Hamburg. Die Stellvertreterin übernimmt das Amt der Bezirksamtsleiterin in Eimsbüttel, weil die Politik sich nicht einig werden konnte.
Es ist ein eher ungewöhnliches Geburtstagsgeschenk. Am 6. Januar, ihrem 45. Geburtstag, übernimmt Sonja Böseler bis auf Weiteres die Leitung des Bezirksamts Eimsbüttel. Gewählt wurde sie nicht. Die Steuerungsdezernentin und stellvertretende Bezirksamtsleiterin übernimmt gemäß der gesetzlichen Vertretungsregelung die Leitungsfunktion von ihrem Vorgänger Kay Gätgens (SPD), dessen Amtszeit am Donnerstag endete.
„Kay Gätgens hat in den sechs Jahren als Bezirksamtsleiter die Belange der rund 270.000 Eimsbüttelerinnen und Eimsbütteler immer mit Leidenschaft, Engagement und viel Feingefühl vertreten“, sagte Bezirkssenatorin und Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne) zum Abschied.
Neue Bezirksamtsleiterin nach wochenlangem Streit zwischen Grünen und SPD
Der neuen Personalie war ein wochenlanger Streit zwischen SPD und Grünen um die Besetzung der Verwaltungsspitze vorausgegangen. Ende November hatte die Bezirksversammlung beschlossen, die Stelle durch den Senat nicht neu ausschreiben zu lassen. Die SPD-Fraktion wollte ihren Mann gerne im Amt halten – die Grünen, die in Eimsbüttel die stärkste Kraft sind, sehen das Vorschlagsrecht bei sich. Dennoch signalisierte die Fraktion Bereitschaft, eine Neuwahl Gätgens’ mitzutragen – allerdings sollte auch die SPD bedeutende Zugeständnisse machen.
Also rangen beide Seiten um ein Koalitionspapier für die verbleibenden anderthalb Jahre bis zur nächsten Bezirkswahl im Mai 2024. Doch die fertig ausgehandelte Kooperation scheiterte, da die Grünen das Papier am Ende doch ablehnten. Die letzte Möglichkeit, den bisherigen Bezirksamtsleiter erneut zu wählen, verstrich in der Sitzung der Bezirksversammlung am 15. Dezember.
Sonja Böseler: „Das war für uns alle hier ein ziemlicher Schock“
„Dass man so eine Entscheidung durch Nicht-Entscheiden trifft, das ist, glaube ich, noch nicht häufig vorgekommen“, sagt Sonja Böseler im Gespräch mit dem Abendblatt. „Das war für uns alle hier ein ziemlicher Schock, weil wir eigentlich davon ausgegangen sind, dass die Kooperationsvereinbarung durchgeht und Herr Gätgens noch mindestens bis zur nächsten Wahl im Amt bleibt.“
Nach der gescheiterten Wahl war jedoch klar, was für eine Aufgabe mit dem neuen Jahr auf sie zukommt. „Ich musste für mich dann erst mal eine Rollenklarheit finden. Das hat schnell dazu geführt, dass ich gesagt habe, ich kann nicht die Dezernatsleitung und die Bezirksamtsleitung gleichzeitig ausfüllen.“
Die eigentliche Stellvertreterin wollte gar nicht in die erste Reihe treten
Ihre bisherige Position, die sie nach wie vor innehat, übernimmt künftig ihr Stellvertreter Berno Peuker. „Wir füllen jetzt beide unsere Vertretungsrolle vollumfassend aus und lassen unsere alte Rolle ruhen“, erläutert Böseler die ungewöhnliche Konstellation. Peuker wiederum wird in der kommenden Zeit von seinem Stellvertreter vertreten. „Wir wollten nicht extra jemanden von außen mit reinnehmen, weil wir alle in den Themen drin sind“, sagt Böseler und betont: „Wir fangen die Situation als Team auf.“
Die eigentliche Stellvertreterin, die nun plötzlich die Aufgaben der Bezirksamtsleiterin ausfüllt, wollte gar nicht in die erste Reihe treten. „Etwas mehr im Hintergrund und weniger öffentlichkeitswirksam zu arbeiten, liegt mir glaube ich mehr“, sagt sie bescheiden. Die neue Aufgabe sieht sie jedoch auch als Chance. „Ich bin vom Typ her ein positiver und neugieriger Mensch. Und ich finde es natürlich auch total spannend.“
Böseler ist in Eimsbüttel geboren und aufgewachsen
Wie tief verwurzelt die 45-Jährige in Eimsbüttel ist, zeigt ein Blick in ihre Vita. Böseler ist dort nicht nur geboren, auch ihr Abitur und ihr BWL-Studium hat sie in Eimsbüttel absolviert. Heute lebt sie mit ihrem Mann und den beiden Söhnen (9, 12) im Kerngebiet. Zur Arbeit fährt sie mit dem Fahrrad. „Ich bin durch und durch Eimsbüttelerin“, sagt sie über sich selbst.
Nach ihrem Studium machte Böseler ein Wirtschaftsreferendariat bei der Stadt Hamburg, bevor sie einige Jahre im Rechnungshof tätig war. Anschließend wechselte sie zur Bezirksaufsichtsbehörde. 2017 übernahm sie die Leitung des Fachamtes Ressourcensteuerung im Bezirksamt Eimsbüttel, bevor sie dort 2020 schließlich Dezernatsleiterin wurde.
Sonja Böseler hat kein Parteibuch
Anders als ihr Vorgänger hat Böseler kein Parteibuch. „Ich war noch nie in einer Partei und habe auch nicht vor, in eine Partei einzutreten. Das ist auch eine ganz bewusste Entscheidung, weil ich es als Verwaltungsbeamtin ganz wichtig finde, neutral bleiben zu können.“ Ob es für sie einen Unterschied macht, ob in der Bezirksversammlung eine Koalition zusammenarbeitet oder wechselnde Mehrheiten vorherrschen? Beides war schließlich in den vergangenen Jahren in Eimsbüttel der Fall.
„Ich habe keinen direkten Einfluss auf irgendeine Partei, weil ich parteilos bin. Das heißt, ich würde bei Bedarf alle Parteien um Zustimmung bitten und hoffen, dass wir dann eine Mehrheit zustande bekommen. Es macht aus meiner Sicht also keinen Unterschied.“ Für Böseler sei es ein wichtiges Ziel, „kooperativ mit der Politik zusammenzuarbeiten. Das wünsche ich mir sehr“.
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Sonja Böseler will das Leitbild „Eimsbüttel 2040“ fortführen
Da sie nicht zu einer Wahl angetreten ist, habe sie auch keine Agenda. Das von Gätgens für den Bezirk aufgestellte Leitbild „Eimsbüttel 2040“, das räumliche, soziale und Klimaschutzkonzepte umfasst, wolle sie fortführen. „Das sind die Leitplanken, an denen wir uns als Verwaltung entlanghangeln“, sagt Böseler. „Mein Ziel ist es zum einen, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bezirksamtes das Gefühl haben, da ist jemand, der die Verantwortung übernimmt und der unseren Weg weiter mitgeht. Zum anderen möchte ich den Bürgerinnen und Bürgern nach außen vermitteln, dass wir nicht handlungsunfähig sind, sondern es ohne Stillstand weitergeht.“