Demo in Gladbeck: „Haben Ineos Phenol nie im Stich gelassen“
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Lesezeit: 6 Minuten
Von Katrin Walger-Stolle und Gina Jerosch
Demo bei Ineos Phenol
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Gladbeck. In Gladbeck geht die Sorge um die Zukunft von Ineos Phenol um. Erste Protestaktion am Werk zeigt: Die Belegschaft will für den Standort kämpfen.
Bei den Mitarbeitenden von Ineos Phenol in Gladbeck geht die Angst um. Und das, seitdem Ende November vergangenen Jahres erstmals von der vorübergehenden Stilllegung ihres Werkes in Zweckel die Rede war. Danach ist der Informationsstrom abrupt versiegt. Wie es grundsätzlich am Standort Dechenstraße weitergehen soll, wie lange das Werk in den „Ruhestand“ versetzt werden soll, und was das für die Belegschaft bedeutet? Keine Information dazu. Das hat die Belegschaft Dienstagmittag zum Protest auf die Straße getrieben.
IGBCE hatte zur politischen Mittagspause am Ineos-Standort in Gladbeck aufgefordert
Vor dem Werk, unter der Fensterfront mit den Räumen der Geschäftsführung haben sie ihrem Unmut lautstark Gehör verschafft. Die Gewerkschaft IGBCE hatte zu dieser „politischen Mittagspause“ aufgerufen.
Politische Mittagspause der IGBCE vor Ineos Phenol
Mayk Nienhaus ist Gewerkschaftssekretär im Bezirk Gelsenkirchen, ein erfahrener Gewerkschafter. Deshalb geht er auch schon jetzt fest davon aus, dass auf die politische Mittagspause Warnstreiks folgen werden. Vielleicht sogar nach Urabstimmung ein großer Streik, um die Konzernspitze davon zu überzeugen, dass die geplante Stilllegung des Werks auf keinen Fall der richtige Schritt ist.
Belegschaft von Uniper und BP protestiert mit
Gut 500 Leute, so schätzt Nienhaus, sind am Dienstagmittag dem Aufruf gefolgt. Darunter auch sehr viele junge Kolleginnenn und Kollegen, die besonders von diesen Plänen betroffen sind.
Doch es sind nicht nur „Phenoler“, die auf der Dechenstraße ein lautstarkes Trillerpfeifen-Konzert angestimmt haben, die auf Plakaten ihrer Sorge um die Zukunft Ausdruck verleihen. Unterstützung haben sie bei diesem ersten Protest von den Belegschaften von BP und Uniper erhalten. Gemeinsame Aussage: „Chemie sichert Zukunft!“
Ein gutes Zeichen, das Mut macht, sagt dann auch Richard Zellmer. Er ist Laborspezialist bei Ineos Phenol, und Vertrauensmann. Vom Werk selber seien um die 80 Leute auf der Straße, schätzt Mayk Nienhaus. Auch das stimmt positiv, denn schließlich arbeitet man im Werk in einem 24/7-Schichtbetrieb. Von den 270 Beschäftigten, die gerade anwesend seien, hätten also ziemlich viele ihre Mittagspause zur Protestaktion umgewandelt.
„Unser Verhältnis im Unternehmen ist familiär. Wir haben Ineos nie im Stich gelassen“
So wie Viktor Oswald. Er arbeitet seit 38 Jahren bei Ineos Phenol. „Es ist das erste Mal, dass wir streiken müssen“, sagt er. Und auch er weiß nicht, wie es mit seinem Job weitergeht. Er erklärt, das Unternehmen habe eine lange Tradition am Standort in Gladbeck, und die Arbeiter hätten stets dafür gesorgt, das Produktion und Verkauf laufen. „Unser Verhältnis im Unternehmen ist familiär, bei rund 270 Mitarbeitern kennt man sich untereinander. Wir haben Ineos nie im Stich gelassen“, sagt Oswald. Er fragt sich, wie es für die jungen Leute weitergeht, für die Lkw-Fahrer, die Zulieferbetriebe... Viktor Oswald sieht jetzt vor allem die Politik in der Pflicht, was Energiepreise und Wettbewerbsfähigkeit angehe.
Von einem großen Vertrauensbruch ist die Rede
Vom großen Vertrauensbruch, mit dem in der Form niemand gerechnet hat, ist in den kurzen Statements der Gewerkschafter und auch der Vertrauensleute von Ineos die Rede. „So etwas hat es in den ganzen Jahren an diesem Standort noch nicht gegeben“, sagt dann auch Richard Zellmer. Warum nun das Werk in Antwerpen wieder hochgefahren werden, dafür das in Gladbeck die Produktion für einige Zeit einstellen soll – man versteht es einfach nicht.
„Es hat ja auch noch niemand mit uns gesprochen, wir stehen vollkommen ohne Informationen da“, sagt ein junger Mann, der bei Ineos arbeitet. Geht es jetzt für alle in die Kurzarbeit? Drohen sogar Entlassungen? Für wie lange soll das Zweckeler Werk überhaupt stilllgelegt werden. Viele Fragen, auf die es bislang noch keine Antworten gibt. Und das macht Angst.
Wie soll die vorübergehende Stilllegung über die Bühne gehen?
Deshalb stehen die „Phenoler“ jetzt gemeinsam mit ihren Unterstützern auf der Straße vor ihrem Werk, genau vor dem Bürotrakt der Geschäftsführung. Dort soll noch an diesem Nachmittag ein Gespräch über den genauen Ablauf der geplanten Stilllegung stattfinden. Dazu werden auch externe Juristen erwartet, die den Prozess beratend begleiten sollen.
Auch Gewerkschaftssekretär Mayk Nienhaus wird mit am Verhandlungstisch sitzen. Schon jetzt geht er allerdings davon aus, dass dieser ersten Runde, die ihn am Nachmittag erwartet, noch einige weitere folgen werden. Und ja, höchstwahrscheinlich auch flankiert von weiteren Protestaktionen. Denn kampflos wollen die Gladbecker Phenoler ihr Werk nicht aufgeben. So stand es dann auch, beschrieben mit einem einzigen Wort, auf dem Banner, das die Demonstranten beim Zug zur Dechenstraße vor sich hergetragen haben: „Standortliebe!“.
>> Schon im Oktober war von großen Herausforderungen für die Chemiebranche die Rede gewesen
In Gladbeck produziert Ineos hauptsächlich die Stoffe Phenol und Aceton. Bereits im Oktober hatte Geschäftsführer Benie Marotz von großen Herausforderungen für die Chemiebranche in Deutschland gesprochen. Die Auflagen seien streng, die Konkurrenz aus dem Ausland werde stärker. Europa sei lange Zeit Exporteur für chemische Basisstoffe gewesen, so Marotz damals, derzeit werde importiert. Konkurrenz komme insbesondere aus Asien.
Im Spätsommer hatte Ineos das Gladbecker Werk noch einer großen Revision unterzogen. Die Anlage wurde abgeschaltet und von Grund auf überholt. Eine hohe einstellige Millionensumme investiere man dabei in den Standort, erläuterte Marotz. Damit wolle man ihn zukunftsfest machen. Hieß es damals.
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