Das Gericht widerspricht der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU). CDU ist erleichtert.
Etappensieg für Vattenfall: Mit einem sogenannten Hinweisbeschluss hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht gestern die Position des Energieversorgers im Streit um die Genehmigung des geplanten Steinkohlekraftwerkes in Moorburg gestärkt. Damit wird es für die BSU immer schwieriger, das Kraftwerk aus fachlichen Gründen noch abzulehnen. Und das wird zum Problem innerhalb der GAL.
Hintergrund: Das Gericht schätzt derzeit eine von Vattenfall geplante Fischaufstiegsanlage am Wehr Geesthacht als "Schadensminderungsmaßnahme" ein. Das bedeutet, dass die Fischtreppe die Schäden für die Fauna in der Elbe durch die Kühlwasser-Ansauganlage in Moorburg so weit ausgleichen würde, dass keine zusätzliche Prüfung nach der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FHH-Richtlinie) mehr notwendig wäre. Damit widersprach das Gericht der zuständigen Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU): Sie ist der Auffassung, dass die Fischaufstiegsanlage nur eine Kompensation sei, die nicht ausreiche. Und mit dieser Meinung ist die Behörde nicht allein. Rückendeckung bekommt sie dabei aus Brüssel. Wie aus internen Unterlagen der Rechtsanwälte der BSU Weissleder & Eder (liegen dem Abendblatt vor) hervorgeht, haben Kommissionsvertreter bei einem Gespräch im Mai in Brüssel mit BSU-Staatsrat Christian Maaß (GAL) deutlich gemacht, dass sie nicht dem Beschluss des OVG folgen würden. Diese Tatsache könnte dann von Bedeutung sein, wenn Behörde und Vattenfall bei der Genehmigung des Kraftwerkes den langen Weg der gerichtlichen Instanzen beschreiten (siehe Kasten).
Ohnehin sieht die Behörde durch den Hinweisbeschluss des Gerichts "die Frage des wasserrechtlichen Ermessens, mit dem wir uns derzeit befassen, nicht berührt". Das bedeutet: Unabhängig des Gerichtsbeschlusses über die Fischtreppe, prüft die Behörde weiter das Thema Kühlwasserentnahme aus der Elbe. Zwar wird der Beschluss innerhalb der Behörde als "bedeutende Etappe" im Genehmigungsverfahren angesehen. Dennoch werde die Fachabteilung weiter prüfen und im September entscheiden.
Auch der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) teilt die Auffassung des OVG nicht. "Der BUND Hamburg wird weiterhin alle rechtlichen Mittel gegen den gigantischen Klimakiller Moorburg ausschöpfen und fordert die schwarz-grüne Regierung auf, trotz des Hinweisbeschlusses die Genehmigung zu versagen", sagte Landesgeschäftsführer Manfred Braasch. Er kündigte an, im Falle einer Genehmigung durch die BSU werde der BUND gegen das Kraftwerk klagen.
Vattenfall zeigte sich vom Beschluss des OVG nicht überrascht. "Das entspricht unserer Rechtsauffassung", sagte Sprecherin Sabine Neumann. "Unsere Argumente und Schriftsätze haben überzeugt", freute sich Neumann. Die Sektkorken ließen sie gestern trotzdem noch nicht knallen. "Das heben wir uns für den Moment auf, an dem wir die endgültige Genehmigung rechtssicher haben", so Neumann.
Bei der GAL sorgte die aktuelle Entwicklung gestern für Unruhe. Offenbar fühlt sich der eine oder andere an der grünen Basis nicht gut genug über die Ereignisse der vergangenen Tage und Wochen informiert. Parteichefin Katharina Fegebank sagte gestern, es gebe "großen Klärungsbedarf". Man werde das Thema Moorburg wohl auf die Tagesordnung der für Dienstag angesetzten Landesausschuss-Sitzung setzen. Es sei ein "großes und berechtigtes Anliegen", dass die Partei über den aktuellen Stand der Entwicklung informiert werde. Der Fraktionschef der GAL in Mitte, Michael Osterburg, sagte, er könne sich vorstellen, dass in der Partei die Forderung laut werden könnte, die Koalition zu verlassen, sollte Moorburg gebaut werden. Die Fraktionsvorsitzende der GAL in Eimsbüttel, Susanne Egbers, sagte: "Der Landesvorstand muss sehen, wie er damit umgeht. Es würde der Partei gut zu Gesicht stehen, die Basis in einer Landesmitgliederversammlung zu informieren." Auch der Vorsitzende der Grünen Jugend, Daniel Völkoi, schloss sich dem an: "Eine Mitgliederversammlung würde Transparenz schaffen. Der Basis gegenüber wäre das fair." Eine andere Möglichkeit wäre es, die Kreise umfassend zu informieren. Der grüne Bürgerschaftsfraktionschef Jens Kerstan lehnte einen Parteitag vor einer Entscheidung als sinnlos ab. "Die zentrale Argumentation der wasserrechtlichen Genehmigung hat mit dem OVG-Beschluss nichts zu tun." Der GAL-Bundestagsabgeordnete Manuel Sarrazin äußert sich ähnlich: "Wir können ja auf Anja Hajduk einprügeln, wenn es eine Entscheidung gibt. Aber die gibt es ja noch nicht."
Die CDU machte derweil keinen Hehl aus ihrer Freude. "Mit Erleichterung" habe sie diesen zur Kenntnis genommen, sagte die Bürgerschaftsabgeordnete und Chefin der CDU-Mittelstandsvereinigung, Barbara Ahrons. "Ein großer Stein scheint beiseite geräumt, nun kann die Entscheidung für den Kraftwerksbau fallen." Der Beschluss sei "kein Freifahrtschein für Vattenfall", betonte dagegen SPD-Umweltpolitikerin Monika Schaal. "Für das Genehmigungsverfahren ist die Frage wichtig, ob die Fischaufstiegsanlage eine wirksame Maßnahme ist, um durch das Kraftwerk verursachte Schäden für Elbe und Fischbestand wieder gutzumachen. Diese Frage ist offen geblieben."