Der Bau des umstrittenen Steinkohlekraftwerks Hamburg-Moorburg verzögert sich weiter. Die Umweltbehörde der Hansestadt verlängerte die am Dienstag abgelaufene Frist für die immissions- und wasserrechtliche Genehmigung erneut und setzte als Termin nun den 10. September fest.
Es sei noch offen, ob der Antrag des Energiekonzerns Vattenfall hinsichtlich der EU- Naturschutzvorgaben und des Wasserrechts genehmigungsfähig sei, erklärte die Behörde.
Zu klären sei außerdem die wasserwirtschaftliche und ökologische Beurteilung der Kühlwasserentnahme und -abgabe, vor allem in Hinblick auf die Vermeidung von "fischkritischen Sauerstoffwerten", hieß es. Dazu gehöre auch eine Prüfung der geplanten Fischwechselanlage am Wehr Geesthacht durch eine Langzeituntersuchung der Bestände.
Der Energiekonzern Vattenfall hat wegen der fehlenden Genehmigungen bereits eine Untätigkeitsklage gegen die Stadt eingereicht. Er will von 2012 an der Süderelbe ein Steinkohlekraftwerk mit 1640 Megawatt elektrischer Leistung und 650 Megawatt Fernwärmeauskoppelung betreiben. Moorburg war einer der schwierigsten Verhandlungspunkte auf dem Weg zur schwarz-grünen Koalition in Hamburg. Die Grünen lehnen das Projekt als "Klima- Killer" strikt ab.
"Wir gehen nach wie vor davon aus, dass das Kraftwerk genehmigungsfähig ist", sagte dagegen Vattenfall-Sprecherin Sabine Neumann. Alle relevanten Unterlagen lägen vor. "Deshalb gibt es absolut gar keinen Grund für weitere Verzögerungen." Ein Gutachten der Kanzlei Redeker Sellner Dahs & Widmaier im Auftrag Vattenfalls war zu dem Schluss gekommen, dass die Genehmigung erteilt werden muss. Bis Ende Juni soll ein zweites Rechtsgutachten vorliegen, das die Umweltbehörde bei der Kieler Kanzlei Weissleder & Ewerin in Auftrag gegeben hat.
Nach Überzeugung des Unternehmens ist die gesetzlich vorgegebene Frist für die Erteilung des Bescheids nach dem Bundes- Immissionsschutzgesetz bereits am 10. März abgelaufen. Der Konzern, dem am 14. November 2007 ein vorzeitiger Baubeginn gestattet worden war, hatte deshalb Mitte April gegen die Stadt geklagt und das Verfahren beim Hamburger Oberverwaltungsgericht Ende Mai auf die wasserrechtliche Genehmigung erweitert, da diese nach Ansicht des Konzerns spätestens Mitte April hätte vorliegen müssen.
Vattenfall argumentiert unter anderem, die Ursache für die Verzögerungen sei auch nicht fachlicher, sondern politischer Natur. So sei das Verfahren mit Beginn der Koalitionsverhandlungen von CDU und Grünen rechtswidrig ausgesetzt worden, heißt es in der Klageschrift der Kanzlei Köchling und Krahnefeld. Zudem sei die Moorburg-Formulierung im Koalitionsvertrag ein "Feigenblatt", "um formaljuristisch den Anschein zu erwecken, dass eine ordnungsgemäße Prüfung erfolgt, tatsächlich das Verfahren jedoch weiterhin verzögert wird".
Der Konzern sei auf eine rasche Genehmigung angewiesen. Sonst könnte die vom Heizkraftwerk Wedel erbrachte Fernwärmeversorgung im Hamburger Westen nicht Ende 2012 von Moorburg übernommen werden, heißt es in der 42-Seiten-Klage. Die Folge wären Mehrkosten von mehr als 80 Millionen Euro für den unplanmäßigen Weiterbetrieb von Wedel. Weitere Schäden über rund 64 Millionen Euro pro Monat entstünden durch bereits in Moorburg vergebene Aufträge. Vattelfall-Vorstand Cramer hatte bereits von Schadenersatzforderungen in Höhe von bis zu 1,3 Milliarden Euro gesprochen.
Ein Gerichtssprecher sagte am Dienstag, der 5. Senat des Oberverwaltungsgerichts beschäftige sich mit dem Fall und sei mit allen den Beteiligten im Gespräch. Ein Termin für eine Entscheidung sei aber nicht absehbar. Zunächst werde der Stadt bei der wasserrechtlichen Bewertung die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt. Danach müsse das Gericht entscheiden, ob die Stadt - wie von Vattenfall unterstellt - rechtswidrig gehandelt habe.
Sollte dem so sein, müsse es danach wohl auch über die Genehmigung an sich entscheiden. Sollte die Stadt jedoch ordnungsgemäß gehandelt haben, würde ihr eine Frist für eine eigene Entscheidung eingeräumt. Fällt diese nicht im Sinne Vattenfalls aus, wird aller Voraussicht nach wieder das Gericht bemüht. Theoretisch gibt es jedoch noch eine dritte Variante: Das Gericht stellt ein rechtswidriges Verhalten der Stadt fest. Vattenfall kann deshalb zwar seine Schadenersatzforderungen durchsetzen, verzichtet aber auf den Bau des Kraftwerks.