Warstein. Halbleiter- und Chiphersteller stärkt Innovationsstandort Warstein. Warum der Konzern aber nur Mieter auf dem eigenen Gelände wird.
Bier und Chips sind gerade eine beliebte Kombination, um entspannt den Feierabend oder die Fußball-EM vor dem Fernseher zu genießen. In Warstein haben Bier und Chips seit langem durch die bekannte Brauerei und Deutschlands ersten Halbleiterhersteller Infineon noch eine ganz andere Bedeutung. Sie stehen für Wirtschaftskraft, gute Arbeitsplätze und im Falle des Halbleiterherstellers Infineon für herausragende Innovation am Standort Sauerland, wo Chips aus der eigenen Herstellung in Dresden, Villach (Österreich) und Kulim (Malaysia) zu Hochleistungs-Halbleitermodulen entwickelt werden, um dann in Infineonfabriken auf der ganzen Welt in Großserie produziert zu werden.
Infineon hat für Warstein ein neues Gebäude mit insgesamt 10.000 Quadratmeter umbautem Raum, davon rund eintausend Quadratmeter für neue Forschungs- und Entwicklungslabore geplant, um weiter Technologieführer bleiben zu können. Raum für 350 Arbeitsplätze soll hier entstehen. Bis zu 500 Mitarbeitende hätten Platz, wenn ein Flex-Desk-System genutzt würde. Das Unterfangen sei nur zum Teil gleichbedeutend mit zusätzlichen Arbeitsplätzen, erklärt das Unternehmen, das am Standort wegen des Wachstums bereits Platzprobleme habe. Am Montag gab es die Baugenehmigung für den ersten Teilabschnitt des Neubaus.
Innovationsvorsprung vor Chinesen ist Versicherung für den Standort
Dem Standort im Sauerland kommt eine besondere Bedeutung zu, wenn es um Unabhängigkeit Deutschlands und Europas in der Wertschöpfungskette von der Chipherstellung bis zu Leistungsmodulen geht, die in Windrädern, Speicher- und Solaranlagen oder Hochgeschwindigkeitszügen und Elektroautos benötigt werden. Die Versicherung für Jobs im Sauerland ist, den Innovationsvorsprung vor Chinesen und dem Rest der Welt zu halten, erklärt Dr. Arne Kohring, Chef in Warstein: „Wir haben starke Konkurrenz aus China, aber noch haben wir mindestens eine Runde Vorsprung.“
„Infineon in Warstein ist ein Flaggschiff der Energiewende.“
Genau dies dürfte Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidenten Hendrik Wüst (CDU) am Mittwoch nach Warstein-Belecke an die Schüppe beim symbolischen Spatenstich gelockt haben: „Infineon in Warstein ist ein Flaggschiff der Energiewende“, jubiliert der Politiker. Vor gut anderthalb Jahren war er als Ministerpräsident das erste Mal am Standort, als bereits 40 Millionen Euro aus der Infineon-Schatulle in Ausbau und Modernisierung nach Warstein-Belecke geflossen sind. Das sei ein starkes Signal gewesen und habe die Wettbewerbsfähigkeit des gesamten Bundeslandes gestärkt. Nach wie vor halte NRW am Ziel fest, 2030 aus der Braunkohleverstromung auszusteigen. Infineons Innovationen leisteten hier einen wesentlichen Beitrag zur notwendigen Energiewende, lobte Wüst und verspricht: „Wenn sie hier weiter investieren, komme ich wieder.“
Konzernchef: Müssen auf Finanzen achten
In dieser Amtszeit wird es damit nichts mehr. Für die Zukunft scheint nichts ausgeschlossen zu sein. „Perspektivisch könnte Warstein noch weiter wachsen“, sagt Infineons Vorstandsvorsitzender Jochen Hanebeck. Es dürfte aber auch auf die Kassenlage des deutschen Vorzeigeunternehmens ankommen. Anders als in Dresden, wo gerade für fünf Milliarden Euro auf eigene Rechnung eine neue Fabrik entsteht, für die tausende Arbeiter gesucht werden, oder in Malaysia, wo sogar bis zu sieben Milliarden Euro in eine neue Fabrik für Leistungs-Halbleiter investiert werden sollen, wird das Gebäude am Standort Warstein-Belecke vom Hamburger Investor Garbe ICD für einen hohen zweistelligen Millionenbetrag gebaut. Infineon, mit mehr als 2300 Beschäftigten größter Arbeitgeber in Warstein, wird im Neubau nur Mieter sein. Gegenüber der Westfalenpost erklärte Konzernchef Hanebeck am Mittwoch im Sauerland, Infineon müsse auch auf die Finanzen achten.
Hintergrund zu Deutschlands erster Halbleiterfabrik
Den Standort Warstein-Belecke gibt es seit 1945, damals gegründet von AEG, die als erste deutsche Firma mit der Produktion von Halbleitern begannen. 1990 wurde die eupec GmbH gegründet, die zu jeweils 50 Prozent zur AEG und zu Siemens gehörte. 1996 wurde das Unternehmen dann eine 100-prozentige Siemens-Tochter. 1999 übernahm Infineon die eupec. Sechs Jahre später folgte dann die Integration in den Infineon-Konzern. 2007 wurde dann der Produktionsbereich der bipolaren Bauelemente als Infineon Technologies bipolar GmbH & Co. KG als Joint Venture mit Siemens ausgegründet.
Die Infineon Technologies AG gehört zu den zehn größten Halbleiterunternehmen der Welt. Mit rund 58.600 Beschäftigten erzielte das Unternehmen im Geschäftsjahr 2023 (Ende September) einen Umsatz von rund 16,3 Milliarden Euro.