Bergedorf. Manche wollen nicht, manche warten: Bis auf ein Steakhouse bietet bisher keiner Mehrweg- Essenboxen an. Die Gründe.

Am heutigen Dienstag kommt sie, die Block Box: Thilo Dobler, Chef des Block House im Sachsentor, freut sich sehr über diesen Mehrwegbehälter, in dem Gäste nun auch ihre Speisen nachhaltig mit nach Hause nehmen können. „Wir hätten es gern schon ab Dezember angeboten. Jetzt werden wir die Box per Aushang am Eingang bewerben“, sagt Dobler und hat mit seinem Team damit eine Art Vorreiterstellung inne, was die seit Anfang des Jahres geltende Mehrwegangebotspflicht angeht.

Die neue Regelung wurde im Verpackungsgesetz des Bundes bereits im Mai 2021 beschlossen. Doch sie kommt in der hiesigen Gastronomie nur schleppend voran. Ein paar Meter vom Steakhouse entfernt wäre zum Beispiel eine umweltfreundliche „Asia box“ denkbar. Aber nur in der Theorie: Wer sich das Bestellen und Mitnehmen bei diesem asiatischen Restaurant fünf Minuten in der Mittagszeit ansieht, stellt fest, dass eine Mitnahme bisher nur in den klassischen Einwegverpackungen aus Pappe, Plastik und Styropor möglich ist. Auf Nachfrage, ob und wie die Mehrwegangebotspflicht ungesetzt werde, gab es keine Antwort. Möglicherweise ein Sprach- beziehungsweise Verständnisproblem. Denn das Wort „Mehrwegpflicht“ schien trotz ausführlicher Erläuterung nicht bekannt zu sein.

Mehrweg in der Gastronomie: Restaurants befürchten Extrakosten

Im türkischen Barbecue-Grill „Sis Kebap“ hat Geschäftsführer Talip Voral in den vergangenen 17 Monaten gewiss schon mal von der neuen Mehrwegpflicht gehört. Doch die Pflicht schlug bislang nicht so durch. Bisher habe kein Gast eine wiederverwertbare Essensbox im eher „to go“ orientierten Imbiss verlangt: „Wir müssen das noch umsetzen, aber wir machen das aus Kostengründen nur ungern“, sagt Voral offen und ehrlich.

Ablehnung auch an den Glasbläserhöfen im Ristorante Mamma Mia. Nach Meinung von Inhaberin Julieta Grath lohne sich das nicht für ihr Geschäft, „weil unser Außer-Haus-Anteil eher untergeordnet ist“. Bei der italienischen Konkurrenz La Puglia aus dem Sachsentor sei zwar jeder willkommen, der sich selbst eine Mehrwegbox für seine zuvor bestellte Pizza oder Pasta mitbringe. Eine Mitarbeiterin aus dem Service: „Wir haben zum Beispiel eine Kundin, die sich ihren Salat immer im eigenen Behälter mitnimmt.“ Aber dass sie selber für eine nachhaltige Verpackung sorgen müsse, sei „Blödsinn“. Dafür seien auch die Extrakosten zu hoch.

Neues Gesetz bietet kleine Ausnahmen – Inder macht der Umwelt zuliebe trotzdem mit

Das neue Gesetz betrifft im übrigen nicht Imbisse und Kioske, die weniger als fünf Mitarbeiter zählen und deren Geschäftsfläche 80 Quadratmeter nicht übersteigt. Die Mehrheit der lokalen Gastronomen muss aber umstellen und ist auch dabei. Hier kommt einer, der es nach eigener Aussage nicht zwingend müsste: Auch beim Imbiss Mahal Express im CCB-Gastrobrücke läuft alles bald nachhaltiger. Noch müssen sich die Kunden selbst ihre Mehrwegbehälter mitbringen. Ab nächster Woche haben wir eigene im Angebot“ sagt Lala Ndary, Betreiber des indischen Restaurants.

Ndary betont: „Eigentlich fallen wir gar nicht unter das neue Gesetz, weil wir weniger als fünf Mitarbeiter haben. Weil Take away aber ein so großer Teil unseres Geschäfts ist, haben wir trotzdem Mehrwegbehälter bestellt.“ Einwegverpackungen werde es weiterhin geben, auch weil sich mancher den Pfand, möglicherweise fünf bis zehn Euro, nicht leisten könne.

Supermärkte müssten eigentlich nachziehen

Auch beim Serrahn-Mexikaner Dos Amigos warten sie auf ihre nachhaltigen Essensverpackungen vom Großhändler, verkaufen nun letzte Tortillas, Enchiladas und Chilis in Restbeständen von Einwegkartons. Ob die neue Mehrwegangebotspflicht sich durchsetzen werde, bleibt für Servicekraft Tina Lau fraglich. Alles hänge von der Nachfrage der Kunden ab – bisher habe noch niemand nach einer Alternative zu den Plastik-Einwegkartons gefragt.

