Gladbeck. Besitzer von Ein- und Zweifamilienhäusern müssen oft mehr zahlen als bisher, trotzdem nimmt Gladbeck weniger ein. Was das für den Hebesatz heißt.
- Die Stadtverwaltung legt sich fest, obwohl die nach der Grundsteuerreform rund eine Million Euro weniger einnimmt, bleibt der Hebesatz konstant.
- Damit die Steuer für die Stadt aufkommensneutral wäre, müsste sie den Hebesatz eigentlich auf 1007 Punkte setzen.
- Kämmerin und Bürgermeisterin beklagen eine unfaire Belastung, gerade Besitzer von Einfamilienhäusern müssen trotz allem mehr zahlen, sie fordern Nachbesserungen vom Land.
„Wir werden den Hebesatz nicht erhöhen“, das sagt Bürgermeisterin Bettina Weist gleich zum Auftakt des Gesprächs über die Grundsteuer, die ab kommendem Jahr auf neuer Grundlage erhoben wird. Das hat Konsequenzen, für die städtische Kasse auf der einen, für die Immobilienbesitzerinnen und -besitzer auf der anderen Seite. Denn als Folge dieses Vorschlags der Verwaltung klafft in der Stadtkasse ab dem kommenden Jahr eine weitere Lücke in Höhe von rund einer Million Euro.
So stellt es sich zumindest aktuell dar, zu einem Zeitpunkt, da die Finanzverwaltung des Landes rund 97 Prozent aller Daten an die Stadt übermittelt hat. Zur Erinnerung: Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts hatte die Reform der Grundsteuer nötig gemacht. Sie sollte gerechter werden, gleichzeitig für die Städte aufkommensneutral. Heißt: Städte sollten nicht plötzlich mehr oder weniger durch die Grundsteuer einnehmen.
Gladbeck nimmt zurzeit rund 18 Millionen Euro an Grundsteuer ein. Wollte man dieses Niveau beibehalten, so müsste der Hebesatz vor Ort auf 1007 Punkte steigen. Der Hebesatz ist der einzige Punkt, an dem die Kommune ansetzen kann, um ihre Einnahmen zu steuern. Künftig also wird Gladbeck erst einmal eine Million Euro weniger über diese Kommunalsteuer einnehmen.
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Das allerdings ist nur die haushalterische Sicht aufs Thema. Denn obwohl die Einnahmen der Stadt sinken, wird es so kommen, dass einige Immobilienbesitzer stärker zur Kasse gebeten werden. Das wird besonders die Einfamilienhausbesitzer treffen. Kämmerin Silke Ehrbar-Wulfen hat erste Zahlen parat, die am Montag auch die Mitglieder im Haupt- Finanz- und Digitalisierungsausschuss (HFDA) beschäftigen werden.
Einfamilienhausbesitzer in Gladbeck zahlen mehr, Eigentümer von Geschäftsgrundstücken weniger
Aus diesen Zahlen geht hervor, dass wenn man nur den Anteil der Einnahmen aus Einfamilienhäusern zugrunde legt, die Stadt statt bisher 4,2 Millionen Euro ab dem kommenden Jahr 5,2 Millionen Euro einnimmt. Bezogen auf die Gesamteinnahmen aus der Grundsteuer steigt der Anteil dessen, was aus dem Bereich Einfamilienhaus stammt, von 23,7 auf dann 31,1 Prozent.
Wo also ist die Million, die am Ende in der Kasse fehlt? Ein Blick auf die Gewerbe- und Geschäftsgrundstücke zeigt: Bisher nahm die Stadt auf diesem Feld rund 3,7 Millionen Euro ein. „Künftig werden es rund 2,1 Millionen Euro weniger sein“, sagt Silke Ehrbar-Wulfen mit Blick auf die bisherige Datenlage. Diese Lastenverschiebung ist kein Gladbecker Phänomen. Alle Kommunen in NRW sehen dieses Problem, wonach Einfamilienhäuser besonders stark belastet und Geschäftsgrundstücke im Gegenzug entlastet werden.
Hintergrund ist die neue Berechnungsgrundlage. Das Land hat sich bei der Grundsteuer für das sogenannte Bundesmodell entschieden. Und das wendet zur Ermittlung des Steuermessbetrags, den die Finanzverwaltung für jedes Grundstück errechnet, unterschiedliche Verfahren an. Bei Wohngrundstücken ist es das Ertragswertverfahren. Da fließt der Grundstückswert über die Bodenrichtwerte mit ein, aber auch ein fiktiver Mietwert, also welche Miete wäre theoretisch zu generieren. Dieser Betrag wird dann mit der Steuermesszahl – für Wohngrundstücke 0,31 Promille – multipliziert und herauskommt der Steuermessbetrag, der dann an die Städte gemeldet wird.
Bei Geschäftsgrundstücken komme dagegen das „Sachwertverfahren“ zum Einsatz, erläutert Silke Ehrbar-Wulfen. Dort fließt neben dem Bodenrichtwert der Wert mit ein, den es kosten würde, das Gebäude neu zu bauen. Je nach Alter und Zustand gibt es dann Abzüge. Am Ende wird auch dieser Betrag mit der Steuermesszahl – in dem Fall 0,34 Promille – multipliziert und an die Stadt gemeldet.
