Mehr als fünf Wochen nach dem Tod der möglicherweise verhungerten neun Monate alten Lara-Mia in Hamburg sind Vorwürfe gegen die zuständigen Sozialbehörden laut geworden. Laut einem Expertenbericht müssten sich sowohl der Allgemeine Soziale Dienst (ASD) als auch eine von ihm beauftragte Diakoniesozialeinrichtung Fehler vorwerfen lassen.
Hamburg. Beide hätten die "über Wochen und sogar Monate anhaltende" Mangelernäherung des Kindes nicht bemerkt, hieß es. Die Sozialbehörde kündigte unter anderem an, künftig die ambulante Betreuung durch soziale Dienste besser zu belegen und transparenter zu dokumentieren.
Laut der Expertise missachtete der zuständige Sozialarbeiter des ASD Wilhelmsburg etwa "einschlägige Regelungen" zum Schutz des Kindeswohls, als er sich nur telefonisch nach dem Zustand des Kindes erkundigte habe, nachdem er bei einem Hausbesuch im Dezember 2008 die Mutter Lara-Mias nicht angetroffen hatte. Insgesamt sei das Wohl des Kindes gemäß dem behördlichen Hilfeplan immer weiter in den Hintergrund gerückt.
Dem Bericht zufolge, der gemeinsam von der Sozialbehörde, dem Bezirksamt Hamburg-Mitte und der Diakonieeinrichtung "Das Rauhe Haus" erarbeitet wurde, hatte der Sozialarbeiter zudem "unkritisch" der Einschätzung einer langjährigen Mitarbeiterin des "Rauhen Hauses" vertraut, die den kritischen Gesundheitszustand des Mädchens ebenfalls nicht bemerkt habe. Durch den engen Kontakt zu der Mutter sei wahrscheinlich ihr "Blick auf das Baby nicht ausreichend geschärft" gewesen. Der Betreuerin, der Mutter sowie ihrem Lebensgefährten sei vorzuwerfen, dass sie die Mangelernährung des Kindes nicht erkannt und keinen ärztlichen Rat einholt hätten.
Sozialsenator Dietrich Wersich (CDU) sagte, bei der weiteren Aufklärung des Falls sollte von gegenseitigen Schuldzuweisungen der Beteiligten abgesehen werden. Er wies daraufhin, dass das Jugendamt und die Sozialeinrichtung sowie deren Mitarbeiter in einem "extrem schwierigen Umfeld tätig" gewesen seien. Ziel müsse es künftig sein, das "Bewusstsein für Fehler", die durch Routine entstünden, zu steigern.
Der Vorsteher des "Rauhen Haus", Friedemann Green betonte, dass die Zusammenarbeit der Mutter, die bereits als 17-Jährige während der Schwangerschaft betreut worden war, durch deren ablehnende Haltung gegenüber Hilfsangeboten erschwert worden sei. Inzwischen sei die Sozialarbeiterin, die die Familie betreute, vom Dienst freigestellt worden. Ob es weitere Sanktionen gegen die Frau gebe, die seit 19 Jahren für die Einrichtung arbeite, hänge vom Ausgang der strafrechtlichen Ermittlungen ab.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen die Mutter und deren 21-jährigen Lebensgefährten, der nicht der leibliche Vater des Kindes ist, wegen Verdachts des Totschlags durch Unterlassen. Ein Verfahren läuft auch gegen die Sozialarbeiterin. Nach Angaben eines Sprechers der Hamburger Staatsanwaltschaft ist unterdessen die genaue Todesursache noch nicht geklärt. Die Rechtsmediziner hätten bisher kein abschließendes Gutachten vorgelegt. Das Mädchen war am 11. März tot von Rettungskräften in einer Wohnung im Beisein der Mutter und ihres Lebensgefährten gefunden worden. Die Obduktion hatte eine deutliche Unterernährung des Mädchens ergeben, das nur noch 4,8 Kilogramm wog.