Hagen. Die Neuwahlen werden Südwestfalen politisch mächtig schütteln: Wer um seinen Sitz im Bundestag bangen muss - und wer sich freuen darf.
Am 23. Februar 2025 soll der neue Bundestag gewählt werden. Für Südwestfalen wird das mit erheblichen Veränderungen einhergehen: Einige Sieger stehen schon jetzt so gut wie fest – genauso wie die Wackelkandidaten. Eine Analyse.
Das Machtzentrum Hochsauerland
Der Hochsauerlandkreis dürfte einer der machtvollsten Wahlkreise in ganz Deutschland werden. Mit Friedrich Merz (CDU) bewirbt sich hier der Mann um ein Bundestagsmandat, der – Stand jetzt – die besten Chancen hat, nächster Bundeskanzler zu werden. Ganz Deutschland wird schauen: Wie schneidet Merz in seiner Heimat Sauerland ab? Doch damit nicht genug Macht: Sein wohl stärkster Gegenkandidat im Hochsauerlandkreis ist SPD-Mann Dirk Wiese. Der kann es zwar an bundesweiter Bekanntheit nicht mit Merz aufnehmen, im Berliner Politbetrieb gilt er aber als einer der wirklich Einflussreichen: Stellvertretender Fraktionschef ist er aktuell, dazu aber auch Sprecher des Seeheimer Kreises, einer konservativen Strömung innerhalb der SPD, die zuletzt parteiintern an Einfluss gewonnen hat. Und Co-Chef der Gruppe der NRW-SPD-Bundestagsabgeordneten ist er zudem.
Über die Landesliste der SPD wird er so gut abgesichert werden, dass er auch bei einer erwarteten Niederlage gegen Merz im HSK wieder sicher im Bundestag sitzen wird. Sollte die SPD nach der Wahl in der Opposition landen, dann gibt es zwar weniger Posten zu verteilen, Dirk Wiese dürfte dabei aber ein Wörtchen mitzureden haben. Sollte die SPD – was nicht unwahrscheinlich ist – in einer Großen Koalition wieder in der Regierung landen, dann dürfte es auch für den Sauerländer einflussreiche Posten geben. Parlamentarischer Staatssekretär war er schon mal im Kabinett Angela Merkel.
Der Promi-Faktor
Südwestfalen hat aber nicht nur Merz und Wiese, sondern noch andere „Promis“ zu bieten, die zumindest im Polit-Betrieb Bekanntheit und Einfluss haben. So wird im Wahlkreis Olpe/Märkischer Kreis Johannes Vogel von der FDP wieder antreten – und einen vorderen Listenplatz bekommen. Er ist auf Bundesebene ein Stellvertreter von Ex-Finanzminister Christian Lindner als Parteichef und zudem im Bundestag für die FDP der im Alltag sehr mächtige Erste Parlamentarische Geschäftsführer.
Im benachbarten Wahlkreis Märkischer Kreis II tritt Paul Ziemiak erneut an. Der war schon einmal Generalsekretär der Bundes-CDU, aktuell hat er das gleiche Amt in der NRW-CDU inne. Bei allen anderen Abgeordneten aus Südwestfalen muss man schon politischer Feinschmecker sein, um deren Namen außerhalb ihrer Wahlkreise zu kennen. Die allermeisten der Abgeordneten, die 2021 in den Bundestag eingezogen sind, wollen aber nun noch einmal antreten. Klar ist aktuell nur, dass Volkmar Klein (CDU) aus Siegen-Wittgenstein, Hans-Jürgen Thies (CDU) und Wolfgang Hellmich (SPD) aus dem Kreis Soest sowie Hubert Hüppe (CDU) aus dem Kreis Unna nicht noch einmal antreten.
Die Wackelkandidaten
Aus den acht Bundestagswahlkreisen in Siegen-Wittgenstein, Olpe, Hochsauerland, Märkischer Kreis, Hagen, Ennepe-Ruhr-Kreis, Soest und Unna werden aktuell 20 Abgeordnete nach Berlin geschickt: fünf von der CDU, acht von der SPD, drei von den Grünen und vier von der FDP. Acht der insgesamt 20 Abgeordneten haben ihren Wahlkreis direkt gewonnen, zwölf sind über die Landeslisten der Parteien in den Bundestag eingezogen.