Kommunale Spitzenverbände in NRW sehen das Land in der Pflicht
Hier hätte das Land eingreifen können, kritisieren Bürgermeisterin und Kämmerin im Einklang mit den kommunalen Spitzenverbänden. Über die Steuermesszahl wäre es möglich, die Verschiebungen zumindest einzudämmen. Doch diese Forderungen hat die Landesregierung bisher abgebügelt. Stattdessen hat der Finanzminister vorgeschlagen, den Kommunen die Möglichkeit einzuräumen, für Geschäftsgrundstücke einen separaten Hebesatz festzulegen.
Das lehnen die Städte und Gemeinden jedoch ab. „Ein solcher differenzierter Hebesatz würde am Ende von den gewerbetreibenden wie eine zweite Gewerbesteuer gewertet werden, mit der wir in Konkurrenz zu den umliegenden Kommunen stehen“, sagt die Kämmerin. Sie sähe in so einem Fall auch große rechtliche Probleme auf die Kommunen in NRW zukommen. Auch Bürgermeisterin Bettina Weist spricht angesichts des Vorschlags aus Düsseldorf von einer „Verschlimmbesserung“ und ist damit im Einklang mit dem NRW-Städtetag.
Viele Städte werden den Hebesatz erhöhen müssen, glaubt Gladbecks Kämmerin
Silke Ehrbar-Wulfen weist auf die Beispiele Saarland, Berlin und Sachsen, die wie NRW das Bundesmodell übernommen haben. Das sieht jedoch eine Öffnungsklausel vor, die diese drei Länder genutzt hätten, um die Steuermesszahlen anzupassen.
Auch wenn Gladbeck also um die Erhöhung des Hebesatzes wohl herumzukommen scheint, in vielen anderen Städten wird es anders aussehen, fürchtet Silke Ehrbar-Wulfen nach Gesprächen mit Amtskolleginnen und -kollegen. Gerade in Städten, in denen es noch mehr Geschäftsgrundstücke gebe, reiße die neue Grundsteuer ein noch größeres Loch in die Kasse. So müssten manche Großstädte in NRW demnächst hohe zweistellige Millionenbeträge ausgleichen, die durch die Grundsteuerreform dort fehlten. Oberhausen etwa hat eine solche Erhöhung bereits angekündigt, ohne konkrete Zahlen zu nennen.
Mieter trifft es wohl weniger hart
Beträge, die ohne eine Erhöhung des Hebesatzes wohl nicht aufzufangen sind. Dabei sei man anfangs, als es um die Reform ging, noch davon ausgegangen, dass die Einnahmen der Städte steigen würden. Daher auch das Versprechen, aufkommensneutral zu handeln.
Doch noch einmal der Blick auf die Gladbecker Zahlen. Demnach müssen Einfamilienhausbesitzer im Schnitt 24 Prozent mehr zahlen. Das aber, so Kämmerin und Bürgermeisterin, sei eben nur der städtische Durchschnitt. Für den einzelnen Hausbesitzer können die Zahlen ganz anders aussehen. Zum Teil sei das aber durchaus auch Ziel der Reform gewesen, erinnert Silke Ehrbar-Wulfen. So habe das Bundesverfassungsgericht zurecht eine Ungleichbehandlung bei der bisherigen Grundstückswertermittlung festgestellt. Es habe in Gladbeck Einfamilienhäuser gegeben, für die lag die Grundsteuer bei unter 100 Euro in Jahr. Zum Vergleich, wer eine Garage neu baut, wird dafür schon oft mit 80 Euro im Jahr zur Kasse gebeten.
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Mieter im Übrigen scheint es weniger hart zu treffen als Einfamilienhausbesitzer. Hier rechnet die Stadt mit einer Mehrbelastung von im Schnitt drei Prozent bei Mietwohngrundstücken. Geht es um Mehrfamilienhäuser mit verschiedenen Eigentümern, hat die Stadt gar ein Minus von zwei Prozent ausgerechnet. Aber klar ist: Auch hier handelt es sich wieder nur um den gesamtstädtischen Durchschnitt.
Doch diese hohen Ausschläge bereiten der Stadtspitze auch Sorgen. Die Bürgermeisterin hofft, dass das Land doch noch reguliert, derzeit versuchten die Städte über die Landtagsabgeordneten und die Fraktionen Druck aufzubauen, berichtet sie. Außerdem sind beim Bundesverfassungsgericht auch schon die ersten Klagen gegen diese Neufassung der Grundsteuer eingereicht worden. Silke Ehrbar-Wulfen und Bettina Weist sagen ganz klar, es sei ein Fehler gemacht worden. Doch die Kommunen hätten weder die Mittel, noch die Befugnis, den zu korrigieren. Das könnten nur das Land und die Finanzverwaltung.
Bleibt die Frage, wie das Loch in Gladbecks Kasse zu stopfen ist. Es werde da nicht den einen Posten geben, an dem gespart wird, sagt die Kämmerin. Doch dass gespart werden müsse, sei auch klar. Das Haushaltssicherungskonzept und die Kommunalaufsicht geben das vor. Es werde schon schwer genug zu argumentieren, warum Gladbeck den Hebesatz nicht erhöhe, unkt die Finanzchefin des Rathauses. Letztlich brauche es mehr denn je eine echte Altschuldenregelung, erneuert Bürgermeisterin Bettina Weist eine Forderung der Kommunen.
Hinweis: Dieser Text wurde erstmals am 3. Mai veröffentlicht.