Im Moment kann sich die Bedienung noch nicht richtig vorstellen, wie die Mehrwegverpackungen erfolgreich werden. Vielleicht ja so: „Wenn die Kunden die Verpackungen im Tausch für etwas Geld bekommen und sie danach selber zurück bringen, würde es uns die Arbeit sehr erleichtern.“ Allerdings könne das laut Tina Lau auch zu Problemen führen: „Wir haben nicht immer die gleichen Gäste, viele sind nur selten hier. Das Zurückbringen bedeutet Umstände.“

Auch Arne Meyer ist dabei, Mehrweg möglich zu machen. Für seine Marschländer Elblounge sowie das Wein& Friesenstube in Ochsenwerder wartet er auf Mehrwegboxen. Im Februar oder März könne es wohl losgehen. Als Ansprechpartner der Bergedorfer Gastronomen im Dehoga, betrachtet Meyer die Mehrwegeregelung zwar als annehmbare Lösung zur Müllvermeidung. Jedoch sei der Zeitpunkt der Gesetzeseinführung nach der für seine Branche einschneidenden Corona-Krise, extremen Personalnöten und hohen Energiekosten nicht ideal. „Das ist im Grunde der nächste Punkt, in diesem Job gar nicht erst anzufangen.“

Sascha Franke auch Geesthacht hat bereits Lösungen in Arbeit

Ein einheitliches Geschirrsystem sei sinnvoll, damit die Gäste nicht ein Sammelsurium an Mehrwegschalen daheim horten. Auf der anderen Seite müssten die Gastronomen erst einmal eine gewisse Anzahl an Behältern anschaffen – das sei für sie erneut mit Kosten verbunden. Meyer zweifelt, dass jeder seiner Kollegen dies stemmen könne. Hier müsse es aus seiner Sicht staatliche Hilfen geben. Unverständlich sei auch, dass die Mehrwegangebotspflicht nicht größer angelegt werde, etwa auch Lebensmittelindustrie und Supermärkte betreffen sollen: „Mit ihrem Müllaufkommen müssten die sich auch etwas einfallen lassen.“

Gleich in mehrfacher Hinsicht sieht sich Gastronom Sascha Franke von den Neureglungen betroffen. Der bekannte Geesthachter hat jedoch bereits Lösungen im Kopf – und in Arbeit. Sein Landhaus Tesperhude bietet „Essen to go“ nur eingeschränkt an. „Wir sind keine Pizzeria und kein Kebab-Grill, wenn Kunden dies wünschen, tun wir dies aber natürlich.“ Zu Weihnachten stand die „Gans to go“ hoch im Kurs. „Wir haben die Kunden jeweils gebeten, einen Gänsebräter und Schüsseln für die Beilagen mitzubringen.“ Das habe so gut geklappt, dass Franke diese Methode gern auch in Zukunft nutzen möchte.

In Schwarzenbek nutzt Schröder im Ausnahmefall Geschirr aus dem Bestand

Größere Sorgen hat ihm zunächst sein Beach-Club bereitet. Dafür hat er jetzt eine Lösung: „Ich bin auf ein Unternehmen gestoßen, das recht hochwertige Pfandbecher zu einem vertretbaren Preis liefert.“ Für einen Euro Pfand werde er diese einsetzen. „Auch für den, der den Becher dann behalten will, ist der Preis dann akzeptabel.“ Dass mit der Gesetzesänderung der Einwegmüll wirklich eingedämmt werden kann, daran mag der Geesthachter nicht so recht glauben. „Die großen Burgerketten, die werden Wege finden. Sie und die ganz kleinen, die wie Pommes- oder Kebab-Buden von der Regelung ausgenommen sind, sind doch diejenigen, die den meisten Müll produzieren.“

Hans Schröder, Inhaber des Hotels Schröder in Schwarzenbek sagt: „Ich finde die Neuregelung grundsätzlich sehr gut. Mich persönlich betrifft es allerdings nicht, weil wir praktisch keinen Außerhaus-Verkauf haben.“ Bei privaten Feiern komme es vor, dass Speisen auch angeliefert oder mitgenommen werden würden. Dafür verwendet Schröder Geschirr aus seinem Bestand. Das sei aber die absolute Ausnahme.

Bergedorf Becher funktioniert auf der Coffee-to-go-Ebene

Auch Wegwerf-Kaffeebecher verunreinigen die Umwelt. Die Koffeinschmiede, Café Timm, In aller Munde, Café Bouquet, La Petite rue und die Weinkellerei von Have brachten, um diesen Müllberg einzudämmen, für Außer-Haus-Getränke den Bergedorf Becher heraus. Einmalig ist in all diesen Häusern ein Euro plus der Getränkepreis zu zahlen, dann kann man mit dem in zwei Größen erhältlichen Becher immer wieder zum Nachfüllen kommen. Ein einheitliches System kurz und gut verabredet: Seit drei Monaten, sagt Andreas Kilonzo (Chef des Schlossrestaurants und des Bistros In aller Munde), laufe der Becher mit dem Kranmotiv gut an: „Die Gäste kostet es eigentlich nichts extra, und es wird kein zusätzlicher Müll produziert.“

Für seine beiden Läden wird Kilonzo übrigens kein Mehrwegsystem für Essen zum Mitnehmen einführen: „Das Bistro ist zu klein, im Schlossrestaurant gibt es kein ,to go’. Das ist auch nicht in Planung.“ Doch vielleicht muss über die Einhaltung des Mehrweggesetzes bald gar nicht mehr gesprochen werden. Das hofft zumindest Tina Lau aus dem Dos Amigos: „Irgendwann werden Mehrwegbehälter in der Gastronomie für uns alle normal sein. Da bin ich mir sicher.“