Man muss kein großer Prophet sein, um vorherzusagen: So viele werden es nach den Neuwahlen nicht mehr sein. Zwei Faktoren spielen eine Rolle. Zum einen ist das Wahlrecht geändert worden: Wegen sogenannter Überhang- und Ausgleichsmandate ist der aktuelle Bundestag so groß wie nie zuvor: 735 Mandate wurden vergeben, künftig werden es „nur“ 630 sein. Es gibt also weniger zu verteilen. Und dann kommt hinzu, dass bei der Wahl im Jahr 2021 SPD, FDP und Grüne so stark waren, dass auch noch hintere Listenplätze für einen Sitz im Bundestag reichten. Wenn man die aktuellen Umfragen und die Listenplätze aus dem Jahr 2021 zur Grundlage nimmt, dann dürfte es für einige Abgeordnete eng werden. Das sind die Wackelkandidatinnen und -kandidaten:
Bei der SPD sind es Luiza Licina-Bode aus Siegen-Wittgenstein (2021: Platz 32) und Nezahat Baradari aus Olpe/Märkischer Kreis (2021: Platz 26). Bis Platz 32 zog 2021 die SPD-Liste, beide müssten also einen großen Sprung nach vorne machen, wenn sie ihre Wahlkreise nicht direkt gewinnen. Für Dirk Wiese aus dem HSK (2021: Platz 5) und Bettina Lugk aus dem Märkischen Kreis (2021: Platz 14) dürfte es viel besser aussehen, wenn die SPD sie diesmal ähnlich platziert.
„Ich gehe nicht davon aus, über die Liste abgesichert zu sein.“
Bei den Grünen müssen Laura Kraft aus Siegen-Wittgenstein (2021: Platz 23), Janosch Dahmen aus dem Ennepe-Ruhr-Kreis (2021: Platz 24) und Michael Sacher aus Unna (2021: Platz 28) um bessere Listenplätze kämpfen. Bei der vergangenen Wahl zog die Grünen-Liste letztlich bis Rang 28. Laura Kraft sagt gegenüber unserer Redaktion: „Ich gehe nicht davon aus, über die Liste abgesichert zu sein.“ Engagiert in den Wahlkampf ziehen will sie trotzdem.
Bei der FDP zog die Liste bei der vergangenen Wahl bis Platz 19. Auch hier könnte es für Carl-Julius Cronenberg aus dem Hochsauerlandkreis (2021: Platz 14) und Katrin Helling-Plahr aus Hagen (2021: Platz 15) nicht mehr reichen. „Ich hoffe auf einen besseren Platz“, sagt Helling-Plahr, die inzwischen stellvertretende Parteichefin der NRW-FDP ist. Fabian Griewel aus Soest (2021: Platz 21) ist ohnehin erst in diesem Jahr für Agnes Strack-Zimmermann in den Bundestag nachgerückt. Er dürfte es schwer haben, wieder nach Berlin zu ziehen.
Die Swing States
Durch die US-Wahlen kennen wir sie: die Swing States, die mal zu dieser und mal zu jener politischen Richtung tendieren. Für Südwestfalen kann man eindeutig sagen: Der Hochsauerlandkreis und Olpe/Märkischer Kreis I sind definitiv keine „Swing States“. Es käme einem Erdbeben gleich, wenn hier die CDU nicht gewinnen würde: Friedrich Merz (HSK) und Florian Müller (Olpe/MK) sind also quasi sicher im Bundestag. Ähnliches gilt für Oliver Kaczmarek für die SPD im Kreis Unna.
Im Ennepe-Ruhr-Kreis (aktuell mit Axel Echeverria) und in Hagen (aktuell mit Timo Schisanowski) hat die SPD traditionell die Nase vorn, zuletzt aber mit weniger Vorsprung. „Swing States“ könnten dagegen Siegen-Wittgenstein und Märkischer Kreis II sein, weil es hier in der Vergangenheit mal SPD- und mal CDU-Sieger gab. Bei der vergangenen, für die CDU ungünstigen Wahl hatten hier aber die Unions-Kandidaten am Ende die Nase vor. Mit einer größeren Wahrscheinlichkeit wird das auch diesmal so sein.
AfD und BSW
Undurchsichtig ist bislang noch die Rolle von AfD und Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Schneiden sie stark ab, kostet dies die anderen Parteien weitere Sitze. Die AfD hatte bei der vergangenen Bundestagswahl flächendeckend Kandidaten in Südwestfalen aufgestellt, letztlich aber auf aussichtslosen Listenplätzen aufgestellt. Wie das diesmal sein wird, ist noch unklar. Man habe alle Kreisverbände, die noch keine Direktkandidaten nominiert hätten, aufgefordert, dies nun zu tun, so ein Sprecher des AfD-Landesverbands NRW. Wo es konkret in Südwestfalen Lücken gibt, bleibt bislang unbeantwortet.
Noch weniger weiß man zum BSW. Es gibt weder vom erst vor wenigen Wochen gegründeten NRW-Landesverband noch vom Bundesverband eine konkrete Auskunft. Dabei könnte ein Mann aus dem Märkischen Kreis eine größere Rolle spielen. Der Iserlohner Oliver Ruhnert, Ex-Manager von Fußball-Bundesligist Union Berlin und heute Chefscout des Vereins, spielt mit dem Gedanken, für den Bundestag zu kandidieren. mit rei