Gladbeck. Fachkräfte des St.-Barbara-Hospitals Gladbeck probten den Ernstfall: ein Andrang von Patienten nach Explosionen. So lief die Übung.

Noch herrscht im St.-Barbara-HospitalGladbeck Ruhe vor dem sprichwörtlichen Sturm. Noch! Die Fachkräfte ahnen ja nicht, was an diesem Samstag auf sie zukommt. Um kurz nach 11 Uhr erhalten sie per Telefon ein Signal. Alarm: ein Massenanfall von Verletzten, die das Krankenhaus im Herzen der Stadt versorgen muss! In der Fußgängerzone hat’s bei einem Fest mehrere Explosionen gegeben. Jetzt müssen alle Handgriffe sitzen, die Strukturen passen.

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Bevor es einem jedoch vor Schreck die Kehle zuschnürt: Entwarnung! Es handelt sich lediglich um eine Übung. Dieser simulierte Massenanfall von Verletzten, Profis sprechen von MANV, soll offenlegen, ob im Ernstfall sämtliche Wege funktionieren, alles „wie ein Uhrwerk läuft“, so Klaus Limberg. Der ärztliche Leiter der Zentralen Notaufnahme (ZNA) hält mit Dirk Bonka, Fachkrankenpfleger für Intensivpflege und Anästhesie, bei diesem vierstündigen Test die Fäden in der Hand und erklärt:„Jedes Krankenhaus ist verpflichtet, solch’ eine Übung durchzuführen.“ Vier Monate haben die beiden Männer diesen gestellten MANV-Einsatz vorbereitet. Sie wollen, falls notwendig, das bereits bestehende Konzept optimieren.

Menschen unterschiedlichen Alters und Verletzungen verschiedenen Schweregrads sind zu versorgen

Wolfgang Heinberg, Leiter der Stabsstelle Unternehmenskommunikation in der Gelsenkirchener St. Augustinus GmbH, sagt: „Diese Übungen erfolgen regelmäßig und sollen künftig noch regelmäßiger erfolgen.“ Feste Intervalle seien nicht vorgegeben – das wäre ja auch eher kontraproduktiv, dann könnte sich das Krankenhaus-Personal auf den Tag X vorbereiten.

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Auch wenn das St.-Barbara-Hospital mitten in Gladbeck liegt und die Innenstadt an diesem sonnigen Tag voller Leben ist, bekommt die Öffentlichkeit nichts davon mit, was sich in der ZNA tut. Auf den ersten Blick ist’s ruhig. „Wir haben keine Sirene als Alarm wegen der Übung geschaltet, weil wir auch die Patienten nicht verrückt machen wollen“, erläutert Wolfgang Heinberg.

Aber die vermeintliche Ruhe bedeutet keineswegs Entspannung. Limberg weiß: „Nach und nach werden Patienten in die Sichtungsstelle kommen.“ Unterschiedlichen Alters sind die Menschen, sie haben Verletzungen verschiedenen Schweregrads, selbstverständlich nur gespielt. Heinberg: „Zum Teil sind es Pflegeschüler, zum Teil Schüler des Ratsgymnasiums, die bei dieser Übung mitmachen.“

Julian Ratajczak im Transportsitz spielt einen Patienten mit offenem Beinbruch. Der Leitende Arzt und Unfallchirurg Adel Haji (links) begutachtet die Schwere der Verletzung.
Julian Ratajczak im Transportsitz spielt einen Patienten mit offenem Beinbruch. Der Leitende Arzt und Unfallchirurg Adel Haji (links) begutachtet die Schwere der Verletzung. © FUNKE Foto Services | Christoph Wojtyczka

Und richtig: Schon kurz nach dem internen Alarm im Hospital erreichen die ersten „Patienten“ zu Fuß die Notaufnahme. Der Leitende Arzt und Unfallchirurg Adel Haji sichtet und triagiert die Verletzten. Sprich: Er stuft den erforderlichen Versorgungsgrad ein. „Rot bedeutet, dass eine sofortige medizinische Behandlung notwendig ist, Gelb hat etwas Zeit“, erklärt Limberg. Die noch weniger brisante Stufe Grün ist bei den ersten Neuankömmlingen in der ZNA nicht dabei. Auch um „Blau“ müssen sich die routiniert agierenden Fachkräfte nicht kümmern. Das wären im tatsächlichen Fall diejenigen Menschen, für die letztendlich keine Hoffnung besteht, die jedoch medizinisch – beispielsweise mit Schmerzmitteln – versorgt werden.

