was passiert jetzt?“ Wie hilfreich ist es in solch einer Situation, wenn ausgebildete Vereinsmitglieder zur Stelle sind. Letzel erklärt: „Was viele nicht wissen: Es gibt ein Anrecht auf palliative Versorgung.“ Der Hospiz-Verein Gladbeck hat ein enges Netz mit Kontakten geknüpft, unter anderem arbeitet er eng mit dem Krankenhaus-Entlassmanagement zusammen. „Oft brauchen gerade auch die Angehörigen Unterstützung, selbst bei praktischen Dingen“, weiß die Expertin. Dann können die Vereinsmitglieder hilfreich zur Hand gehen.

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Doch oft sei auch das Gespräch ein großer Schritt, denn es gibt sie, die Menschen, die das Ende eines irdischen Daseins nicht als Tabu-Thema behandeln. Die Vereinskoordinatorin hat erfahren: „Viele wollen über das Thema reden, wissen aber nicht, mit wem.“

Das Unbegreifliche in Worte fassen

„Die Wahrheit ist das Wichtigste“, betont Letzel. Aufklärende Gespräche könnten Ängste nehmen, beispielsweise: „Es gibt Möglichkeiten, dass Du keine Schmerzen hast.“ Trotz schwerster, unheilbarer Krankheiten könne Lebensqualität erhalten bleiben. „Krebs bedeutet nicht den Tod!“

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Für ein gutes Leben trotz des harten Schicksals setzen sich die 50 Aktiven ein. Letzel stellt klar: „Der Hospiz-Verein hat insgesamt 160 Mitglieder, die allerdings nicht alle in der Sterbehilfe tätig sind. Sie bringen sich anders ein.“

Die Mitglieder des Hospiz-Vereins Gladbeck setzen sich, wenn gewünscht auch an das Sterbebett (Symbolbild).
Die Mitglieder des Hospiz-Vereins Gladbeck setzen sich, wenn gewünscht auch an das Sterbebett (Symbolbild). © picture alliance / dpa | Jens Wolf

Wer jedoch Sterbenden und deren Angehörigen beistehen will, muss eine Vorraussetzung erfüllen: einen Befähigungskurs absolvieren. Lebensbejahende, gute Gespräche führen, Mut machen, eine Patientenverfügung schreiben, handfeste Unterstützung leisten, etwa gemeinsam ein Bestattungsinstitut besuchen, ein Rundgang über einen Friedhof – die Ehrenamtlichen kennen sich mit allen möglichen Aspekten aus. Beistehen, das sagt sich leichthin, aber will gelernt sein.

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Im Befähigungskurs erfahren Frauen und Männer, wie sie Beistand leisten und was alles dazu gehört. Und sie lernen ganz viel über sich selbst. „Selbstaufarbeitung nennt es Letzel: „Jeder hat sein Trauerpäckchen zu tragen.“ Die Gruppendynamik im Kurs hält die Koordinatorin für ganz wichtig. „Einmal im Monat treffen die Ehrenamtlichen sich und besprechen die Begleitungen.“ Letztere absolvieren Neulinge anfangs zu zweit mit erfahrenen Mitgliedern. Das kann im Zuhause eines Sterbenskranken sein oder auch in einem Seniorenheim.

Unverzichtbar ist das Vertrauen

Für sich selbst kann Letzel sagen: „Ich weiß, ich muss gut auf mich aufpassen, damit ich auch die Kraftquellen nutzen kann.“ Wer Trauerarbeit leistet, bereitet sich vor. Wichtiger Rat: „Überschätze Dich nicht!“ Eines will die Expertin klarstellen: „Es wird zusammen gelacht und geweint.“ Vertrauen sei unverzichtbar, „es gilt die Schweigepflicht“.

Hospiz-Verein holt den Tod zurück ins Leben

Früher sei der Tod ganz selbstverständlich Bestandteil des Lebens gewesen. Verstorbene wurden beispielsweise zuhause aufgebahrt, wo Familie, Freunde und Nachbarn Abschied nehmen konnten. Letzel: „Mit dem Fortschritt dert Medizin wurde das Sterben an den Rand geschoben.“ Der Hospiz-Verein Gladbeck holt den Tod zurück ins Leben.

> „Auslöser für die Ambulante Hospizbewegung war vor 30 Jahren die AIDS-Epidemie“, so Beate Letzel.

> Im Jahre 1997 wurden in Gladbeck die ersten Befähigungskurse zur Sterbebegleitung angeboten. Ein Jahr später entstand auf dieser Basis der gemeinnützig anerkannte Hospiz-Verein in der Stadt.

> Die Caritas gründete mit Hilfe des Vereins im Jahre 2007 ein Trauercafé. Ein weiteres Angebot: die Oase der Begegnung, ein Treffpunkt. Der Verein vergrößert demnächst sein Domizil, indem er das benachbarte frühere Ladenlokal bezieht.

> Der Hospiz-Verein Gladbeck, der mit Partnern zusammenarbeitet, hat im Jahre 2023 laut Beate Letzel fast 40 Begleitungen geleistet. Die Expertin sagt: „In diesem Jahr haben wir jetzt schon mehr.“

> Die Teilnahme an einem Befähigungskurs kostet 100 Euro.

> Kontakt für Menschen, die die Hilfe des Hospiz-Vereins Gladbeck an der Horster Straße 8 in Anspruch nehmen möchten, Mitglied werden oder sich ehrenamtlich engagieren wollen: hospiz-verein-gladbeck@web.de, 02043/9871355 oder 0151/25644377

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