Suva/Fidschi. Zu Weihnachten sollte es nur gute Nachrichten von Bord des Kreuzfahrtschiffs geben. Doch dann geht es auch um Terror und Entführung.
Es weihnachtet seit Wochen kolossal auf unserer Weltreise. Restaurants und Säle der „AidaMar“ sind adventlich geschmückt, hinter jeder zweiten Ecke an Bord lauert ein grell dekorierter Tannenbaum. Auch auf den Südseeinseln, die wir während unserer Kreuzfahrt besucht haben – Tahiti, Moorea, Bora Bora – ist das Weihnachtsfest keine unbekannte Größe und wird nach Herzenslust zelebriert.
Auf Bora Bora winkte mir sogar schon der Weihnachtsmann aus einem alten Schulbus zu, an einem der Traumstrände schossen Crew-Mitglieder bei 28 Grad im Schatten Selfies mit roter Weihnachtsmütze. Das Bordprogramm bot uns zum 3. Advent ein Konzert mit Weihnachtsliedern zum Mitsingen, am 4. Advent einen Weihnachtsmarkt mit Bühnenshow vor festlicher Kulisse. Auch beim Wichtelspiel der Aida-Passagiere mache ich mit, habe zwei gelesene Bücher als Geschenk verpackt und an der Rezeption abgegeben. Nun bin ich gespannt, was für ein Geschenk ich im Gegenzug heute auspacken darf.
Kreuzfahrt: Ein Prominenter gerät auf der „AidaMar“ ins Plaudern
Immer wieder sprechen mich Passagiere auf dieses Weltreise-Tagebuch an und fordern mich auf, doch mehr Gutes, Positives zu berichten, statt immer nur mit genüsslicher Häme die kleinen Misslichkeiten und Verfehlungen breitzutreten, die bei so einer fast vier Monate währenden Weltreise nun mal am Wegesrand liegen. Liebe Aida-Gäste, heute ist Heiligabend, und gern erfülle ich diesen Wunsch: Diese Folge meiner Serie enthält ausschließlich gute Nachrichten.
Die Erlebnisse bei den Landgängen in der Südsee steigern sich von Insel zu Insel. Auf Tahiti haben mich besonders die Wasserfälle im Urwald beeindruckt – erhaben, geräuschvoll urgewaltig und doch romantisch. Es sind Orte, wo die Zeit zu stehen scheint. Auf Moorea bin ich durch den Urwald gewandert, habe dort zwei jahrhundertealte Zeremonialplattformen entdeckt, wo die ersten Einwohner der Insel politische Versammlungen und religiöse Rituale abhielten. Auf der Trauminsel Bora Bora war ich auf Schnorcheltour, bin mit den Riffhaien geschwommen, habe Rochen gestreichelt und sogar einen riesigen Manta aus etwa vier Metern Entfernung gesehen. Es waren unvergessliche Stunden.
Im Brauhaus an Bord wird eigenes Aida-Bier gebraut
Was ich schon längst mal erzählen wollte: Freunde des frisch gezapften Biers sind hier bei uns auf dem richtigen Dampfer. Kein Joke: Im Restaurant Brauhaus auf der „AidaMar“ wird eigenes Bier gebraut. Aus Hopfen, Malz, Hefe und an Bord entsalztem Meerwasser entsteht das naturtrübe Aida Zwickel. Wer es mal testen möchte, bestellt am besten ein Probierbrett mit je einem kleinen Glas Zwickel, Weizen und Festbier, ebenfalls hier an Bord gebraut.
Ein Träumchen ist seit Kurzem auch die Versorgung mit Mineralwasser auf der Kabine. Lange Zeit gab es chilenisches Wasser mit oder ohne Sprudel, das schmeckte gar nicht mal schlecht. Nachdem wir aber in Papeete tonnenweise Proviant per Charterflug aus Hamburg erhielten, finde ich täglich eine Flasche sprudelndes San Pelegrino und eine Flasche stilles Volvic an meinem Bett. Das nenne ich exquisit.
Stefan Aust nimmt die „AidaMar“-Passagiere mit auf eine „Zeitreise“
Die Vortragsreihe „Zeitreise“ von meinem hochkarätigen Kollegen Stefan Aust ist nicht nur für mich ein Glücksfall. Der Erfinder von „Spiegel TV“, bis 2008 Chefredakteur der Zeitschrift „Der Spiegel“, dann bei der Tageszeitung „Welt“, bleibt noch bis Sydney an Bord. Hätte ich Vorbilder in meinem Leben, er wäre ganz sicher eines davon.
Stefan Austs „Zeitreisen“ im Theatrium unseres Kreuzfahrtschiffes führen anhand von TV-Beiträgen zurück in die Zeit von 68er-Studentenbewegung und RAF-Terror, Schleyer-Entführung mit Mogadischu-Geiseldrama, zehn Jahre später dann die Barschel-Affäre, bald darauf Mauerfall und Wiedervereinigung. All das hat Aust seinerzeit journalistisch begleitet und plaudert nun dazu fast täglich eine Stunde lang selbstbewusst aus dem Nähkästchen.
Die Bergedorfer Zeitung ist Stefan Aust schon lange ein Begriff
Unsere Bergedorfer Zeitung ist dem Programm- und Blattmacher ein Begriff, seine Mutter lebte lange Jahre direkt am Lohbrügger Markt. So kamen wir schnell miteinander ins Gespräch, und ich konnte eine Frage an ihn richten, die mir schon seit Monaten auf der Seele liegt: Wie kann es sein, dass die gefälschten Hitler-Tagebücher dem „Stern“ noch 40 Jahre später vorgeworfen werden, der „Spiegel“ aber seinen Skandal um den Geschichtenfälscher Claas Relotius vor vier Jahren sang-, klang- und schadlos überstanden hat?
„Na ja, der ,Spiegel‘ hat schon kräftig Schaden davongetragen“, schätzt Aust. „Vor dem Hintergrund der finsteren deutschen Geschichte hat aber eine ganze Serie mit falschen Hitler-Tagebüchern noch ein anderes Gewicht als ein einzelner Falschschreiber.“
Und wie konnte es passieren, dass der honorige „Spiegel“ dem Mann auf den Leim ging? Stefan Aust schüttelt den Kopf: „Einfach nur beknackt war das. Die haben seine Texte nicht auf Stichhaltigkeit überprüft. Als die Sache aufgeflogen war, habe ich die Relotius-Geschichten mal gelesen. Sicherlich ist man hinterher immer schlauer, aber ich hoffe jetzt mal sehr, dass ich als Chefredakteur dieses Zeug nicht gedruckt, sondern in die Tonne getreten hätte. Da standen schon gleich im ersten Absatz Dinge, die der Autor gar nicht wissen konnte.“
Hmm... Wenn das alles ist, muss ich ja befürchten, dass auch andere „Spiegel“-Schreiber so gearbeitet haben wie Kollege Relotius. Und Aust: „Das befürchte ich leider auch.“ Dann gibt er mir noch auf den Weg, was er die „Software der Falschberichterstattung“ nennt: „Es sind drei große ,G’s: Gefühl, Gesinnung und Gelaber.“ Herr Aust, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.
Ruheständler Thomas Voigt reist auf der „AidaMar“ um die Welt. Seine bisherigen Berichte:
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