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Heinberg weiß: „Es werden bei der Übung weitere Stressfaktoren eingebaut. So kann beispielsweise der Fahrstuhl feststecken.“ Und genauso ist es denn auch. Obendrein geht das Material aus, Nachschub muss aus dem Lager geholt werden. Und die „Presse“ fordert auch noch Informationen.

Rettungssanitäter Paul Müller bei der Anlieferung von Patienten ins Gladbecker St.-Barbara-Hospital: Immer mehr „Verletzte“ sind zu versorgen.
Rettungssanitäter Paul Müller bei der Anlieferung von Patienten ins Gladbecker St.-Barbara-Hospital: Immer mehr „Verletzte“ sind zu versorgen. © FUNKE Foto Services | Christoph Wojtyczka

Doch es klappt alles, finden Haji und Bonka. Der Krankenpfleger stellt sichtlich zufrieden fest: „In der ZNA ist Action, aber es läuft.“

Da kommt eine junge Frau zu Haji, die sich unter den Dutt fasst: eine Platzwunde am Hinterkopf. Heinberg sieht’s voraus: „Verletzungen am Kopf werden immer mit Gelb eingestuft.“ So ist es. Ein junger Mann mit gespielter offener Beinfraktur erhält ebenfalls eine Gelb-Marke, im Rollstuhl bringt medizinisches Personal den Patienten zur Behandlung.

Zusätzliche Stressfaktoren stellen die Kräfte des Gladbecker Krankenhauses vor weitere Herausforderungen

Auf einer großen Tafel ist zum Überblick notiert, welche Triage-Fälle mittlerweile eingetroffen, wie OP und Schockraum ausgelastet sind. Limberg stellt klar: „Die einzelnen Wege erfolgen vollständig, aber es wird zum Beispiel virtuell Blut abgenommen.“ Röntgen und weitere Schritte werden – ist ja klar – ebenfalls nicht praktisch durchgeführt. Wichtig ist nicht nur das „Wie“ der Abläufe, sondern auch das „Wie lange“. Eine Blutentnahme kann drei Minuten beanspruchen, eine CT-Untersuchung deutlich mehr.

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Da schieben Rettungsassistenten einen Senior auf einer Transportliege in die Halle. Haji winkt durch: ein „echter“ Notfall. Er wird trotz der Übung behandelt wie an jedem anderen Tag auch.

Hintergrund

Im St.-Barbara-Hospital Gladbeck arbeiten insgesamt rund 650 Beschäftigte. Dabei handelt es sich um Voll- und Teilzeitkräfte.

„Ambulant behandelt werden jährlich etwa 20.000 Patienten“, so Wolfgang Heinberg, Leiter der Unternehmenskommunikation in der Gelsenkirchener St. Augustinus GmbH, der das Gladbecker Krankenhaus angehört. Stationär versorge das St.-Barbara-Hospital zwischen 12.000 und 13.000 Menschen im Jahr.

Gut 100 Fachkräfte waren der Übung beteiligt. Hinzu kommen 35 Statisten.

Ein junger Mann mimt wiederum seine Verletzung. Ruckzuck wird der Statist Tolga Celi in den Schockraum gebracht. Der „Verletzte“ stöhnt und jammert. Hat er starke Schmerzen? „Ja!“ Er bekommt etwas dagegen „gespritzt“. „Zugang liegt!“ Parallel die Ultraschall-Untersuchung. Erste Diagnose: „Keine inneren Blutungen!“ – „Was ergibt die Blutgasanalyse?“ – „Der Patient hat viel Blut verloren!“ Er braucht Blutkonserven. Zackzack kommen die Ansagen, wird gehandelt.

Denn der nächste Fall lässt nicht lange auf sich warten. Eine junge Frau, die eine Bauchverletzung vorgibt. Ein Ast, den die „Patientin“ hält, ragt aus ihrer Mitte. Limberg sagt: „Eigentlich sollte es eine Metallstange sein.“ Aber auch das Holzstück wäre realiter übel genug. Wie gut, dass es sich an diesem Tag um eine Übung handelt und alle „Verletzten“ unversehrt nach Hause spazieren können.

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Und ist Limberg zufrieden mit dem Testresultat? Ja, „die Übung war sehr erfolgreich bezüglich der Ziele, die wir erreichen wollten“: „Die Schnittstellen haben sehr gut funktioniert.“ Es müsse lediglich bei Kleinigkeiten etwas nachbessert werden. Und auch mit Blick auf die Fachkräfte freut sich Limberg über das Ergebnis des Tages: „Die Kollegen waren sehr motiviert.“ Und ebenfalls vollauf zufrieden.

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