Bergedorf. Sieben oder acht Etagen könnte das Haus neben dem eigentlichen Neubau am Bergedorfer Markt hoch werden. Was Anrainer befürchten.
So richtig freuen mag sich Herrenausstatter Dieter Willhoeft nicht, wenn er auf die Pläne für den Neubau neben seinem Geschäft am Bergedorfer Markt schaut. „Bitte macht nicht noch mal die gleichen Fehler wie vor 60 Jahren und baut einen Komplex, der hier nicht hinpasst“, sagt der 83-Jährige, der schon den Bau des gerade abgerissenen Karstadthauses Mitte der 60er-Jahre miterlebte.
Doch während damals ein riesiger Klotz aus Beton und Glas die historisch gewachsene Kleinteiligkeit der Sachsentor-Immobilien komplett ignorierte, ist es in Willhoefts Augen dieses Mal nur einer der beiden Neubauten, den der Sieger des Architektenwettbewerbs überdimensioniert hat: „Das direkt neben uns geplante vierstöckige, hell verputzte Wohn- und Geschäftshaus mit den abgerundeten Arkaden-Fenstern passt sehr gut“, befindet der Modeexperte. „Aber dann folgt neben dem neuen Durchgang vom Markt zur Straße Hinterm Graben ein rot verklinkerter Koloss von sieben, vielleicht sogar acht Stockwerken. Der fällt auf den veröffentlichten Visualisierungen des künftigen Bergedorfer Markts zwar kaum auf, wird den gesamten Platz aber verschatten.“
Koloss wird dem Bergedorfer Markt die Nachmittagssonne nehmen
Tatsächlich soll der Riese ausgerechnet im Südwesten des beliebten Platzes hochgezogen werden und würde der Außengastronomie so selbst im Sommer schon vom frühen Nachmittag an die Sonne nehmen. „Es wäre das gleiche Problem wie für die Gastronomie am Bergedorfer Hafen, nur mit einem entscheidenden Unterschied“, sagt Willhoeft. „Dort sitzen die Leute im Schatten der Gebäude der Serrahnstraße, die nun mal von Nord nach Süd verläuft. Aber für den Bergedorfer Markt kann die Sonne gerettet werden, wenn es gelingt, den Koloss etwas zu stutzen.“
Das sieht auch Bergedorfs Wirtschaftsverband WSB so. Zusammen mit dem Grundeigentümer-Zusammenschluss BID Sachsentor hatte er schon zur Jury-Sitzung des Architektenwettbewerbs im November eine entsprechende Stellungnahme eingereicht. Darin wird eine gutachterliche Untersuchung zur Beschattung des Bergedorfer Markts gefordert. „Wir regen an, notfalls über eine Reduzierung des Klinkerbaus um ein bis zwei Geschosse nachzudenken und dafür das andere Gebäude in Teilen zu erhöhen, um keinen wesentlichen Verlust an Wohnraum zu verursachen“, sagt WSB-Geschäftsführer Marc Wilken.
Politik signalisierte überwiegend Zustimmung zur „mutigen Höhe“
Bergedorfs Politik hatte indes überwiegend Zustimmung zur „mutigen Höhe“ des großen Gebäudes signalisiert. Und mit diesem Votum ist die Verwaltung jetzt auch ins interne Planungsverfahren gegangen, das voraussichtlich bis Mitte 2024 dauern und mit einem neuen Bebauungsplan enden wird. Der muss dann auch die Gebäudehöhen neu festlegen. Denn bisher sind auf dem gesamten ehemaligen Karstadt-Areal am Bergedorfer Markt nur maximal zwei Geschosse erlaubt.
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Marc Wilken geht davon aus, dass der gemeinsame Vorstoß von WSB und BID Sachsentor im laufenden Verfahren berücksichtigt wird. Dass auch die Öffentlichkeit noch mal beteiligt wird, ist angesichts der Transparenz des bisherigen Verfahrens zwar zu erwarten, allerdings nicht sicher. Denn es handelt sich nicht um ein allgemeines, sondern um ein vorhabenbezogenes Bebauungsplanverfahren.
Uneinigkeit über geplanten Durchgang zwischen den Gebäuden
Zudem ist der Grundeigentümer und Investor nach Informationen unserer Zeitung schon jetzt nicht vollends begeistert vom siegreichen Entwurf: Weil der Durchgang die Bebauung in zwei Gebäude teilt, fällt neben Laden- und Gastroflächen im Erdgeschoss auf den Etagen darüber sehr viel potenzieller Wohnraum weg.
Dieter Willhoeft sieht den Durgang dagegen als wichtiges Element: „Er verschafft dem Bergedorfer Markt noch mehr Zentralität und den Geschäften in den Neubauten zusätzliche Schaufensterflächen im Arkaden-Stil. Das lässt sogar ein Stück altes Bergedorf wieder aufleben. Denn die oben abgerundeten großen Erdgeschoss-Fenster sind den beiden Gebäuden der Bergedorfer Zeitung nachempfunden, die bis Mitte der 60er-Jahre unsere direkten Nachbarn waren.“