Staatsanwaltschaft wirft Sozialarbeiterin des Rauhen Hauses vor, Schutzpflichten nicht nachgekommen zu sein.
Der Tod des Babys Lara hat ein weiteres juristisches Nachspiel: Nachdem sich bereits die Mutter des unterernährt im Alter von neun Monaten gestorbenen Kindes sowie deren Lebensgefährte vor Gericht verantworten müssen, hat die Staatsanwaltschaft nun auch Anklage gegen die Betreuerin der jungen Familie erhoben.
Die Sozialarbeiterin Marianne K. sei der fahrlässigen Körperverletzung durch Unterlassen gemäß §§229, 13 StGB hinreichend verdächtig, heißt es. Die Anklageschrift wurde bereits am 26. Oktober verfasst und jetzt der Sozialarbeiterin des Rauhen Hauses zugestellt.
Marianne K. hatte im April 2008 die Betreuung von Laras minderjähriger Mutter Jessica R. übernommen. Konkret wird ihr vorgeworfen, das Mädchen niemals unbekleidet gesehen, das Vorsorgeheft nicht eingesehen sowie Mutter und Kind nicht zu Arztbesuchen begleitet zu haben. Im Falle einer Verurteilung droht Marianne K. vermutlich eine Geldstrafe.
Lara war am 11. März dieses Jahres in der gemeinsamen Wohnung ihrer Mutter Jessica R. (18) und deren Freund Daniel C. (21) in Wilhelmsburg tot und mit Anzeichen einer Mangelernährung aufgefunden worden. Das Mädchen wog zu diesem Zeitpunkt nur noch 4,8 Kilogramm. Normal wären in seinem Alter 7,5 bis 10,6 Kilogramm gewesen. Lara war völlig ausgetrocknet, der Körperfettanteil lag bei nahe null Prozent.
Gegen Jessica R. und Daniel C. ist bereits im August, also fünf Monate nach dem Tod des Kleinkindes, Anklage wegen versuchten Totschlags durch Unterlassen erhoben worden. Einen Termin für den Prozessauftakt gibt es aber nach Auskunft der Staatsanwaltschaft noch nicht. Während sich die Mutter und ihr Lebensgefährte vor dem Landgericht verantworten müssen, wird der Fall Marianne K. vor dem Amtsgericht Harburg verhandelt.
"Wir werfen der Betreuerin vor, ihren das Kindeswohl betreffenden Schutzpflichten nicht ausreichend nachgegangen zu sein und so den Erkrankungszustand des Kleinkindes nicht erkannt zu haben", erklärte Oberstaatsanwalt Wilhelm Möllers.
Nicht mit einer Anklage rechnen muss hingegen der für die Familie zuständige Mitarbeiter des Jugendamts Wilhelmsburg, Bernd B. Wie Möllers sagte, seien die Ermittlungen, die gegen ihn wegen eines Anfangsverdachts geführt wurden, eingestellt worden. "Ein hinreichender Verdacht einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Straftat besteht hinsichtlich des beschuldigten B. nicht", heißt es in einem Vermerk der Staatsanwaltschaft. Denn B., der die Familie als Vertreter des Jugendamts betreute, sei nicht "unaktiv gewesen". Er habe Kontakt zur Familie aufgenommen, nachdem sich die Schwestern von Jessica R. besorgt über den Gesundheitszustand von Lara geäußert hatten. Dass Bernd B. von einer anhaltenden Lebensgefahr Laras ausgehen musste, dafür gebe es nicht genügend Anhaltspunkte, sagte Möllers. "B. hat sich auf die beruhigenden Angaben der Betreuerin K. verlassen."
In der Stiftung Rauhes Haus wurde die Anklage mit zwiespältigen Gefühlen aufgenommen. "Zum einen begrüßen wir das, weil wir auf ein klares Ergebnis hoffen. Zum anderen wissen wir um die schwere Belastung unserer Mitarbeiterin", sagte Uwe Mann van Velzen. "Wir sind nach den langen Zeiten aber froh, dass es jetzt losgeht." Marianne K. hat sich bislang nicht zu den Vorwürfen geäußert. Sie hatte die Familie zuletzt am 3. März besucht, acht Tage vor Laras Tod. Ihren Angaben nach war das Baby zu der Zeit wohlauf. Warum Lara letztlich starb, konnte auch die Gerichtsmedizin nicht abschließend klären. Festgestellt wurde zwar ein Zustand gravierender Mangelernährung, aber auch ein plötzlicher Kindstod wurde nicht ausgeschlossen.