Hagen/Arnsberg. Im Frühjahr erschien Ex-Infineon-Manager nicht in Arnsberg vor Gericht. Was sein Verteidiger nun vor Prozess-Neustart ankündigt.

Als im Frühjahr der Prozess gegen den ehemaligen Infineon-Manager, der Firmengeld in zweistelliger Millionenhöhe unterschlagen haben soll, am Landgericht Arnsberg starten sollte, da erschien der Hauptangeklagte nicht zur Verhandlung vor Gericht. Schließlich drohte Richterin Dorina Henkel, den Dortmunder, der krank gewesen sein soll, per Vorführbefehl und „mit dem polizeilichen Taxi“ nach Arnsberg bringen zu lassen.

So weit kam es dann doch nicht, der Prozess wurde nach einigem Hin und Her um Monate verschoben. Doch nun, wenn für den kommenden Dienstag der zweite Anlauf vor der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts genommen wird, soll alles anders sein als vor einem halben Jahr.

„Unser Mandant“, sagte Verteidiger Karsten Possemeyer der Westfalenpost, „wird am Dienstag zur Verhandlung erscheinen. Er ist verhandlungsfähig.“

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Einst mit Sigmar Gabriel in Vietnam

Im Frühjahr hatte es dazu – zur Frage der Verhandlungsfähigkeit – unterschiedliche Darstellungen gegeben. Die Verteidiger des Hauptangeklagten, der früher als ein Mann mit einem guten Ruf in Industriekreisen galt und mal eine Wirtschaftsdelegation mit dem damaligen Bundesminister Sigmar Gabriel an der Spitze nach Vietnam begleitet hatte, hatten auf ein Attest verwiesen, das ihrem Mandanten Verhandlungsunfähigkeit bescheinige. Zudem wiesen sie den Vorwurf des Zeitspiels zurück. Ihr Mandant sei nachweislich krank.

Laut Gericht hatte damals allerdings eine Gutachterin vor Beginn des vierten geplanten Verhandlungstages den Hauptangeklagten untersucht und weder eine Verhandlungs- noch eine Reiseunfähigkeit erkennen können, dafür aber eine „Dramatisierung“ bei den Schilderungen des ehemaligen Infineon-Managers. Die Kammer unter dem Vorsitz von Dorina Henkel hatte „Zweifel“ am Gesundheitszustand des Hauptangeklagten geäußert, konnte diese aber „nicht belegen“. Öffentlich benannt wurde die Erkrankung des Dortmunders nicht.

Zu dem damaligen Schauspiel gehörte auch, dass an jenem Verhandlungstag Anfang Mai zwei der drei Verteidiger des Hauptangeklagten ebenfalls nicht vor Gericht erschienen waren und Possemeyer der Kammer erklärte, er sei nur eingeschränkt entscheidungsfähig, weil der weisungsbefugte Hauptverteidiger nicht anwesend sei...

Firmengeld in private Immobiliengeschäfte gesteckt?

Diesmal, erklärt das Landgericht Arnsberg, „gibt es keine Anzeichen, dass der Angeklagte nicht verhandlungsfähig“ wäre. Daher habe man weder eine amtsärztliche Untersuchung angeordnet noch einen Haftbefehl erlassen. Die Kammer gehe davon aus, dass der Prozess-Neustart „wie geplant stattfinden kann“.

Für Dienstag ist unter anderem die Anklageverlesung durch die Staatsanwaltschaft vorgesehen. Die hatte im Juni und Dezember 2022 zwei Anklagen gegen den früheren Geschäftsführer erhoben, dem unter anderem Untreue, Urkunden- und Bilanzfälschung sowie Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen zur Last gelegt wird. Zeitraum der angeklagten Taten: 2016 bis 2021.

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Der Hauptangeklagte saß seit dem Jahr 2007 in der Geschäftsführung der Infineon Technologies Bipolar GmbH & Co. KG in Warstein, einem Tochterunternehmen des Chipherstellers Infineon und des Elektro- und Energietechnikherstellers Siemens Energy AG. Die erste Anklage wirft dem Ex-Geschäftsführer vor, zwischen 2015 und 2018 Firmengeld in Höhe von 7,5 Millionen Euro auf ein von ihm bei einer Anwaltskanzlei angelegtes Treuhandkonto abgezweigt zu haben. Die Mittel, so die Anklage, sollen in private Immobiliengeschäfte geflossen und darüber hinaus für den Eigengebrauch genutzt worden sein.

Nach Informationen der Westfalenpost hatte sich der Mann im September 2020 wegen des Treuhandkontos selbst bei seinem Arbeitgeber offenbart. Dieser stellte daraufhin Strafanzeige und kündigte ihm. Mithilfe einer Anwaltskanzlei ermittelte das Unternehmen, das an dem Verfahren als Nebenkläger beteiligt ist, weitere Unregelmäßigkeiten, die offensichtlich zu der zweiten Anklage führten.

Zwei Mitangeklagte

Demnach soll der Ex-Geschäftsführer mit Firmengeld zwei insolvente Zulieferbetriebe aus Süddeutschland (metallverarbeitende Industrie) erworben haben. Und das trotz eines Vetos des Aufsichtsgremiums. Ursprünglich soll der Mann gegenüber seinem Unternehmen angegeben haben, die Zulieferer konsolidieren zu wollen, um sie anschließend als Investment verkaufen zu können. Nach einiger Zeit soll er anstelle einer Bankfinanzierung direkte Darlehen der Infineon Technologies Bipolar in Höhe von 6,7 Millionen Euro verwendet haben.

Für die beiden Lieferbetriebe soll er, so der Vorwurf, ohne Wissen anderer Vertreter seines Unternehmens eine Holding-Gesellschaft gegründet haben, aus der er einen siebenstelligen Geldbetrag für eigene Zwecke abgezweigt haben soll. Als Geschäftsführerin der Holding soll er eine Freundin eingesetzt haben. Diese und ihr Mann müssen sich ebenfalls vor Gericht verantworten wegen des Vorwurfes der Beihilfe zur Untreue. Das mitangeklagte Duo war im Gegensatz zu dem Hauptbeschuldigten im Frühjahr zur Verhandlung vor Gericht erschienen.

Für die Neuauflage des Prozesses sind 16 Verhandlungstermine angesetzt. Das Urteil soll am 14. Februar fallen – acht Monate nach dem ursprünglich geplanten Finale.