Hamburg. Ruheständler Thomas Voigt erfüllt sich seinen Traum: Eine Kreuzfahrt einmal um den Globus. Wo die „AidaMar“ überall Halt macht.

Noch drei Nächte zu Hause schlafen und dann lange, lange Zeit nicht wieder. Je näher der Tag meiner Abreise rückt, um so komischer wird’s mir im Bauch. Was wird das Aida-Kreuzfahrtschiff mit mir machen auf der vier Monate langen Reise? Werde ich hinterher noch derselbe sein? Und der kleine Kosmos, der hier mein Leben bestimmt – wird er vielleicht bei meiner Rückkehr Ende Februar längst gelernt haben, sich ohne mich zu drehen? Ist mein heutiger Platz in Hamburg dann gar besetzt von irgendeinem Wildfremden? Auf den Punkt gebracht: War es wirklich eine gute Idee, auf diese zudem sündhaft teure Weltreise zu gehen?

Egal, nun gibt’s kein Zurück mehr. Am Mittwoch um 20 Uhr legt die „AidaMar“ in Hamburg ab, und ich werde steuerbords an der Reling stehen, ausgiebige Abschiedsblicke auf meine Heimatstadt werfen. Erst am 20. Februar werde ich Hamburg wiedersehen. Seit meiner Buchung vor mehr als einem Jahr habe ich mich auf diese Reise gefreut. Ich liebe das Meer. Das ist auch einer der Gründe, warum ich auch diesen Planeten so liebe. Immerhin sind mehr als 70 Prozent der Erde mit diesem duftenden Salzwasser bedeckt.

Aida: Hamburger startet mit dem Kreuzfahrtschiff zur Weltreise

Im Kreuzfahren erfahren: Ruheständler Thomas Voigt im Jahr 2011 auf der „Queen Mary“ im Hafen von Oslo.
Im Kreuzfahren erfahren: Ruheständler Thomas Voigt im Jahr 2011 auf der „Queen Mary“ im Hafen von Oslo. © Thomas Voigt | Thomas Voigt

Unsere Reiseroute führt von Hamburg nach Hamburg – über Spanien, die Kanaren, die Kapverden, Südamerika, diverse Südseeinseln, Australien, Mauritius, Südafrika, Namibia, noch mal Kapverden, noch mal Kanaren, Lissabon und Le Havre/Paris. Am meisten freue ich mich auf den Schnorchel-Trip am zweiten Weihnachtstag auf Mystery Island und aufs Silvesterfeuerwerk in Sydney.

Ich glaube, ich kann mich mit Fug und Recht als kreuzfahrterfahren bezeichnen. Beim ersten Mal war ich noch keine 30, es ging mit Mama und Tante Jutta auf der „Odessa“ über die Ostsee. Durch Rostock führte uns noch eine gestrenge DDR-Hostess, und St. Petersburg hieß noch Leningrad. Dort, vor der weltberühmten Eremitage, stand ein Hamburger-Imbisswagen, der mit seinem gelb-roten Anstrich hilflos bemüht war, wie McDonald’s zu auszusehen. Die Versorgung mit Nachrichten auf dem Schiff war vergleichsweise vorsintflutlich, und wir verfolgten damals gebannt jeden Fetzen Information, der uns zu einem unglaublichen Banküberfall mit tagelanger Geiselnahme im rheinischen Gladbeck erreichte.

Zweimal auf der Route wechselt ein Teil der Fahrgäste

Die zweite Kreuzfahrt war 13 Jahre später – meine Hochzeitsreise mit Tina auf der „Queen Elizabeth II“: Southampton, Lissabon, Gibraltar, Madeira, Kanaren, Southampton. In dem kleinen, fensterlosen PC-Raum knapp unterhalb der Wasserlinie konnten wir schon E-Mails senden und empfangen, ansonsten ging es bei der althochehrwürdigen Reederei Cunard noch etwas steif zu. Das Essen war delikat, unsere Kabine auf dem noblen 50-Jahre-Pott a bisserl muffig, einziges Tageslicht bot ein versenktes Bullauge. Aber egal: Es fühlte sich schon majestätisch an, an einem der wenigen Strände von Lanzarote zu baden, unsere vor Anker liegende, schwarz-weiße Queen zum Greifen nah vor Augen.

