Auf seiner Kreuzfahrt schwänzt Ruheständler Thomas Voigt manchen Aida-Ausflug und macht sich selbst auf den Weg. Was er dabei erlebt.

  • In Australien stoßen die Passagiere der "AidaMar" unerwartet auf deutsche Kultur
  • Passagiere besuchen auch einen Maler, der auf St. Pauli geboren wurde
  • Ein Ausflug läuft aber gründlich schief

Schon ulkig, dieses Dorf. Es heißt Hahndorf und liegt etwa 20 Kilometer landeinwärts von Adelaide, der Hauptstadt des Bundesstaates South Australia. Um 1830 ließen sich deutsche Einwanderer hier nieder und blieben. Wenn auch in Hahndorf längst Englisch gesprochen wird, verstehen es die 20.000 Bewohner bestens, ihre deutschen Wurzeln touristisch zu vermarkten.

Bei einem gemeinsamen Tagesausflug mit Eva, Günther und Bernd haben wir Weltreisende der „AidaMar“ uns in der German Bakery Schwarzwälder Kirschkuchen und Apfelstrudel schmecken lassen, in einem Lokal voller Kuckucksuhren und tönerner Bierkrüge gesessen und über den stolzen Preis von fünf australischen Dollar für eine „German Pretzel“ gestaunt. Es gab Leberkäse, Sauerkraut und „German Snitzel“, nur der German Hotdog machte uns ein wenig ratlos. Denn der Hotdog ist bekanntlich in Dänemark beheimatet.

Kreuzfahrt mit Aida führt zu einem australischen Maler, der auf St. Pauli geboren wurde

In Hahndorf lebte und wirkte aber auch ein großer australischer Maler, der auf St. Pauli in Hamburg geboren wurde. Das habe ich Tage später in der Art Gallery of Western Australia im 2000 Kilometer entfernten Perth entdeckt.

Hans Heysen kam mit seinen Eltern 1884 als Siebenjähriger nach Australien. Seine großen Themen waren die südaustralische Landschaft und die landwirtschaftliche Arbeit. Australische Kunsthistoriker halten dem Maler zugute, dass er die Identität der Siedler entscheidend geprägt hat und nennen ihn in einem Atemzug mit dem großen englischen Romantiker William Turner – nicht zuletzt wegen seines Umgangs mit dem natürlichen Licht.

Alles deutsch in Hahndorf.
Alles deutsch in Hahndorf. © Thomas Voigt | Thomas Voigt

Es hat schon etwas für sich, außerhalb des Aida-Ausflugsangebots auf eigene Faust an den Zielorten unterwegs zu sein. Ich entdecke dabei andere Dinge als Kängurus und Koalas im Naturreservat oder Wasserfälle im Nationalpark. Andere Passagiere machen sich schon mal darüber lustig, wenn sie auf ihrer Aida-Radtour an mir vorbeifahren, während ich an der Bushaltestelle den örtlichen Fahrplan studiere.

Sie sind auf einer anderen Reise. Ich genieße jedes Mal diese Stunden außerhalb der Aida-Blase. Ich hätte sonst im Einkaufszentrum in Santiago nicht mit dem jungen Lehrer über Chiles Bildungssystem gesprochen, hätte nicht so zügellos mit der schnuckeligen Kassiererin im Shop der Kunstgalerie geflirtet und auch nicht mit den 16-jährigen Kids an der Bushaltestelle auf Tahiti gekifft. Erlebnisse wie diese sind mir kostbarer als der siebenundzwanzigste Wasserfall auf dieser Weltumrundung.

Nicht jeder Aida-Ausflug ist ein Volltreffer

Autor Thomas Voigt in Hahndorf
Autor Thomas Voigt in Hahndorf © Thomas Voigt | Thomas Voigt

Hinzu kommt, dass nicht jeder Aida-Ausflug reibungslos über die Bühne geht. Auf dem Rückweg von Hahndorf erzählte mir Bernd von einer Ganztagestour zwei Tage zuvor in Melbourne, die gelinde gesagt suboptimal verlaufen war. Weil dort ein anderes Kreuzfahrtschiff mehr als 100 Corona-Fälle an Bord hatte und evakuiert wurde, konnten wir erst über eine Stunde später von Bord als geplant. So verzögerte sich auch die Abfahrt des besagten Ausflugs, bei dem die drei Busse auch noch mit zähflüssigem Verkehr zu kämpfen hatten.

Ziel war die spektakuläre, aber 275 Kilometer entfernte Great Ocean Road westlich von Melbourne, mit den „Zwölf Aposteln“, einer pittoresken Felsformation in der Brandung vor der Steilküste. Nach dreistündiger Fahrt gerade dort angekommen, mussten die 120 Ausflügler aber schon wieder umkehren, um rechtzeitig unser Schiff zu erreichen. Den gesamten Rest der Great Ocean Road hatten sie nicht geschafft und stattdessen für einen einzigen Fotostopp sechs Stunden im Bus gesessen. Ein entspannter Bummel durch Melbourne hätte ihnen – im Nachhinein – sicherlich besser gefallen.

Fulminant und farbenfroh: die Disco-Show der „Aida-Stars“ an Bord.
Fulminant und farbenfroh: die Disco-Show der „Aida-Stars“ an Bord. © Thomas Voigt | Thomas Voigt

Die Musiker und Tänzer auf der „AidaMar“ sind ganz schön gefordert. Allen voran die Bordband The Band Mates, die fast täglich mehrere Stunden spielt – auch zu den Kursen von Tanzlehrerin Diana – und Hunderte von Titeln im Repertoire hat. Ebenso schütteln die überwiegend sehr jungen Aida-Stars ihre Shows mit Gesang und Tanz scheinbar nur so aus den Ärmeln, kommen aber bei insgesamt 116 Weltreise-Tagen nicht ganz ohne Wiederholungen aus. Vor ein paar Tagen habe ich das nur zu gern in Kauf genommen und jede Minute der fulminanten Disco-Show mit Titeln der 70er-Jahre zum zweiten Mal genossen. Mädels und Jungs, meinethalben dürft ihr das Ding gern auch noch ein drittes Mal hinlegen.

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Der Badeort Geraldton an der Westküste ist unsere letzte Station in Australien. Heute Abend beginnt der sechstägige Ritt durch den Indischen Ozean bis nach Mauritius. Ich verabschiede mich nur ungern von diesem Kontinent: Die Menschen sind hier nahezu ausnahmslos gut gelaunt und beseelt, und sie haben ihr Land sehr gut organisiert. Das gilt ebenso für die Gestaltung von Museen und Ausstellungen wie für die Straßenreinigung, den öffentlichen Nahverkehr und die Versorgung mit öffentlichen Toiletten. Aber es hilft ja nichts: Down Under, it‘s over.

Ruheständler Thomas Voigt reist auf der „AidaMar“ um die Welt. Seine bisherigen Berichte: