Rund zwei Drittel der Belegschaft waren ins Hamburger Rathaus gekommen, um einen offenen Brief an Senator Wersich und Bürgermeister Ole von Beust (CDU) zu übergeben. Darin ist von “Wut und Enttäuschung“ über das Expertengutachten im Fall Lara die Rede.

Mitarbeiter des Allgemeinen Sozialen Dienstes (ASD) Wilhelmsburg haben gegen das Expertengutachten von Sozialsenator Dietrich Wersich (CDU) im Fall des mit neun Monaten gestorbenen Babys Lara protestiert. Rund zwei Drittel der Belegschaft waren ins Hamburger Rathaus gekommen, um einen offenen Brief an Senator Wersich und Bürgermeister Ole von Beust (CDU) zu übergeben. Beide waren wegen einer Sitzung nicht erreichbar. Stattdessen nahm Staatsrätin Angelika Kempfert das Schreiben entgegen.

In dem Brief, der dem Abendblatt vorliegt, heißt es wörtlich: "Mit Wut und Enttäuschung haben wir die Pressekonferenz am Freitag, 17. April, und ihren Expertenbericht zum Fall Lara R. zur Kenntnis genommen." Besonders die Vorwürfe einer "nicht ausreichenden Dokumentation, telefonische Abklärung statt einer Inaugenscheinnahme des Kindes, sowie eine angeblich nicht erfolgte kollegiale Beratung erfüllen uns mit Unverständnis und Wut." Das Gutachten, das nach dem Tod der unterernährten Lara aus Wilhelmsburg die Umstände des Todes klären und die Arbeitsabläufe der betreuenden Mitarbeiter von Jugendamt und Rauhem Haus klären sollte, kam zu dem Ergebnis, dass vor allem der fallzuständige Mitarbeiter des ASD-Wilhelmsburg und die Betreuerin des Rauhen Hauses Fehler gemacht hätten. Der Behörde seien hingegen keine Versäumnisse vorzuwerfen.

Das weisen die Mitarbeiter nun deutlich zurück. Der Kollege habe "im Rahmen der personellen Ressourcen" gearbeitet, heißt es. Zurzeit betreue jeder Mitarbeiter des ASD-Wilhelmsburg 95 Fälle, so Astrid Diers, Sozialpädagogin und seit mehr als 20 Jahren beim ASD in Wilhelmsburg. Und so heißt es auch in dem offenen Brief an Senator Wersich: "Ihre Behörde und damit auch Sie, waren seit Monaten über die katastrophale Arbeitssituation informiert." In einem an Wersich formulierten Brief vom September 2008 hatten die Mitarbeiter darauf hingewiesen, dass "die Akten nicht mehr in dem Maße geführt werden können wie es erforderlich ist. Planung und Begleitung von Hilfsverläufen nicht mehr zu bewältigen sind… und die Abteilung nicht mehr handlungsfähig ist". Die Reaktion der Behörde daraufhin seien Arbeitsanweisung wie "Hilfeplanung light" und "Prioritätensetzung" gewesen.

Während der Übergabe im Rathaus hat sich der ASD-Altona telefonisch bereits solidarisch erklärt. Die Altonaer kündigte an, bei künftigen Protest-Aktionen dabei zu sein.

Der Fall des Babys Lara und das Expertengutachten steht heute Nachmittag auch wieder auf der Tagesordnung des Familienausschusses der Bürgerschaft.