Auch verschiedene Inseln im Pazifik (hier Bora Bora) wird das Schiff anlaufen.
Auch verschiedene Inseln im Pazifik (hier Bora Bora) wird das Schiff anlaufen. © picture alliance / Zoonar | Marcelo Rabelo

Dann kamen noch – ebenfalls mit Tina – 2011 eine Woche Norwegen von und bis Hamburg auf der „Queen Mary“ dazu und 2019 ein Schottland- und Norwegen-Trip mit Aida. Ich weiß also ungefähr, was mich erwartet, wenn ich am Mittwoch an Bord gehe. Und doch ist diesmal nicht alles, aber vieles ganz anders. Das beginnt schon mal damit, dass ich die Tour allein antrete. Tina muss noch ein paar Jahre arbeiten bis zum wohlverdienten Ruhestand. Bleibt also zu hoffen, dass ich auf der Aida nette Leute treffe, mit denen es passt. Zweimal auf der Route wechselt ein bisschen das Publikum: Ende November in Santiago de Chile und am 19. Januar auf Mauritius. Denn man kann die Reise auch in diesen drei Einzeletappen buchen.

Was tun an 74 Tagen ohne Landgang auf hoher See?

Anders als bei kurzen Kreuzfahrten wird auch die Taktung. Jeden Tag ein anderer Ort – das wird es nicht geben. Wir laufen an 117 Tagen 43 Häfen an. Umgekehrt bedeutet das 74 Tage ohne Landgang auf hoher See, einmal sogar sechs Tage hintereinander. Denn wie ich schon sagte: Mehr als 70 Prozent der Erdoberfläche ist Meer. Da heißt es richtig Zeit totschlagen mit Sport, Sauna, Entertainment im Theatersaal, guten Büchern und viel Schlaf.

Das Silvesterfeuerwerk im Hafen von Sydney in Australien soll einer der Höhepunkte der Reise werden.
Das Silvesterfeuerwerk im Hafen von Sydney in Australien soll einer der Höhepunkte der Reise werden. © picture alliance/dpa/AAP | Mick Tsikas

Einen ganz anderen Umfang haben auch die Vorbereitungen bei einer vier Monate langen Reise. Das wöchentliche Nachrichtenmagazin abbestellen – daran habe ich schon mal rechtzeitig gedacht. Und auch meine HVV-Abocard ist zu Ende Oktober gekündigt. Spart bis Ende Februar immerhin mehr als 360 Euro. Bei der BahnCard 50 geht das nicht so leicht, die wäre bei mir eigentlich bis Mitte Mai gelaufen. Aber ich hatte Glück: Die Bahn hat nachträglich den Preis erhöht, will 9 Euro mehr von mir haben. So habe ich nun ein außerordentliches Kündigungsrecht. Schönes Arbeiten mit der Bahn…

Vor dem Start noch ein Besuch beim Zahnarzt

Vorletzte Woche war ich noch mal beim Zahnarzt. „Zu spät“, tadelt mich der gestrenge Mann. „Was wäre denn, wenn wir jetzt eine richtige Baustelle hätten, die mehrere Wochen dauert?“ Zum Glück ist mein Zahnbestand komplett intakt. Eine Extra-Packung Blutdruck-Tabletten musste ich mir auch noch holen. So eine Hunderter-Packung reicht ja nicht für 117 Reisetage.

Die vierte Corona-Impfung, das Visum für Australien – so eine bevorstehende Weltreise hält Dich richtig in Schach. Irgendwas ist immer noch. Dann mein riesiger Seekoffer. Was muss da alles rein? Ein Bademantel? Schnell mal auf der Aida-Homepage geschaut: Nein, den gibt es dort in der Kabine. Den Platz im Koffer kann ich anders nutzen. Wäsche für vier Monate? Schlechter Witz. Wir haben ja auf dem Schiff einen Waschsalon. Aber gibt es da auch Waschpulver? Genug für alle? Mitten auf dem Pazifik? Ich füll mir lieber zu Hause eine kleine Tüte ab. Zwei Wochen lang hat mein offener Koffer neben dem Bett gelegen, und jeden Tag ist mir etwas anderes für ihn eingefallen. Nun bin ich gespannt, was mir dennoch alles fehlen wird an Bord.

Ich glaube, insgeheim bin ich ein ziemlicher Warmduscher. Mit meiner großen Klappe kann ich das normalerweise gut verbergen. Jetzt aber werde ich nachts wach und denke: „Sch…., Thomas, auf was für ein Ding gehst du da nur los?“ Mein Glück ist dann diese andere Stimme, die sich irgendwann von ganz hinten meldet und mir sagt: „Keine Panik auf der Titanic. Sobald du unterwegs bist, wirst du jede Minute deiner einzigartig schönen Reise genießen.“

Liebe Leserinnen und Leser der bz/LL, ich werde Sie auf dem Laufenden halten. Also dann: ahoi und bis bald!