Lippstadt. Hiobsbotschaft im Jubiläumsjahr: Am Stammsitz des Licht- und Elektronikkonzerns schafft es Hella nicht mehr, wettbewerbsfähig zu sein.

Gerade wurde in Lippstadt noch gefeiert: 125-Jähriges. So alt ist die Tradition des Scheinwerferherstellers Hella, der 1899 in Lippstadt gegründet wurde, zu einem weltweit agierenden Unternehmen mit zwischenzeitlich 40.000 Beschäftigten aufstieg und nun am Standort Deutschland immer mehr zu kämpfen hat. Mittwochmittag gab der Konzern bekannt, ausgerechnet im Herzen des Unternehmens, im Lichtwerk in Lippstadt, bis 2026 rund 420 der noch rund 1000 Jobs abbauen zu wollen.

Bereits 2019 Arbeitsplatzabbau im Lichtwerk

Bereits vor fünf Jahren gab es tiefe Einschnitte. 200 der damals 1350 Arbeitsplätze im Lichtwerk wurden dauerhaft abgebaut, die Produktion auf die Entwicklung teurer Matrix-LED-Scheinwerfer konzentriert, die später in den Werken weltweit in Osteuropa, China und Nordamerika in Großserien produziert wurden. Auf Dauer hat dieses Modell nicht getragen. Jedenfalls nicht mehr nach der Übernahme durch den französischen Faurecia-Konzern im Jahr 2022. Damals hatten die Gründerfamilien Hueck und Röpke ihre Unternehmensanteile an die Franzosen verkauft. Entstanden ist so der siebtgrößte Autozulieferer der Welt, der seither unter dem Namen Forvia firmiert.

An den Hella-Standorten wird das Blau-Gelb immer weniger. Dafür hält Forvia-Blau Einzug.
An den Hella-Standorten wird das Blau-Gelb immer weniger. Dafür hält Forvia-Blau Einzug. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Wie immer bei solchen Übernahmen sind die Beteuerungen groß, dass man gemeinsam stärker werde, Arbeitsplätze eher sicher würden - nur nicht mehr am Standort Deutschland, wie sich am Mittwochmittag einmal mehr zeigte. „Trotz intensiver Bemühungen in den letzten Jahren konnte das Werk nicht auf ein wettbewerbsfähiges Niveau gehoben werden. So können wir für das Werk heute nicht mehr in ausreichendem Maße profitables Neugeschäft gewinnen. Wir müssen daher die Lichtproduktion in Lippstadt in technologischer Hinsicht spezialisieren, das Produktivitätsniveau erhöhen und insgesamt die Kostenbasis senken“, ließ man Yves Andres, Geschäftsführer für den Lichtbereich von Forvia Hella, mitteilen. Nach Informationen dieser Zeitung will man die Produktion von Heckleuchten ebenso auslagern wie die von Innenleuchten. Es gebe in Europa kein zweites Lichtwerk in der Komplexität wie das Lichtwerk II in Lippstadt, heißt es von Unternehmensseite. In Zukunft sollen hier offenbar ausschließlich Scheinwerfer entwickelt und in Erstserien produziert werden.

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Hintergrund seien strukturelle Veränderungen im europäischen Marktumfeld, die primär auf eine deutlich geringere Fahrzeugproduktion, ein anhaltend hohes Kostenniveau sowie sich ändernde Kunden- und Zuliefererstrukturen zurückzuführen seien. „Diese Veränderungen sind grundlegend und wir erwarten, dass diese auch längerfristig Bestand haben werden. Sie verschärfen die ohnehin wirtschaftlich sehr herausfordernde Situation der Lichtproduktion in Lippstadt“, sagt Andres.

Arbeitsplatzabbau soll bis Mitte 2026 erfolgen

Insgesamt sei vorgesehen, in der Lichtproduktion am Standort Lippstadt rund 420 Stellen im Stammpersonal abzubauen. Es sei geplant, die erforderlichen Personalanpassungen so sozialverträglich wie möglich bis spätestens Mitte 2026 umzusetzen. „Wir sind uns bewusst, dass dies eine harte Entscheidung ist. Sie ist jedoch die Grundlage dafür, aus dem Werk heraus profitable und wettbewerbsfähige Projekte anzubieten. Unser Ziel haben wir dabei klar vor Augen: Die Lichtproduktion in Lippstadt in der Fertigung innovativster Scheinwerfer zu einem Benchmark in Qualität und Produktivität zu machen“, sagt Yves Andres. So ähnlich hatte es auch 2019 geklungen, als die ersten 200 Beschäftigten im Lichtwerk gehen mussten.

Nach Informationen dieser Zeitung hatte die Unternehmensleitung bereits seit längerer Zeit mit einem Restrukturierungsprojekt für das Lichtwerk II begonnen. Am Mittwoch um 13 Uhr wurden dann erstmals Teile der Belegschaft und der Betriebsrat informiert. Christian Thoenes, Chef der Gewerkschaft IG Metall Hamm/Lippstadt, erklärte, vom Restrukturierungsprogramm Kenntnis gehabt zu haben, „für uns war die Zahl 420 aber auch überraschend.“ Am Donnerstag werde es ein Treffen mit dem Hella-Betriebsrat in Lippstadt geben. Am kommenden Sonntag ist im Lichtwerk die turnusmäßige Quartalsbetriebsversammlung, bei der über die Ankündigung des Personalabbaus diskutiert werden dürfte.

Einführung eines Forvia Exzellenzsystems geplant

Betroffen sein werden Beschäftigt in der Produktion des Lichtwerks II ebenso wie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den Bereichen Qualitätsmanagement und Logistik. Hella/Forvia werde mit der Umstrukturierung nicht nur Arbeitsplätze abbauen, sondern auch die Produktionsfläche um rund 30 Prozent reduzieren. Außerdem soll das sogenannte „Forvia Exzellenzsystem“ eingeführt werden, um produktiver zu werden. „Der Standort Lippstadt macht aktuell Verluste“, so ein Unternehmenssprecher. Das will man bei Forvia auch am Stammsitz der Hella nicht länger hinnehmen.

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